Das Leben in Washington ist Lichtjahre entfernt
sie schon, um Flagge zu zeigen. Denn Trump ist ihr Präsident.
Finn hat Trumps Buch „Art of the Deal“gleich nach dessen Erscheinen in den 1980er Jahren verschlungen. Seitdem ist sie überzeugt, dass der Unternehmer der Richtige fürs Land ist. „30 Jahre habe ich darauf gewartet, dass er endlich kandidiert.“Als es so weit war, legte sie sich ein Twitter-Konto zu. „Damit ich ihm bei der ersten Fernsehdebatte Tipps geben konnte.“Inzwischen ist sie genauso Twitter-süchtig wie ihr Präsident.
Zusammen mit anderen TrumpFreunden im Landkreis Fauquier, der Gegend rund um Warrenton, zog Finn im Wahlkampf von Tür zu Tür, um die Republikaner an die Urnen zu bekommen. Bei vielen musste sie keine große Überzeugungsarbeit leisten. Warrenton mag geografisch betrachtet nicht weit weg sein vom linksliberalen Washington – vom Lebensgefühl her sind es Welten. Ein hier beliebter Radiosender unterbricht mittags sein Country-Programm aus Liedern um Suff, Liebe und Trucks und bringt die Nationalhymne.
Finn wünscht sich vom neuen Präsidenten mehr Wohlstand, weniger Vorschriften und strengere Gesetze. „Es ist ein Unding, dass jemand zehn Jahre warten muss, bis er auf den elektrischen Stuhl kommt.“Auch könne sich Amerika beim besten Willen nicht noch mehr Flücht- linge leisten. Den Einwand der Trump-Gegner, weiße Amerikaner stammten ebenfalls von Flüchtlingen ab, lässt sie nicht gelten. Ihre Vorfahren seien vor hunderten Jahren aus Wales gekommen, da sei sie ja wohl kein Flüchtling mehr.
Etwas mehr als 59 Prozent der Stimmen strich Trump im Kreis Fauquier ein und erhielt damit fast doppelt so viel Unterstützung wie Hillary Clinton, die auf knapp 35 Prozent kam. Wie in anderen Landesteilen war Trumps Sieg hier das Ergebnis einer Protestwahl, eines Aufstandes gegen den als abgehoben und arrogant verschrienen Politbetrieb in Washington. Einer der Bälle zu Ehren von Trumps Amtseinführung am 20. Januar hieß der „Ball der Beklagenswerten“, benannt nach Clintons herablassender Beschreibung der Trump-Wähler.
Trump hat den „Beklagenswer- ten“einen Triumph beschert, und doch ist Aktivistin Finn mit ihrer öffentlichen Parteinahme für den Präsidenten eine Ausnahme in Warrenton. Kein Wunder, sagt sie. „Die verprügeln dich, die klauen dir die Trump-Kappe und verbrennen sie, so wie sie die Flagge verbrennen.“
Die – das sind die Demonstranten auf dem Marktplatz, die anderen, die Anhänger von Clinton, die Vertreter des liberalen Establishments, die Medien. Über „die“hört man nichts Gutes in Warrenton. „Eine Freundin von mir verschweigt auf ihrer Arbeitsstelle, dass sie Trump gewählt hat, weil sie Angst hat, gefeuert zu werden“, sagt die Kellnerin im „Sunny Hill American Grill“, in dem der „All American Burger“zu den Spezialitäten zählt. Klar sei es verboten, jemanden wegen seiner Wahlentscheidung vor die Tür zu setzen. „Aber es passiert trotzdem.“
Ein paar Schritte weiter prüft ein Kunde im Waffengeschäft „Highflyer Arms“eine automatische Pistole. Mehrere dutzend solcher Waffen hängen an der Wand. Hinter dem Tresen stehen Papier-Zielscheiben mit aufgemalten menschlichen Silhouetten.
Gerne sage er etwas über die Stimmung im Landkreis, meint der stämmige Verkäufer. Nur wolle er seinen Namen nicht in der Zeitung sehen. Als Sohn eines US-Soldaten ist er in Kaiserslautern in der Pfalz zur Schule gegangen und hat deshalb eine gewisse Beziehung zu Deutschland. „Ihr habt ja den Sozialismus bei euch“, aber in Amerika sei das nun mal anders. Noch jedenfalls. Die Spannungen im Land? „Wenn die Linke verliert, gibt es gleich Revolution.“Die geplanten Einreiseschranken für Muslime? „Damit habe ich kein Problem.“ Die Kritik an Trumps Amtsführung? „Reine Hysterie.“
Die Leute in Warrenton können sich noch gut an die Aufbruchstimmung der Linken zu Beginn der Amtszeit von Barack Obama vor acht Jahren und an das Versprechen eines fundamentalen Wandels erinnern. „Wenn Trump heute dasselbe sagt, wird er mit Adolf Hitler verglichen“, schnaubt der Waffenverkäufer. Linksliberale Amerikaner „haben für Leute, die anderer Meinung sind, nichts als Verachtung übrig“.
Draußen auf der Straße spricht auch Kelly Anne Finn von einer unheiligen Allianz aus öffentlichen Schulen, Medien und Politikern, die Amerika manipuliere. Sie hat es bei ihrer eigenen Tochter erlebt. Früher nahm sie das Mädchen an Wahltagen mit in die Kabine und ließ sie an der Wahlmaschine den Hebel betätigen – stets für republikanische