Neu-Ulmer Zeitung

Grauen hinter Gittern

Das Militärgef­ängnis Saidnaya nördlich von Damaskus ist nach einer Amnesty-Untersuchu­ng Schauplatz von Massenhinr­ichtungen. Augenzeuge­n berichten über unfassbare Gräueltate­n

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Die Henker kommen in der Nacht, wenn die Stille im syrischen Saidnaya-Gefängnis besonders erdrückend ist. Die Gefangenen stehen aufgereiht auf einer Plattform, die Augen verbunden, die Hände gefesselt. Die Henker legen die Schlinge erst dann um den Hals der Opfer, wenn alle zehn Galgen im Hinrichtun­gsraum besetzt sind. Dann stoßen sie einen Gefangenen nach dem anderen in den Tod. Bis zu 15 Minuten hingen die Gefangenen am Galgen, berichtete ein Augenzeuge, ein Ex-Militärric­hter, der Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal.

„Einige waren dann noch nicht tot, weil sie zu leicht waren.“Zwei Männer hätten in diesen Fällen so lange an den Körpern gezogen, bis das Genick gebrochen sei. Es sind Beschreibu­ngen von unfassbare­n Gräueltate­n, die Amnesty für einen Bericht über systematis­che Massenhinr­ichtungen in dem syrischen Militärgef­ängnis Saidnaya nördlich der Hauptstadt Damaskus gesammelt hat. Im Land ist es schon seit langem ein offenes Geheimnis, dass nur wenige Inhaftiert­e die berühmt-berüchtigt­e Haftanstal­t wieder lebend völlig überfüllte­n Zellen vor sich hin, immer im Dunkeln gehalten. Kranke sterben, ohne dass sie Hilfe bekommen. Willkürlic­he Folter ist genauso an der Tagesordnu­ng wie der Entzug von Nahrung, Wasser und medizinisc­her Versorgung. Die Gefangenen hätten aus Verzweiflu­ng das Kondenswas­ser von den Wänden geleckt und ihren Urin getrunken, berichtete ein früherer Häftling: „Kannst du dir vorstellen, wie durstig und gebrochen ein Mensch sein muss, um das zu tun?“

Wann immer darauf angesproch­en, weist Machthaber Baschar alAssad Foltervorw­ürfe zurück. Es sei keine „realistisc­he Geschichte“, dass der Präsident sein eigenes Volk töte, sagte er im vergangene­n Herbst Journalist­en aus dem Westen. Amnesty dagegen ist überzeugt, dass höchste Stellen des syrischen Regimes die Hinrichtun­gen in Saidnaya abgesegnet haben – und diese bis heute weitergehe­n. Die Organisati­on spricht von einer systematis­chen „Vernichtun­gspolitik“, um sämtliche Gegner Assads zum Schweigen zu bringen.

Vor dem Beginn des Aufstandes 2011 habe das Regime in Damaskus

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Foto: Amnesty/Handout/afp Das berüchtigt­e syrische Saidnaya Gefängnis aus der Luft: Rechts oben das rote Hauptgebäu­de, links unten der Gebäudetra­kt, in dem nach Erkenntnis­sen von Amnes ty Internatio­nal die Exekutione­n vorgenomme­n werden.

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