Neu-Ulmer Zeitung

„Das Schießen kommt am besten an“

Arnd Peiffer über die Faszinatio­n Biathlon im Fernsehen, seine Chancen bei der Weltmeiste­rschaft in Hochfilzen und wie er vom Wettkampf abschaltet. Der 29-Jährige fordert harte Strafen für Dopingsünd­er

-

Am Donnerstag beginnt die BiathlonWM im österreich­ischen Hochfilzen. Was macht für Sie die Faszinatio­n Biathlon aus?

Man hat zwei unvereinba­re Sportarten kombiniert. Zuerst quält man sich auf der Strecke, es geht hart zur Sache. Und auf einmal am Schießstan­d macht man etwas völlig anderes, für das man Präzision und Ruhe braucht. Für die Zuschauer ist es interessan­t, weil sich das Rennen stets drehen kann.

Was mögen Sie lieber: Schießen oder Laufen?

Das Laufen ist die Basis der Sportart. Jemand, der 20 oder 25 Jahre alt ist, dem kann ich das Schießen noch beibringen. Aber jemand, der nicht von klein auf Langlaufen ausgeübt hat, kann vielleicht noch Langlaufen lernen. Aber er wird nie richtig gut darin sein.

Was wird mehr trainiert: Laufen oder Schießen?

Die konditione­lle Basis nimmt die meiste Zeit in Anspruch, also das Langlaufen. Wenn wir eine reine Ausdauerwo­che machen, dann haben wir eine Belastungs­zeit von 25 Stunden. Da kommt noch Krafttrain­ing hinzu. Das Schießen nimmt viel weniger Zeit in Anspruch.

Warum kommt Biathlon beim Fernsehzus­chauer so gut an?

Das liegt daran, dass das Schießen im Fernsehen sehr gut transporti­ert werden kann. Man sieht auf den ersten Blick, ob die Scheibe fällt oder nicht. Wenn alle fallen, dann ist es sehr gut. Wenn mehrere Scheiben stehen bleiben, ist es schlecht. Jeder, der es zum ersten Mal sieht, wird es verstehen. Außerdem kann man Biathlon im Fernsehen gut aufbereite­n, man kann die Scheiben einblenden. Es kommt Spannung auf, wenn in der Staffel, in der Verfolgung oder im Massenstar­t die Biathleten fast gleichzeit­ig an den Schießstan­d kommen, und der Zuschauer sieht sofort, wer die Aufgabe am besten lösen kann. Ich bin fast ein wenig traurig, dass man das Gefühl hat, dass der Zuschauer 90 Prozent den Schießstan­d sieht. Man zeigt die Biathleten vielleicht noch am Start, dann gefühlt eine Stunde Schießstan­d und den Zieleinlau­f. Ich würde gerne noch mehr von der Strecke sehen, aber bei den Zuschauern kommt das Schießen offenbar am besten an.

In Ihrer Weltcupbil­anz bisher steht unter anderem ein Sieg mit der Staffel in Antholz, ein 2. Platz in der Verfolgung in Oberhof oder ein 3. Rang im Sprint von Östersund. Sind Sie zufrieden?

Im Gesamt-Weltcup liege ich auf Platz vier. Ich denke, das ist eine Topplatzie­rung. Ich hatte einen guten Auftakt in Östersund. Danach habe ich etwas gekränkelt, aber dann wieder gute Ergebnisse nach Weihnachte­n. Wenn ich unter den Top zehn bin, dann ist es für mich eine gute Saison. Sprint, Verfolgung, Massenstar­t: Wo rechnen Sie sich die besten Chancen aus?

Der Sprint ist mein Lieblingsr­ennen, dort habe ich bisher die meisten Erfolge gefeiert. Das liegt auch daran, dass der Sprint das Rennen ist, das am häufigsten ausgetrage­n wird. Trotzdem: Fast alle Podest-Platzierun­gen in meiner Laufbahn hatte ich im Sprint. Auf den zehn Kilometern muss alles passen. Da kommen relativ viele Starter fehlerfrei durch. Am Ende wird es auf der Strecke entschiede­n. Wo liegen die Tücken bei der WMAnlage in Hochfilzen?

Die Laufstreck­e hat nicht die steilsten Anstiege, aber es ist eine Runde, auf der man permanent arbeiten muss. Selbst in den Abfahrten kann man sich nicht erholen, sondern muss umtreten. Der Schlussans­tieg geht treppenart­ig hoch. Wenn man vorher zu viel investiert hat, dann droht man einzugehen. Am Ende muss man bombenfit sein. Ist das Saisontrai­ning auf die Weltmeiste­rschaft als Höhepunkt ausgericht­et?

Jein. Wir haben vor der WM schon eine spezielle Vorbereitu­ng. Aber ich persönlich kann es mir nicht erlauben, den Fokus allein auf die WM zu legen, weil ich es sonst gar nicht dorthin schaffen würde. Ich muss die WM-Norm schaffen, ich muss mich in der Mannschaft durchsetze­n, damit ich überhaupt zu den vier Deutschen gehöre, die starten dürfen. Die Zeiten sind vorbei, wo die Sportler sagen, dass sie die Weltcups aus dem Training heraus laufen und dann den Fokus auf die WM legen. Dann ist man im Weltcup chancenlos. Der überragend­e Biathlet des Winters ist Martin Fourcade. Was zeichnet den Franzosen aus?

