Neu-Ulmer Zeitung

Trump Wähler fühlen sich in die Ecke gedrängt

Sie könnten ihren Triumph genießen. Könnten feiern, dass endlich jemand da ist, der „aufräumt“im Land. Stattdesse­n beklagen Anhänger des neuen Präsidente­n, sie würden von einer „unheiligen linksliber­alen Allianz“schlechtge­macht. Und wie tolerant sind sie

- VON THOMAS SEIBERT

Kelly Anne Finn will endlich ihren Pilotensch­ein für Kleinflugz­euge machen, um ihren Lebensgefä­hrten bei seinem Hobby begleiten zu können, aber sie kommt einfach nicht dazu. Seit dem Wahlsieg von Donald Trump im November gibt es zu viele Tage wie diesen hier. In der Kleinstadt Warrenton, etwa 80 Kilometer südwestlic­h von Washington im Bundesstaa­t Virginia, hat sich ein Häuflein Trump-Gegner zum Demonstrie­ren versammelt. Das lässt Finn keine Ruhe. Also hat sie ihren Hund Jack gepackt und ist zur Demo gegangen – um Trump zu verteidige­n.

„Die Stadt hat einen neuen Sheriff, und sein Name ist Präsident Donald J. Trump“, steht auf einem Schild aus rosa Karton, das sie mitgebrach­t hat. Neben Trumps Namen hat sie ein Herzchen gemalt. Es nützt nicht viel. Der Präsident sei ein Faschist, habe ihr jemand bei der Demo zugerufen, berichtet sie hinterher empört.

Das Schild ist nicht mehr ganz taufrisch, denn es hat so einiges mitgemacht in den letzten Monaten. Schließlic­h gibt es immer wieder Leute, die gegen den neuen Präsidente­n auf die Straße gehen. Finn, 58, ehemalige Rechtsanwä­ltin, Mutter einer Tochter und begeistert­e Sammlerin von Barbiepupp­en, hält dagegen. Auch in Washington war Präsidents­chaftskand­idaten, versteht sich. Jetzt ist das Mädchen volljährig, geht zum Studium nach New York – und was passiert? „Sie hat mir gesagt, dass sie Bernie Sanders wählt“, ruft Finn aus, als könne sie es immer noch nicht fassen, dass ihre eigene Tochter den Linksausle­ger der Demokratis­chen Partei unterstütz­t hat. „Das ist doch Gehirnwäsc­he.“

So weit will Jim nicht gehen, auch wenn er den Groll der Trump-Wähler auf das Establishm­ent sehr gut verstehen kann. Jim ist Verkäufer in einem Weingeschä­ft in Culpeper, einem Städtchen eine halbe Stunde südlich von Warrenton, und redet jeden Tag mit vielen Leuten. „Es gibt keine Verbindung mehr zwischen dem wahren Amerika und den Großstädte­n an den Küsten“, hat er beobachtet. Culpeper würde er natürlich zum „wahren Amerika“zählen. „Die Leute wollen Jobs, aber die Politiker reden darüber, wer welches Klo benutzen darf“, sagt er mit Blick auf die Debatte über Geschlecht­errollen.

An der Straße zwischen Warrenton und Culpeper sitzt Jim Driver in seinem Tante-Emma-Laden und versteht viele seiner Nachbarn und Kunden nicht mehr. Seit 31 Jahren führt der massige Mann das Geschäft an der Landstraße; er wohnt im ersten Stock des einsamen Hauses und schlurft zur Kasse, um den Leuten aus der Umgebung Dosensuppe­n

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Foto: Molly Riley, afp Die Trump Anhänger wollen Amerika noch immer großartig machen. Aber wie soll das gehen – so unversöhnl­ich und teilweise hasserfüll­t, wie sich die beiden großen poli tischen Lager in den USA gegenübers­tehen?

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