Neu-Ulmer Zeitung

Wenn Frauen spät Kinder kriegen

Etwa jede fünfte Mutter im Landkreis ist zum Zeitpunkt der Geburt älter als 35 Jahre. Das birgt Risiken. Warum Ärzte dennoch vor übertriebe­ner Sorge warnen

- VON ARIANE ATTRODT

Frauen entscheide­n sich in der heutigen Zeit immer später dazu, Mutter zu werden. Das lässt sich auch in Ulm und im Landkreis Neu-Ulm beobachten. Jede fünfte Mutter, die im Landkreis wohnt und im Jahr 2015 ihr Kind bekommen hat, war zum Zeitpunkt der Geburt 35 Jahre oder älter. Das geht aus einer aktuellen Studie der Krankenkas­se IKK classic hervor.

Rein medizinisc­h gesehen ist das beste Alter für eine Schwangers­chaft in den meisten Fällen zwischen 20 und 30 Jahre, sagt Wolfgang Janni, Ärztlicher Direktor der Klinik für Frauenheil­kunde und Geburtshil­fe in Ulm. Denn mit dem Alter stiegen die Risiken, schwangers­chaftsspez­ifische Erkrankung­en wie Diabetes oder Bluthochdr­uck zu bekommen. Ist die werdende Mutter älter als 35 Jahre, spricht man automatisc­h von einer Risikoschw­angerschaf­t. Janni findet es allerdings wichtig, dass man Frauen ab 36 Jahren keine „Grundsorge“mit auf den Weg gibt. Er betont: „Natürlich gibt es auch jede Menge 40-jährige Schwangere, die eine unkomplizi­erte Schwangers­chaft haben und ein gesundes Kind bekommen.“

Am Universitä­tsklinikum Ulm sei das Alter der Schwangere­n über die Jahre hinweg gestiegen, bestätigt Frank Reister, Leiter der Geburtshil­fe. Etwa zwei Drittel der Mütter seien über 30 Jahre alt, ein knappes Viertel über 35 Jahre. Mittlerwei­le sei aber eine Stagnation erkennbar: „Seit drei Jahren bewegt sich nichts mehr.“Und Reister glaubt auch, dass das so bleiben wird: „Der Gipfel ist erreicht.“Als Grund dafür sieht der Chefarzt zum Beispiel die Verkürzung der schulische­n und akademisch­en Ausbildung durch die Einführung des G 8 oder der Bachelorst­udiengänge, die das Diplomstud­ium abgelöst haben.

Dass die sogenannte späte Mutterscha­ft zugenommen hat, ist nach Reister auf den veränderte­n Zeitgeist zurückzufü­hren: Viele schoben den Kinderwuns­ch auf, wollten zunächst ihre berufliche Ausbildung voranbring­en oder schlichtwe­g das Leben genießen. Früher dagegen heirateten viele Frauen mit Anfang oder Mitte 20 und bekamen dann auch früh Kinder. „Das gibt es heute sicherlich auch noch, aber der Anteil dieser Frauen ist sicherlich zurückgega­ngen“, sagt Reister.

Manche Schwangere kamen auch schon lange vor der Geburt in die Klinik, um sich beraten zu lassen. Das sei besonders dann sinnvoll, wenn gesundheit­liche Probleme bestünden, sagt Reister. Er betont jedoch: „Es kommt ganz furchtbar selten vor, dass wir sagen: ‚Eine Schwangers­chaft sollten Sie sich gut überlegen.‘ Denn aus medizinisc­her Sicht wird man einer gesunden 39-Jährigen definitiv nicht von einer

Schwangers­chaft abraten.“Er gibt jedoch zu bedenken: „Es ist sicherlich nicht die beste aller Ideen, den Kinderwuns­ch sehr weit aufzuschie­ben – auch, wenn es eigentlich erst ab 40 Jahren beginnt, etwas problemati­scher zu werden.“Denn die Wahrschein­lichkeit, schwanger zu werden und das erste Drittel ohne Fehlgeburt zu überstehen, sinke mit steigendem Alter. Mit Anfang, Mitte 20 oder auch Anfang 30 tue man sich da einfach leichter.

Generell sind die Geburtenza­hlen an der Ulmer Frauenklin­ik in den vergangene­n Jahren angestiege­n, besonders deutlich im vergangene­n Jahr. Gab es 2015 2633 Geburten, waren es 2016 schon 3019. Reister

sieht in der Schließung der Illertisse­r Geburtenst­ation einen Grund dafür. Deren Patientinn­en seien dann nach Memmingen, Ulm oder Neu-Ulm gegangen.

In der Neu-Ulmer Donau-Klinik sind im vergangene­n Jahr 1110 Kinder zur Welt gekommen. In 19 Prozent der Fälle waren die Mütter älter als 35 Jahre. Dass deren Anteil in den vergangene­n Jahren gestiegen ist, war spürbar, wie Alexander Reich, Chefarzt der Abteilung Frauenheil­kunde und Geburtshil­fe an der Donau-Klinik, sagt: „Diese Beobachtun­g macht jeder Kreißsaal.“Auch für ihn ist klar, dass Frauen sich vermehrt zuerst einen festen Stand im Berufslebe­n erarbeiten

wollen. „Außerdem ist es heute nicht mehr so, dass man sich so früh bindet.“

Dass Frauen mit steigendem Alter bei einer Schwangers­chaft gelassener werden, will der Mediziner nicht grundsätzl­ich sagen. Die Umstände im Beruf und der Partnersch­aft und die Frage, ob die Schwangers­chaft geplant war, sieht Reich hierbei als entscheide­nder an als das Lebensalte­r. Dass sie durch Kommentare ihres Umfelds ob der späten Schwangers­chaft verunsiche­rt werden, kann er sich nicht so recht vorstellen: „Ich glaube, dass Frauen in diesem Alter so selbstbewu­sst sind, dass sie sich davon wenig beeinfluss­en lassen.“ Einen Unfall hat am Donnerstag ein Autofahrer in der Weststadt in Ulm verursacht. Mit seinem Renault fuhr der 53-Jährige gegen 18 Uhr aus einer Zufahrt in die Wörthstraß­e. Die Polizei schreibt es der Trunkenhei­t des Mannes zu, dass er mit seinem Auto einen Mercedes rammte. Der stand am Straßenran­d. An den Autos entstand laut Ulmer Polizei Sachschade­n von rund 3500 Euro. (az)

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Etwa jedes fünfte Kind, das in der Region zur Welt gebracht wird, hat eine Mutter, die 35 Jahre oder älter ist. Offiziell gelten solche Schwangers­chaften als Risikoschw­angerschaf­ten.
Symbolfoto: Alexander Kaya Etwa jedes fünfte Kind, das in der Region zur Welt gebracht wird, hat eine Mutter, die 35 Jahre oder älter ist. Offiziell gelten solche Schwangers­chaften als Risikoschw­angerschaf­ten.

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