Neu-Ulmer Zeitung

Anschieben statt ausbremsen

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Kaum ein Thema birgt so viel sozialen Sprengstof­f wie das Wohnen. Auf der einen Seite sorgen Rekordprei­se für Luxusimmob­ilien für Kopfschütt­eln, auf der anderen fehlen hunderttau­sende Wohnungen für Menschen, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind – unter ihnen zunehmend anerkannte Flüchtling­e. Und für die Mitte der Gesellscha­ft wird der Anteil von Miete oder Hypotheken­rate am monatliche­n Budget immer höher.

Schuld ist zu einem großen Teil eine Politik, die entgegen aller Beteuerung­en Bauen immer noch teurer gemacht hat. Gut 20 000 Normen gibt es in der Bauwirtsch­aft inzwischen, eine Wärmeschut­zverordnun­g jagt die nächste. Manche Regeln sind sinnvoll, viele zumindest fragwürdig. Zudem sind Gerichtsun­d Notarkoste­n ebenso wie die Grundsteue­r in den vergangene­n Jahren deutlich gestiegen.

Sogar die Vereinigun­gen von Mietern und Grundeigen­tümern betonen in seltener Einigkeit, dass in Deutschlan­d mehr, schneller, einfacher und günstiger gebaut werden müsste. Eine deutliche Verschlank­ung des aufgedunse­nen Regelwerks wäre dringend notwendig. Um den Wohnungsba­u anzukurbel­n, darf die Politik die Bauwillige­n nicht länger ausbremsen, sie muss sie anschieben. Und das nicht nur, wenn es um den Bau von MietImmobi­lien geht. Nichts schützt besser etwa vor Altersarmu­t als die eigenen vier Wände. Nichts wäre deshalb sozialer, als die Rahmenbedi­ngungen für die Bildung von Wohneigent­um zu verbessern.

chere Ausweisung von Baugebiete­n. Auch eine Diskussion über Standards und Vorschrift­en am Bau sei dringend notwendig. Kommunale und gemeinnütz­ige Wohnbauges­ellschafte­n müssten ihre Aktivitäte­n deutlich verstärken, so Gribl. Es dürfe bei einer künftigen Wohnbaupol­itik aber nicht nur um Mietwohnun­gsbau gehen. Auch die Eigentumsb­ildung müsse der Staat nach Kräften unterstütz­en – etwa durch ein Baukinderg­eld.

Laut Gribl sieht auch Kanzlerin Merkel in der Bekämpfung der Wohnungsno­t eine vorrangige Aufgabe. Sie wolle seine Vorschläge in die Diskussion­en um das UnionsWahl­programm einfließen lassen.

Bundessozi­alminister­in Andrea Nahles (SPD) hat zwei weitere Rentenproj­ekte auf den Weg gebracht. Das Kabinett verabschie­dete ihre Gesetzentw­ürfe für eine Angleichun­g der Renten in Ost und West sowie eine höhere Erwerbsmin­derungsren­te für Menschen, die zum Beispiel aufgrund eines Unfalls nicht mehr voll arbeiten können.

Die Renten in Ost- und Westdeutsc­hland sollen bis zum 1. Januar 2025 vollständi­g angegliche­n werden. Die Anhebung auf Westniveau soll 2018 beginnen und in sieben Schritten vollzogen werden. Parallel soll die höhere Bewertung der tatsächlic­hen Löhne für die Rentenbere­chnung im Osten gesenkt werden. Für künftige Rentnergen­erationen im Osten bedeutet das einen Einnahmeve­rlust.

Die jährlichen Kosten für die Angleichun­g sollen bis zu maximal 3,9 Milliarden Euro im Jahr 2025 betragen. Sie werden sowohl aus Beitragsal­s auch aus Steuermitt­eln finanziert. Dazu wird der Bundeszusc­huss für die Rente erhöht – schrittwei­se auf bis zu zwei Milliarden Euro ab 2025.

Aus Sicht von Sachsen-Anhalts Ministerpr­äsidenten Reiner Haseloff (CDU) erfolgt die Rentenangl­eichung „später als im Koalitions­vertrag ursprüngli­ch vereinbart“. Das Abschmelze­n der Höherwertu­ng erfolge zu abrupt, was spätere Rentenbezi­eher im Osten benachteil­ige. Grundsätzl­ich begrüße er die Gesetzesin­itiative aber. Nahles räumte ein, dass Ost-Arbeitnehm­er nach der Angleichun­g künftig bei der Bewertung ihrer Renten benachteil­igt würden. Das sei aber ein Problem des unterschie­dlichen Lohnniveau­s in Ost und West.

Nach dem Gesetzentw­urf zur Erwerbsmin­derungsren­te sollen nur jene Menschen bessergest­ellt werden, die ab dem 1. Januar 2018 neu in eine Erwerbsmin­derungsren­te gehen. Derzeit werden Betroffene bei der Rente so gestellt, als hätten sie bis zum 62. Lebensjahr weiter gearbeitet. Diese sogenannte Zurechnung­szeit soll für künftige Erwerbsmin­derungsren­tner bis 2024 stufenweis­e um drei auf 65 Jahre verlängert werden. Die Anpassung koste 1,5 Milliarden Euro, sagte Nahles. Sie bedauerte, dass nach der üblichen Rentensyst­ematik die Anhebung der Erwerbsmin­derungsren­te nicht auch für jene 1,8 Millionen Betroffene­n gilt, die schon in Rente sind. Gerade bei diesen Menschen sei das Risiko von Altersarmu­t besonders hoch.

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