Von Senden nach Syrien in den Krieg?
Ein 26-jähriger Mann muss sich derzeit vor dem Landgericht in München verantworten, weil er sich angeblich dem Islamischen Staat anschließen wollte
In Neu-Ulm wurde er geboren, in der Ulmer Fußgängerzone verteilte er unter dem Motto „LIES!“regelmäßig den Koran – und in Syrien wollte er für die Terrormiliz Islamischer Staat in den Krieg ziehen. Das wird einem 26-jährigen Mann aus Senden vorgeworfen, der sich derzeit vor dem Landgericht in München wegen der mutmaßlichen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und weiterer Straftaten verantworten muss.
Eigentlich hätte der Richter heute sein Urteil über den strenggläubigen Muslim fällen sollen, doch noch fehlt die Aussage der wohl wichtigsten Zeugin: der Ex-Freundin des Deutschtürken. Sie hatte den ganzen Prozess erst ins Rollen gebracht, als sie im November 2015 offenbar aus eigenem Antrieb bei der Kriminalpolizei in Neu-Ulm vorstellig wurde und vom Vater ihrer jüngsten Tochter berichtete, der sich ihrer Ansicht nach in den Monaten zuvor radikalisiert habe, stark mit dem IS sympathisiere und eine Ausreise nach Syrien plane, um sich dort als Dschihad-Kämpfer ausbilden zu lassen.
Am gestrigen Verhandlungstag erschien die Ex-Freundin nicht vor Gericht. Sie habe keine Vorladung erhalten, erklärte sie Richter Nor- bert Riedmann am Telefon. Dieser bat sie daraufhin, am heutigen Mittwoch zu erscheinen und als Zeugin auszusagen. Ob sie das freiwillig tut, ist mindestens fraglich. Schon bei einem vorangegangenen Prozess, in dem es um ihren Ex-Freund ging, war sie dem Gericht ferngeblieben. Im aktuellen Fall wird sie um eine Aussage aber wohl nicht herumkommen. Zu schwer wiegen die Vorwürfe, denen sich der 26-Jährige, der einst in Ulm auch Mitglied der rockerähnlichen Gruppierung „Black Jackets“gewesen sein soll, erwehren muss.
Die Anklage beruht zum einen auf den umfangreichen Aussagen der ehemaligen Freundin bei der Neu-Ulmer Kripo, zum anderen aber auch auf äußerst verdächtigen Handlungen des 26-Jährigen. So hatte dieser im Oktober 2015 versucht, über die Türkei nach Syrien zu reisen, scheiterte aber schon am Flughafen in Istanbul. Die türkischen Behörden hinderten Hüsrev Y. an der Einreise und schickten ihn zurück nach Deutschland. Dort entzog ihm wenige Wochen später die Stadt Senden den Reisepass – die Ex-Freundin hatte die Behörden in der Zwischenzeit über die radikalen Pläne des Mannes informiert.
Von denen nahm der 26-Jährige deswegen aber noch lange nicht Abstand. Im Gegenteil: Für 2000 Euro besorgte er sich im April bei einem Mann in Nordrhein-Westfalen gefälschte Papiere, die ihn fortan als bulgarischen Staatsbürger namens Dawitt Albert Iliev auswiesen. Benutzen konnte er seinen neuen bulgarischen Reisepass jedoch nicht mehr. Wenige Tage später durchsuchte die Polizei die Wohnung der Schwester des Angeklagten in NeuUlm und fand die Dokumente dort in einem Wäschekorb. Gestern sagte ein Sachverständiger der Polizei aus, dass es sich dabei um sogenannte Totalfälschungen handelte, die „von so minderwertiger Qualität“gewesen seien, dass der Sendener dafür besser keine 2000 Euro bezahlt hätte.
Die Polizei nahm Hüsrev Y. daraufhin im April fest und steckte ihn in Untersuchungshaft, wo er seither sitzt und von wo aus er in Handschellen zu seinem Prozess am Landgericht in der Münchner Innenstadt gebracht wird. Am ersten Verhandlungstag gab er sich dort noch reichlich renitent. Während sich Prozessbeteiligte und Zuhörer für gewöhnlich erheben, wenn der Richter den Saal betritt, verweigerte sich der 26-Jährige. Das sei ein „Götzendienst“, erklärte er, als ihn der Richter ermahnte.
Wenig später ließ er solche Sätze folgen „Ich glaube an den Dschihad. Wir Muslime sind stolz auf den Dschihad“. Auf die ihm gemachten Vorwürfe erwiderte er, dass er in die Türkei reisen wollte, um seine dort lebende Ehefrau besuchen zu wollen, die er kurz vorher geheiratet habe.
Am gestrigen zweiten Verhandlungstag hielt sich Hüsrev Y. mit markigen Äußerungen und Verhaltensweisen zurück – und erhob sich sogar, als Richter Riedmann den Saal betrat. Ansonsten lauschte der vollbärtige Mann vor allem den Aussagen der Zeugen. Darunter die Mutter seiner Ex-Freundin, die ihn schwer belastete, sich dabei aber fast ausschließlich auf Gespräche mit ihrer Tochter berief und sich zudem in diverse Widersprüche verstrickte.
Auch der Vater von Hüsrev Y. sagte aus und ergriff Partei für seinen Sohn. Dieser sei zwar sehr gläubig und übe seine Religion streng nach dem Koran aus, er habe bei ihm jedoch nie ein aggressives oder abnormales Verhalten festgestellt. Seiner Ansicht nach werde der 26-Jährige wegen seines Glaubens „nichts Schlimmes“machen und mit dem islamischen Staat, „einer islamfeindlichen Bewegung“, habe er nichts zu tun.
Läuft alles nach Plan und die ExFreundin von Hüsrev Y. erscheint tatsächlich vor dem Richter, könnte der Prozess heute sein Ende finden. Der Strafrahmen für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat reicht von sechs Monaten bis zehn Jahren Gefängnis.
Eine 84-jährige Rentnerin hat sich am Montag bei einem Sturz in einem Linienbus verletzt. Die Frau stieg um kurz vor 14.30 Uhr am Bahnhof Neu-Ulm in den Bus in Richtung Ludwigsfeld ein. Beim Anfahren des Busses stürzte die Frau nach Polizeiangaben auf den Boden, Fahrgäste halfen ihr beim Aufstehen. In der Memminger Straße stieg die Seniorin aus und bemerkt erst beim anschließenden Einkaufen, dass sie sich beim Sturz verletzt hatte. Die Frau musste mit einem Rettungswagen zur ambulanten Behandlung in eine Klinik verbracht werden. Die Polizei NeuUlm nahm wegen des Verdachts einer fahrlässigen Körperverletzung die Ermittlungen auf. (az)