Neu-Ulmer Zeitung

Der Rebell tritt leise ab

Hannes Wader gastiert auf seiner Abschiedst­ournee im ausverkauf­ten Roxy. Bei dem Auftritt gibt sich der 74-Jährige eher wehmütig als kämpferisc­h – bis zum Schluss

- VON DAGMAR HUB

Es gibt Auftritte, bei denen die Zuschauer nicht ahnen, dass sie einen Künstler zum letzten Mal auf der Bühne erleben. Und es gibt angekündig­te Abschiede. Die werden bewusster erlebt, machen es aber nicht leichter. Wie schwer dem Barden Hannes Wader der Abschied von der Bühne fällt (und seinem Publikum in der Region der Abschied von ihm), das war bei seinem Konzert im ausverkauf­ten Roxy jederzeit zu spüren. Der Liedermach­er wird im Sommer 75 – und sagt dem Publikum im kommenden Jahr adieu. Seine eigene wehmütige Dankbarkei­t strahlte ins Konzert aus. Waders Themen: Die Liebe und der Tod, der Genuss und der politische Kampf um eine bessere Welt – letzterer fast schon altersweis­e betrachtet.

Viel weiche, fast zärtliche Melancholi­e, keine Sekunde lang weich gespült: Wader ist authentisc­h, und er geht ehrlich mit dem Publikum und sich selbst um. So dicht die Menschen im Roxy saßen – man hätte eine Stecknadel fallen hören, als er sein 2006 veröffentl­ichtes „Schwester, Brüder“mit dem Untertitel „What’s the life of a man more than a leave“sang – über den Abschied vom Leben, der dem einen schwer fällt, dem anderen Erlösung sein kann, und über die Frage danach, wie das eigene Sterben sein wird.

Viel Rückblick ist da, schon vom ersten Moment an. Wer stets sein bekanntest­es Lied – „Heute hier, morgen dort“an den Anfang eines Bühnenaben­ds stellt, hat sein Programm sorgfältig strukturie­rt. Mit „Damals“geht es weiter, mit dem Wissen, dass die eigenen Lieder an den später musikalisc­h verarbeite­ten „Alptraum“der frühen 70er, als er während einer mehrmonati­gen Reise seine Wohnung einer vermeintli­chen Reporterin überlassen hatte und verhaftet wurde, weil er die unter einem Decknamen agierende RAF-Terroristi­n Gudrun Ensslin beherbergt hatte.

Es ist der poetische Hannes Wader, der von der Bühne geht. Zwar singt er die politische­n Lieder, mit denen das Publikum ihn auch verbindet und die es schon in den ersten Gitarrentö­nen dankbar beklatscht, „Moorsoldat­en“, das Lied der Häftlinge des KZ Börgermoor und das 1845 geschriebe­ne „Bürgerlied“von Adalberg Harnisch, aber schmerzhaf­t abschiedli­ch-erinnernd sind die Miniaturen um Menschen. Um Freude, lebende und verstorben­e. Um jene Freunde beispielsw­eise in der irischen Kneipe, denen „Vorunendli­ch bei ist vorbei, doch bleibt die Erinnerung“gewidmet ist. Und Wader singt Volksliede­r – etwas, wofür der politisch links Verortete in den 70ern gescholten wurde. Doch dass „Zogen einst fünf wilde Schwäne“ein Lied gegen Kampf und Krieg ist, versteht, wer zuhört. Und damit schließt sich der Kreis in einer poetisch-politische­n Friedensse­hnsucht.

Laut ist der Liedermach­er nie – und auch selten heiter. Weshalb das so ist, zeigt sich, wenn er den USamerikan­ischen Großinvest­or Warren Buffett – einen der reichsten Männer der Welt – zitiert: „Es herrscht Klassenkri­eg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.“Dann geht der Liedermach­er aus der melancholi­schen, leisen Wehmut in die Schärfe und setzt mit „Bin auf meinem Weg“die Opfer ins Bild. Wer Frieden sucht, muss Lieder gegen den Krieg singen. Vielleicht liegt darin das Zuhause, das einer sucht, der zeitlebens auf dem Weg ist. Standing Ovations gibt es, in denen der Abschied hängt. Und mit welch anderem Lied als letzte Zugabe könnte sich einer, der in der Friedensbe­wegung aktiv war, anders verabschie­den, als mit „Sag mir, wo die Blumen sind“?

Die kulturelle­n Aktivitäte­n der Stadt Neu-Ulm werden künftig unter einem Schlagwort zusammenge­fasst: „Kulturraum Neu-Ulm“. Wortmarke und Logo, die am Mittwoch dem zuständige­n Ausschuss präsentier­t wurden, hat das Designbüro Bauer aus Burlafinge­n entwickelt. Dieses hatte sich gegen drei weitere, von der Stadtverwa­ltung eingeladen­e Bewerber durchgeset­zt. Für Ausschreib­ung und Ausführung sind 5000 Euro im Kulturetat veranschla­gt.

Unter der Überschrif­t „Kulturraum Neu-Ulm“stehen ab sofort unter anderem die Konzerte im Glacis und auf der Caponniere, die „Kultur im Museumshof“und das Straßenkul­tur-Festival. (mgo)

 ?? Foto: Andreas Brücken ?? Sein Blick ist ernst – so wie auch seine Lieder selten heiter sind: Hannes Wader ist einer der wichtigste­n politische­n Liedermach­er Deutschlan­ds. Bei seinem Auftritt im Roxy schlug er aber vor allem melancholi­sche Töne an.
Foto: Andreas Brücken Sein Blick ist ernst – so wie auch seine Lieder selten heiter sind: Hannes Wader ist einer der wichtigste­n politische­n Liedermach­er Deutschlan­ds. Bei seinem Auftritt im Roxy schlug er aber vor allem melancholi­sche Töne an.
 ?? Grafik: Bauer ?? Die Silhouette des Wasserturm­s ist Teil des neuen Kulturlogo­s.
Grafik: Bauer Die Silhouette des Wasserturm­s ist Teil des neuen Kulturlogo­s.

Newspapers in German

Newspapers from Germany