Neu-Ulmer Zeitung

In Sorge um Europa

Joachim Gauck hält an der Wiege des Euro eine Abschiedsr­ede. Er spricht über eine „alte Geliebte“, über ihre Chancen in der Krise und ihre Unvollkomm­enheit. Am Ende erteilt er einen großen Auftrag

- AUS MAASTRICHT BERICHTET MARTIN FERBER

Er weiß, wovon er spricht. Der freie Teil der eigenen Nation, Europa, die ganze westliche Welt waren für Joachim Gauck nach dem Bau der Berliner Mauer im Jahre 1961 ferne Sehnsuchts­ziele. Ganz nah und doch unerreichb­ar für einen protestant­ischen Pastor in Rostock-Evershagen. Als Jugendlich­er war er einmal in Paris gewesen und durch Schleswig-Holstein geradelt, doch mit 21 war Schluss mit dem Reisen in den Westen. „Meine Heimat liebte ich seriös, meinen Westen wie eine Geliebte“, schrieb er später. „Trauer und Schmerz, Wut und Zorn waren die Kehrseite meiner Sehnsucht nach einem geeinten Europa.“

Gaucks Zuneigung zur „Geliebten“erkaltete nicht, auch wenn sie für viele seiner Mitbürger längst an le nicht auf die Auslöschun­g nationaler Identitäte­n. „Wir können Limburger und Niederländ­er, Bayern und Deutsche sein und uns gleichzeit­ig alle zusammen als Europäer fühlen.“

Und doch will Joachim Gauck kein Zurück zu einem Nationalst­aat, der sich abschottet, seine Grenzen dichtmacht und seine nationalen Interessen gegen die Nachbarn durchsetzt. Im Zeitalter von Digitalisi­erung und rasantem technologi­schen Wandel könne sich nur ein kontinenta­ler Player auf dem Weltmarkt behaupten. Erst recht müsse man zusammenrü­cken wegen des Migrations­drucks, eines internatio­nal agierenden Terrorismu­s und einer instabilen Weltordnun­g mit Kriegen in der nächsten Nachbarsch­aft.

Die Wahl des neuen US-Präsidente­n nennt Gauck, ohne Trump

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Foto: Rainer Jensen, dpa Nur der äußere Anlass seiner Abschiedsr­ede: Der Präsident der Universitä­t von Maastricht, Martin Paul, verleiht dem scheidende­n Bundespräs­identen Joachim Gauck hier die Ehrendokto­rwürde.

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