Die Gunst der Stunde
In einem SUV wie dem X-Trail erwartet man eigentlich einen Diesel. Warum Nissan trotzdem einen Benziner nachschiebt
Der Dieselmotor ist derzeit in aller Munde und muss, nachdem dem Volkswagen-Konzern Betrügereien an den Abgaswerten nachgewiesen wurden, um sein Image fürchten: Niemand will schließlich mit einer vermeintlichen Mogelpackung unterwegs sein. Doch während in Wolfsburg derzeit gleichermaßen eifrig nach den Schuldigen und einer Lösung für das Problem gesucht wird, nutzt Nissan die Gunst der Stunde und erweitert sein Kompakt-SUV namens X-Trail um eine zusätzliche Antriebsvariante: einen Benziner!
Der bereits aus dem beliebten Qashqai bekannte Vierzylinder kommt gerade recht, hatten die Japaner bislang doch nur einen einzigen Motor – einen 130-PS-Selbstzünder – im Angebot. Mit dem 1.6 DIG-T bieten sie nun auch im X-Trail nicht nur eine Alternative ohne Schummelverdacht, sondern eine preislich attraktive noch dazu. Mit 24 750 Euro senkt der Ottomotor nämlich den Einstiegspreis für den hochbeinigen Nissan um satte 2450 Euro – für die sich reichlich Benzin kaufen lässt.
Mit dem Treibstoff haushaltet der Benziner recht ordentlich. 6,2 Liter Normverbrauch auf dem Papier beziehungsweise knapp unter acht Liter laut Bordcomputer auf unserer ersten Testrunde sind in dieser Leistungsstufe klassenüblich. Allerdings: Die 163 PS sind nicht immer spürbar. Vor allem wenn man sich an die Schaltempfehlung im Kombiinstrument hält, wirkt das Aggregat sehr gezügelt und lässt wenig Fahr- freude aufkommen. Dreht man die Gänge aber weiter aus und hält den Motor bei Laune, lässt der Durchzug nicht mehr zu wünschen übrig.
Das volle Drehmoment liegt zwischen 2000 und 4000 Umdrehungen an und schubst im Idealfall das mindestens 1,5 Tonnen schwere SUV in unter zehn Sekunden auf Tempo 100; Schluss ist bei 200 Stundenkilometern. Wann geschaltet wird, hat der Fahrer immer selbst in der Hand: Eine Automatik bietet Nissan für den Benziner nicht an – und auch der Allradantrieb ist dem Diesel vorbehalten. Vermissen muss man beides nicht. Die sechs Gänge lassen sich trotz langer Schaltwege gut wechseln und ins Gelände werden die meisten X-Trails wohl nie kommen.
Wenn es schon nicht über Stock und Stein gehen soll, so empfiehlt sich der optional auch als Siebensitzer (800 Euro Aufpreis) erhältliche Japaner besonders für die Langstrecke: Komfortabel gefedert bewahrt er die Insassen vor den Unwirtlichkeiten des Asphalts. Der Preis für die Gemütlichkeit ist zwar eine deutliche Wankneigung in flotten Biegungen, doch verleitet die etwas indirekte Lenkung ohnehin mehr zum Cruisen als zur Kurvenhatz. Dass das Triebwerk ausgesprochen leise ans Werk geht, erhöht den Komfort zusätzlich.
Bemerkenswert: In den Kofferraum gehen je nach Bestuhlung zwischen 445 und 1982 Liter – damit ist der Nissan besser für die Urlaubsreise gerüstet als viele seiner Mitbewerber, zu denen neben dem Bestseller VW Tiguan unter anderem der Toyota RAV4 und der Honda CR-V zählen.
Dem neuen Motor sagt Nissan übrigens vorsichtig einen Verkaufsanteil von lediglich 15 Prozent voraus. Bis zu 30 Prozent seien aber durchaus vorstellbar, heißt es. Und: Kommen die X-Trailer-Käufer auf den Geschmack, könnte Nissan noch eine Starkversion nachlegen. Das gleiche Aggregat leistet im etwas gewöhnungsbedürftigen Crossver Juke 190 PS und würde auch dem Kompakt-SUV gut zu Gesicht stehen.