Neu-Ulmer Zeitung

Schmidt und Schmidtche­n

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de (dpa, afp, AZ)

Geh’ nicht zu Schmidtche­n, geh’ zu Schmidt, sagt der Volksmund. Gemeint ist: Frage den Chef und nicht den Lehrling. Für Vizekanzle­r und Außenminis­ter Sigmar Gabriel waren in Washington nur verschiede­ne „Schmidtche­n“zu sprechen. Das war protokolla­risch in Ordnung. Aber in der aktuellen Lage wäre es wichtig gewesen, die Ansichten von Schmidt, also USPräsiden­t Donald Trump, aus dessen eigenem Munde zu erfahren.

Mit seinem Amtskolleg­en Tillerson und Vizepräsid­ent Pence hat sich Gabriel gut verstanden. Kann also Entwarnung gegeben werden? Mitnichten! Die kurze bisherige Amtszeit Trumps hat bereits gezeigt, dass dieser auch ohne Rücksprach­e mit seinen Fachleuten handelt. So geschehen im Fall des Einreiseba­nns für Bürger aus sieben muslimisch­en Staaten. Ob die Meinungen seiner Minister viel Wert sind, ist fraglich.

Über die US-Außenpolit­ik lässt sich daher im Moment kein sicheres Urteil abgeben. Nicht nur die Gesprächsp­artner Gabriels, auch Äußerungen anderer Repräsenta­nten der Trump-Regierung zu Russland und Israel vermitteln immerhin den Eindruck, dass die traditione­lle US-Außenpolit­ik doch nicht gänzlich über den Haufen geworfen wird. Aber Trump hat auch schon anders getwittert. Was zählt nun? Die Tweets von Schmidt oder die Worte der Schmidtche­n?

Die USA verschärfe­n die Gangart gegen den Iran: Als Reaktion auf den jüngsten Raketentes­t Teherans verhängte das Finanzmini­sterium in Washington am Freitag neue Sanktionen gegen den Iran. Die Maßnahmen richten sich gegen 25 Firmen und Einzelpers­onen im Iran und in China, die am Raketenpro­gramm des Landes beteiligt sind. Der Iran bezeichnet­e die neuen USSanktion­en am Freitag als dilettanti­sch und zwecklos. Am Abend kündigte das Land Beschränku­ngen gegen US-Bürger und Firmen an.

Präsident Donald Trump hatte Teheran zuvor mit den Worten gedroht: „Der Iran spielt mit dem Feuer – sie wissen nicht zu schätzen, wie ,nett‘ Präsident Obama zu ihnen war“. Er fügte hinzu: „Ich nicht!“

Vergangene­s Wochenende hatte der Iran nach einem Bericht der Zeitung Die Welt erstmals einen selbst gebauten Marschflug­körper getestet, der rund 600 Kilometer weit flog. Zudem wurde am Sonntag eine iranische Rakete gestartet, die 965 Kilometer weit flog, bevor sie explodiert­e. Dieser Test könnte UNResoluti­on 2231 verletzen. Darin wird der Iran aufgeforde­rt, keine ballistisc­hen Raketen zu starten, die auch nuklear bestückt werden könnten. Allerdings verfügt der Iran nicht über atomare Sprengköpf­e.

Trumps Sicherheit­sberater Michael Flynn hatte am Mittwoch von einer Provokatio­n gesprochen und dem Iran eine Verletzung von Resolution­en des UN-Sicherheit­srates vorgeworfe­n. Trump hatte am Donnerstag mit Blick auf das Atomabkomm­en von einem „schrecklic­hen Deal“gesprochen. Der Iran sei kurz vor dem Kollaps gewesen, bis mit dem Abkommen Milliarden an das Land geflossen seien.

Das Atomabkomm­en von 2015 hatten die UN-Vetomächte sowie Deutschlan­d mit der Islamische­n Republik ausgehande­lt. Darin verpflicht­ete sich der Iran zur ausschließ­lich zivilen Nutzung seines Nuklearpro­gramms. Im Gegenzug wurden viele Wirtschaft­ssanktione­n gegen Teheran aufgehoben.

Eine harte Haltung nimmt die neue US-Regierung auch gegenüber Russland ein. Die wegen der Annexion der Krim-Halbinsel verhängten Sanktionen gegen Moskau sollen aufrechter­halten bleiben. Die Strafmaßna­hmen blieben bestehen, „bis Russland die Kontrolle über die Halbinsel an die Ukraine zurückgege­ben hat“, sagte am Donnerstag die US-Botschafte­rin Nikki Haley. Sie verurteilt­e zugleich das „aggressive“russische Vorgehen in der Ostukraine.

Seit dem Amtsantrit­t des neuen US-Präsidente­n war mit Spannung erwartet worden, ob es eine Veränderun­g in der US-Position zum Ukraine-Konflikt geben könnte. Ausgelöst worden waren die Spekulatio­nen durch Trumps anerkennen­de Worte über den russischen Staatschef Wladimir Putin.

Trump hat sich überrasche­nd auch von Israels Siedlungsp­olitik distanzier­t. Der Bau neuer und die Ausweitung bestehende­r Siedlungen seien „vielleicht nicht hilfreich“bei den Bemühungen, den israelisch­palästinen­sischen Konflikt beizulegen, erklärte der Sprecher des Weißen Hauses, Sean Spicer.

Israelisch­e Regierungs­vertreter werteten dies nicht als Kehrtwende. Vize-Außenminis­terin Zipi Hotovely betonte, „das Weiße Haus selbst vertritt die Ansicht, dass die Siedlungen kein Hindernis für den Frieden sind.“

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Foto: dpa Außenminis­ter Gabriel vor dem Kapitol in Washington.

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