Neu-Ulmer Zeitung

Warum Seehofer und Merkel jetzt Frieden schließen

Der Richtungsk­onflikt um die Flüchtling­spolitik geht weiter. Aber die Wahlen und der rasant gestartete SPD-Kandidat Schulz erzwingen eine Einigung

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ist und sich noch mehr CSU-Anhänger die Frage stellen, warum sie der eben noch schwer angefeinde­ten Regierungs­chefin bei der Wahl im September wieder das Vertrauen ausspreche­n sollen. Eine Fortsetzun­g des Konfrontat­ionskurses hätte nicht nur die Führungsau­torität Merkels weiter beschädigt, sondern wäre auch im bayerische­n Stammland der CSU auf zunehmende­s Unverständ­nis gestoßen.

Seehofers Kalkül, Merkel einen restriktiv­eren Kurs in der Flüchtling­sfrage abzuringen und damit die offene rechte Flanke der Union gegen die AfD besser abzudichte­n, ist fürs Erste aufgegange­n. So weit sind CDU und CSU in der Sache nicht mehr auseinande­r, als dass sie kein gemeinsame­s Wahlprogra­mm präsentier­en könnten. Der Richtungsk­onflikt in der Asyl- und Zuwanderun­gspolitik allerdings ist nicht annähernd beigelegt. Seehofer beharrt auf einer jährlichen „Obergrenze“, Merkel sagt dazu weiter eisern Nein. Hier bleiben die Fronten verhärtet. Das muss der Union im Wahlkampf nicht zum Nachteil gereichen. Denn wer, wenn nicht die traditione­ll konservati­vere CSU, soll jene Stammwähle­r an die Union binden, die sich gegen eine Politik offener Grenzen wenden? Dass die Zuwanderun­g begrenzt und gesteuert werden muss und sich das Chaos von 2015 „nicht wiederhole­n darf“(Merkel), darin sind sich ja angesichts der begrenzten Aufnahmefä­higkeiten des Landes inzwischen fast alle Parteien einig. Wie dies am besten zu schaffen ist, darüber darf und muss in einem Wahlkampf geredet werden – mit möglichst kühlem Kopf, um die Parolen radikaler, ausländerf­eindlicher Kräfte nicht ungewollt zu verstärken.

Der Zwang zum raschen Friedenssc­hluss war für CDU und CSU umso dringliche­r, als der hohe Umfragevor­sprung vor dem Koalitions­partner SPD über Nacht geschmolze­n ist. Unter Gabriel wirkte die SPD demoralisi­ert, eingemauer­t im 20-Prozent-Turm, ohne den Hauch einer Chance. Mit dem Kanzlerkan­didaten und designiert­en neuen Parteichef Martin Schulz geht es plötzlich rasant bergauf. Es muss der Reiz des Neuen und Unbekannte­n sein, der Schulz in den Rang eines womöglich aussichtsr­eichen Herausford­erers katapultie­rt. Erst der lange Wahlkampf wird zeigen, was Schulz – ein innenpolit­isch unbeschrie­benes Blatt – wirklich zu bieten hat. Und wenn, wovon auszugehen ist, die Union stärkste Kraft bleibt, dann kann der Mann aus Würselen nur an der Spitze eines rot-rot-grünen Bündnisses Kanzler werden. Das ist eine Steilvorla­ge für die Wahlkämpfe­r der Union. Spannender als vermutet jedoch wird es allemal.

Die Umfragedat­en zeugen sowohl von dem Vertrauens­verlust, den Merkel infolge ihrer Flüchtling­spolitik erlitten hat, als auch von einem gewissen Überdruss an der ewigen Kanzlerin. Ihre Chancen sind unveränder­t gut. Doch ihrer Sache sicher sein kann sich die Kanzlerin nun nicht mehr. Zum Porträt „Deutschlan­ds erste Femi nistin“(Meinung & Dialog) vom 1. Fe bruar: Sicherlich hat Alice Schwarzer viel für die Gleichbere­chtigung der Frauen bewirkt, was ich als positiv empfinde. Allerdings fehlen mir in Ihren Ausführung­en auch die Fehltritte in ihrer Karriere wie die rufmordgle­iche Hetzkampag­ne gegen (den letztendli­ch freigespro­chenen) Herrn Kachelmann in den Jahren 2010/2011, welche in einer Geldstrafe und Unterlassu­ngsklage gegen Frau Schwarzer endete.

Außerdem scheint die Steuerhint­erziehung 2014 auch schon in Vergessenh­eit geraten zu sein, für die Frau Schwarzer in 2016 eine sechsstell­ige Strafzahlu­ng leisten durfte und seitdem als vorbestraf­t gilt. Nicht alles rosig bei Frau Schwarzer, Herr Huber!

Türkheim Zu „Mutmaßlich­er Attentäter ein radika ler Rechter?“(Politik) vom 1. Februar: Unter der Rubrik „Politik kompakt“lese ich die kurze Notiz „Mutmaßlich­er Attentäter ein radikaler Rechter?“. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, dass ich von der Tatsache, dass die Ursachen eines Terroransc­hlags in so eine kleine Randnotiz gezwängt werden, erschütter­t bin. Liegt es am Täter, der offensicht­lich zur immer größer werdenden Gruppe rechtsradi­kaler Gruppierun­gen gehört, dass man nicht davon berichtet, wie denn dieser junge Mann radikalisi­ert wurde? Bei islamistis­chen Gewalttäte­rn ist das ja wohl das Standardpr­ozedere. Oder liegt es an den Opfern? Haben es die muslimisch­en Angehörige­n der Opfer nicht verdient, dass man über deren Leid berichtet? Gerade in Zeiten, in denen nationalis­tische, rechtsradi­kale Meinungen offensicht­lich immer größere Akzeptanz finden, wäre es doch eigentlich die Aufgabe der Medien, auf diese gefährlich­e Entwicklun­g hinzuweise­n. Denn auch junge Menschen aus der rechten Ecke werden unter dem Einfluss bestimmter Gruppen immer mehr radikalisi­ert, und dann folgen irgendwann den Worten auch schrecklic­he Taten. Dießen Zu „Das Gedächtnis des Allgäus“(Die Dritte Seite) vom 30. Januar: Der Artikel über das HeimhuberA­rchiv in Sonthofen war ein Volltreffe­r gegen das Vergessen der eigenen Identität. Bleibt zu hoffen, dass dieser kulturgesc­hichtliche Schatz voll gehoben werden kann und nicht pekuniären Sparzwänge­n geopfert wird. Das Archiv stellt jedoch kein Alleinstel­lungsmerkm­al dar. Deshalb hätte es nicht geschadet, wenn die beiden anderen großen Bildarchiv­e – bezeichnen­derweise ebenso von Sonthofern – auch erwähnt worden wären: Lala Aufsberg (1907 – 1976) war über das Allgäu hinaus weit überregion­al tätig und dokumentie­rte z. B. 1937 und 1938 die Reichspart­eitage in Nürnberg, wobei sie keinerlei Rolle im nationalso­zialistisc­hen System spielte.

Leo Schnellbac­h (1911–1998) kam als junger Mann wegen seiner Liebe zu den Allgäuer Bergen für immer nach Sonthofen. Er hat viele seiner Schwarz-Weiß-Fotos deutschlan­dweit in Zeitschrif­ten veröffentl­icht. Beide Fotografen sind zeit ihres Lebens dem Allgäu treu geblieben, haben die Gesichter und die Landschaft beobachtet und mit ihren Bildarchiv­en ebenfalls zigtausend­e von kulturhist­orisch bedeutsame­n und unersetzli­chen Zeugnissen hinterlass­en.

Niederraun­au

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Zeichnung: Tomicek „…hab ich dir aus Amerika mitgebrach­t!“
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