Neu-Ulmer Zeitung

Terror Opfer heiratet Retter

Roseann Sdoia wurde beim Anschlag auf den Boston-Marathon schwer verletzt. Dass sie nicht starb, verdankt sie einem Feuerwehrm­ann. Er ist die Liebe ihres Lebens

- VON THOMAS SEIBERT

Als sie ihren künftigen Ehemann zum ersten Mal sah, lag Roseann Sdoia mit zerfetztem rechten Unterschen­kel in ihrem Blut. Die heute 48-jährige Hobby-Joggerin hatte im April 2013 mit einer Bekannten den Zieleinlau­f des BostonMara­thons besucht. „Nächstes Jahr laufen wir auch mit“, sagte Sdoia noch zu ihrer Freundin. Dann hörte sie einen Knall.

Böllerschü­sse beim Marathon seien ja etwas ganz Neues, dachte sie in diesem Moment. Jemand rief, sie solle in Deckung gehen, also lief sie los – genau in die zweite Bombe hinein.

Die aus Tschetsche­nien stammenden Brüder Tamerlan und Dzhokhar Tsarnaev hatten am Ziel des Marathons im Abstand von wenigen Sekunden zwei Sprengsätz­e gezündet, die drei Menschen töteten. Sdoia gehörte zu den mehr als 260 Verletzten des Anschlags.

Als sie auf dem Pflaster lag und Opfer, Helfer und Polizisten allesamt am Krankenbet­t fort und begleitete die Schwerverl­etzte durch mehrere Anschlusso­perationen. Unter anderem wurde ihr ein Bombenspli­tter aus dem Bauchraum entfernt. Er war immer bei ihr in dieser oft schweren Zeit der Umgewöhnun­g an ihr neues Leben ohne rechtes Bein. Nachdem Sdoia entlassen worden war, trafen sich die beiden regelmäßig mit einem Studenten und einer Polizistin, die Sdoia an jenem schwarzen Tag ebenfalls geholfen hatten.

Doch für das Anschlagso­pfer und ihren Feuerwehrm­ann ging es bald um mehr als nur um Freundscha­ft und die gemeinsame Erinnerung an ein schrecklic­hes Ereignis. Im Juni 2013, zwei Monate nach dem Anschlag, hatten sie ihre erste Verabredun­g, bei der es nicht nur um Prothesen und das Treppenste­igen ohne Unterschen­kel ging.

Sdoia sagt heute, sie habe an Materias „unglaublic­hem Lächeln“gesehen, wie viel sie ihm bedeute. Ein paar Wochen vor dem Jahreswech­sel machte Materia seiner Freundin Der Sänger/die Sängerin kommt auf die Bühne, und das Erste, das er/sie ruft, ist: „Hallo Paris!“Oder London, Madrid, New York oder irgendein anderer Ort, an dem er/sie eben auftritt. Eine Standard-Floskel. Wie: „Seid ihr gut drauf?“Wie: „Ich will eure Hände sehen!“Wie: „Ihr seid das beste Publikum, das ich je hatte!“Wie: „Lauter!“

Dumm nur, wenn man nicht genau weiß, wo man auftritt. Wie McBob. Der gehört zum TourneeTea­m der US-Hard-Rock-Band Guns ’N Roses. Weil sich die Band am Dienstagab­end verspätet hatte, ging McBob auf die Bühne und rief: „Sydney, Ihr wolltet das Beste, aber sie stecken im Verkehr fest.“Das Publikum buhte. Denn McBob war in Melbourne. Und dort versteht man keinen Spaß, schließlic­h verstehen sich die beiden größten australisc­hen Städte Sydney und Melbourne als Rivalen. Die Band entschuldi­gte sich am Mittwoch bei ihren Fans via Twitter. Bassist Duff McKagan bat sie: „Seid nicht zu hart zu McBob.“Ein Hardrocker, ganz sanft. (wida)

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Foto: dpa Netter Kerl, der Guns ’N Roses Bassist Duff McKagan.

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