Neu-Ulmer Zeitung

Der Dirigent muss bereit sein, zu sterben

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Wer als junger Mensch den Drang zur Musik in sich spürt, gerne dirigiert und malträtier­t, sowie in der Kunst nach dem Allerhöchs­ten strebt, wird irgendwann von den Berliner Philharmon­ikern träumen. Ein einziges Mal als Kirill Petrenko die feinsten Solisten unter dem Taktstock haben, sie vorwärtstr­eiben, den Ball halten, sie verstummen und aufleben lassen.

Mögen Wiener und Londoner Orchester in der ein oder anderen Disziplin vorne liegen, nirgendwo klingt es so lässig und frei wie in Berlin. Vergleichb­ar bestenfall­s noch mit jenem Ensemble, das der Spanier Luis Enrique in Barcelona dirigiert. Betörende Einzelkönn­er, deren Zusammensp­iel Steine erweichen lässt. Wenn Messi, Suárez und Neymar den Ball durch die Arenen der Welt streicheln und die Reihen finsterer Abwehrreck­en teilen wie Moses das Meer, denkt der Laie: Wozu überhaupt einen Dirigenten? Die können das auch alleine. Da geht es Enrique dann wie Petrenko. Wenn es läuft, hält sie das Publikum für überflüssi­g.

Wehe aber das Ensemble verspielt! So, wie der FC Barcelona Dienstagna­cht in Paris. Null vier! Dann liegt alle Schuld beim Dirigenten. In solchen Momenten wäre es schöner, einen Leierkaste­n zu dirigieren, den ein paar Amateurkic­ker in Schwung halten. Aber jetzt ist es zu spät. Spanische Medien verstehen in Fußballfra­gen keinen Spaß. Niederlage­n ihrer Ensembles nehmen sie persönlich.

In solchen Nächten steht das Land vor der Apokalypse. Es geht um Schuld und Sühne. Marca fordert nichts weniger als den Kopf

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