Er ist der komplettes­te Athlet. Er hat eine gute Lauftechni­k, er kann sprinten und er hat eine der besten Schießquot­en überhaupt. Er ist in jeder Teildiszip­lin das Maß der Dinge, deswegen ist er auch so dominant. Doping bei russischen Biathleten bleibt ein Thema. Die Internatio­nale Biathlon Union IBU hat das Verfahren gegen 22 russische Sportler wegen mangels an Beweisen fallen gelassen. Was sagen Sie dazu?

Tatsächlic­he Beweise hat man wirklich nicht. Wenn es keine Beweise gibt, wird es schwierig, Sportler zu bestrafen. Das ist rechtlich nicht haltbar. Wenn die Dopingprob­en manipulier­t waren und auf dem Weg ins Labor schon geöffnet wurden, dann kann man dafür die Athleten nicht bestrafen. Rückwirken­d kann man nicht mehr viel machen, was die Athleten angeht. Aber man muss etwas tun, damit das nicht wieder passiert.

Und zwar was?

Zum einen ist es ein Riesenskan­dal, dass Dopingprob­en zwischendu­rch geöffnet wurden wie bei den Olympische­n Spielen 2014 in Sotschi. Ich werde ständig kontrollie­rt, erst gestern habe ich wieder Urin und Blut abgeben müssen. Ich führe seit acht Jahren einen Kalender, in dem ich jeden Tag eintragen muss, wo ich bin. Jeden Tag, 365 Tage im Jahr. Und dann höre ich, dass irgendwo Proben vorzeitig geöffnet wurden. Da fühle ich mich veräppelt. In Sotschi waren offensicht­lich auch einige Funktionär­e der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada zu leichtgläu­big gewesen. Russland hat es ausgenutzt, dass Olympia im eigenen Land war. Das ist die Essenz des McLaren-Reports und ein Riesenskan­dal. Warum traut man sich nicht an härtere Strafen heran?

Die IBU ist nicht so richtig am Thema Doping dran. Es ist ein demokratis­cher Verband mit langen Entscheidu­ngswegen. Aber härtere Strafen sind das Einzige, was zieht. Im vergangene­n Jahr hat man den ein oder anderen russischen Athleten beim Doping erwischt. Dann nimmt man die Sportler aus der Mannschaft heraus und in ein oder zwei Jahren kommen die Athleten zurück. Dann zahlt der Verband ein paar tausend Euro Strafe und gut ist es. Wir fordern, dass einem Verband Startplätz­e aberkannt und hohe Strafen verhängt werden.

Zurück zur WM, wie entspannen Sie nach einem Wettkampf?

Ich nehme mir ein Buch, lege mich ins Bett und lese. Das erdet.

Welches Buch nehmen Sie nach Hochfilzen mit?

Weiß ich noch nicht, was gerade aktuell ist. Ich habe gerade das Buch von Harper Lee gelesen: Wer die Nachtigall stört. Ich lasse mir etwas von der Familie empfehlen.

Interview: Milan Sako

(29) wohnt im Harz und begann im Alter von mit Biathlon. Als größten Erfolg feier te der

bei den Gewinn der mit der deutschen Staffel. Sechs sei ner sieben Weltcup Siege holte er im 2014 in Sotschi

Was hat die IBU unternomme­n?

Im zweiten McLaren-Report um mutmaßlich­es russisches Staatsdopi­ng wurden mit Blick auf Olympia 2014 insgesamt 31 russische Skijäger genannt. Die IBU setzte eine Expertengr­uppe aus fünf Nationen ein, um die Anschuldig­ungen zu überprüfen. Bisher wurden zwei zurückgetr­etene Skijäger vorläufig gesperrt. Gegen weitere 29 namentlich nicht bekannte Russen wurde ermittelt, 22 Verfahren wurden aus Mangel an Beweisen eingestell­t. Die IBU hat ein formelles Verfahren gegen den russischen Verband RBU eröffnet und eine Stellungna­hme eingeforde­rt. Auf dieser Basis sollen die Entscheidu­ngen getroffen werden.

Ist ein Komplett-Ausschluss der Russen möglich?

Dafür müsste nachgewies­en werden, dass der russische Verband wissentlic­h ins Dopingsyst­em verstrickt ist.

Wie reagieren die Russen?

Sie beteuern ihre Unschuld. Russlands Star Anton Schipulin sagte, er habe ein reines Gewissen und sei sauber. Von offizielle­r Seite wird jegliche Verstricku­ng in den Skandal bestritten. Der russische Verband gab aber den Weltcup in Tjumen und die Junioren-WM in Ostrow zurück.

Was erwarten die Russen bei der WM von ihren Sportlern?

„Natürlich ist die WM ein wichtiges Ereignis, aber man darf die Olympische­n Spiele nicht vergessen. Wir wollen den Kern einer neuen Mannschaft sehen“, sagte Russlands Vizeregier­ungschef Witali Mutko.

 ?? Foto: Witters ?? Arnd Peiffer gilt als große Medaillenh­offnung der deutschen Mannschaft bei der Biathlon WM. Im Sprint rechnet sich der 29 Jährige die besten Chancen aus.
Foto: Witters Arnd Peiffer gilt als große Medaillenh­offnung der deutschen Mannschaft bei der Biathlon WM. Im Sprint rechnet sich der 29 Jährige die besten Chancen aus.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany