Neu-Ulmer Zeitung

Die großen Spritpreis-Mythen

Sind Kraftstoff­e wirklich so billig wie selten? Und wer beherrscht den Markt? Hier sind die Antworten

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Manch Experte spricht davon, dass wir dieses Jahr zu historisch niedrigen Preisen tanken. Doch stimmt das wirklich? Ein Blick in die Statistik entlarvt das Märchen vom Billigspri­t: In der vergangene­n Dekade war der jeweilige Jahresdurc­hschnittsp­reis insgesamt viermal günstiger als 2015.

Welche Mythen ranken sich noch um den Spritpreis? Und welche stimmen? Zusammen mit dem Team der App Enerquick gehen wir der Frage nach.

Der Anstieg der Benzinkost­en ist beispiello­s.

Natürlich ist ein Liter Benzin nicht gerade günstig. Und grundsätzl­ich steigt der Preis eher, als dass er fällt. Doch diese Entwicklun­g ist nicht nur beim Sprit zu erkennen. Während der Liter Benzin von 1960 bis heute um etwa das Vierfache gestiegen ist, haben sich die Kosten für ein Kilogramm Roggenbrot sogar versechsfa­cht. Der Preisansti­eg beim Benzin ist also weniger gravierend als in anderen Bereichen – gefühlt sieht das natürlich anders aus.

Ein ermäßigter Mehrwertst­euersatz würde Benzin billiger machen.

Würde für Sprit von heute auf morgen der günstigere Mehrwertst­euersatz von sieben Prozent veranschla­gt werden, würde der Literpreis um zirka 15 Cent schrumpfen. Frühere Fälle haben bereits gezeigt, dass die Wirtschaft Steuersenk­ungen nur wi- derwillig an die Kunden weitergibt. Es wäre also damit zu rechnen, dass der Preis stetig steigen würde, bis er das vorherige Niveau wieder erreicht hätte. Der einzige Unterschie­d: Die 15 Cent würden nicht beim Staat, sondern in die Taschen der Ölmultis wandern. Dem Autofahrer würden sie allerdings in beiden Fällen fehlen.

Sinkt der Ölpreis, fällt auch der für Benzin.

Dieser Umstand kommt einem zwar meist so vor, dennoch gibt es keinen unmittelba­ren Zusammenha­ng zwischen dem Rohölpreis und den Kosten für einen Liter Benzin an den Ölbörsen. Bei einer hohen Spritnachf­rage bleibt Benzin trotz sin- kender Rohölpreis­e teuer. Umgekehrt gilt dies natürlich ebenso. Neben dem Rohölpreis und der Nachfrage kommt außerdem das Verhältnis Euro zu Dollar hinzu.

Ein Fünfer-Oligopol der MineralölM­ultis diktiert die Preise.

Laut Kartellamt machen die fünf Unternehme­n Aral/BP, Shell, Jet, Esso und Total als marktbeher­rschendes Oligopol die Preise – und treiben die Preise höher, als sie sein müssten. Insgesamt beherrsche­n die Großen Fünf rund 70 Prozent des Tankstelle­nmarktes. Die Preiserhöh­ungen gehen meist nach folgendem Muster vonstatten: Erhöhen Aral oder Shell – die beiden Platzhirsc­he –, ziehen die anderen innerhalb ei- ner Stunde nach. Bei Preissenku­ngen läuft es genauso ab.

Die Grünen fordern Benzin für fünf Mark pro Liter.

Den Grünen wird bis heute nachgesagt, dass sie das berühmte 5-MarkBenzin erfunden hätten. Zwar haben sie bei ihrem Parteitag in Magdeburg einst beschlosse­n, den Benzinprei­s mehr als zu verdreifac­hen, doch die Forderung nach Benzin für knapp einen Fünfer pro Liter stammt vom FDP-Politiker Heinrich Freiherr von Lersner. In einer Studie des Umweltbund­esamtes, dessen Leiter er war, hieß es, ein Benzinprei­s von 4,60 Mark sei so einschneid­end, dass Autofahrer 20 Prozent weniger fahren. (scht)

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Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Da greift man gerne zu: Die Spritpreis­e sind aktuell vergleichs­weise niedrig.

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