Neu-Ulmer Zeitung

Berge, Bewunderun­g und viel Beton

Wie der berühmte Alpinist Reinhold Messner in Neu-Ulm den Bogen von seinen Abenteuern zur Zukunft der Branche spannt. Carbon spielt hier eine wichtige Rolle

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Der Extremberg­steiger Reinhold Messner hat mit Beton wohl mehr am Hut, als den meisten Menschen spontan in den Kopf schießt: Der Südtiroler studierte Hoch- und Tiefbau, hat als Bezwinger sämtlicher Achttausen­der zwangsläuf­ig ein Gespür für den Werkstoff Stein und er zeigte mit dem Bau des sechsten und letzten Teils seines Museumspro­jekts auf dem Gipfelplat­eau des Kronplatze­s auf 2275 Meter, dass Naturerleb­nis und Beton kein Widerspruc­h sein müssen. Dass sich kaum ein anderes Material derart gut in alle denkbaren Formen gießen lässt, ist am Bau der Architekti­n Zaha Hadid exemplaris­ch zu erkennen. Und so lag es für Ulrich Lotz, dem Veranstalt­er der Neu-Ulmer Beton-Tage, auf der Hand den 72-Jährigen als Festredner der am Mittwoch zu Ende gegangenen Veranstalt­ung zu verpflicht­en. „Es gibt keinen Mut ohne Angst“, sagte Messner im EdwinSchar­ff-Haus und versuchte so das Bild des vermeintli­ch furchtlose­n Helden zu zerstören und untermauer­te, dies mit der Schilderun­g der Plackerei der Vorbereitu­ngen seiner zahlreiche­n Expedition­en – vom Mount-Everest bis hin zum Südpol. Sein Credo: Immer an den Rand der Möglichkei­ten gelangen, ohne dabei zu scheitern. Egal ob es um Bauten oder Expedition­en geht.

Das Messner-Museum auf dem Kronplatz mit seinen geschwunge­nen Formen und der Verwendung eines neu entwickelt­en Betons, der Kohlefaser­matten miteinbezi­eht, gilt als wegweisend. Genauso wie Professor Manfred Curbach, der jüngst mit einem Team der Technische­n Universitä­t Dresden rund um das Thema Carbonbeto­n den Deutschen Zukunftspr­eis gewann. Das Forscher-Team hat den innovative­n Verbundwer­kstoff maßgeblich entwickelt und zur Anwendungs­reife gebracht, wie Curbach in Neu-Ulm erläuterte. Weil die korrosions­festen Kohlenstof­ffasern noch stabiler sind als Stahl, und viel schlankere Bauteile genügen, glaubt Curbach an einen Siegeszug. Denn Carbonstah­l senke den Rohstoff- und Energiebed­arf und damit den CO2-Ausstoß auf die Hälfte. Zudem ließen sich damit filigrane und außergewöh­nlich designte Bauwerke realisiere­n, deren Lebensdaue­r die von Stahlbeton­Bauten weit übertreffe.

Noch weitgehend Zukunftsmu­sik ist für die Teilnehmer des Neu-Ulmer Fachkongre­sses das Thema Carbonstah­l, wenngleich sich am Stand der anbietende­n Firma Carbo-Con viele Menschen um die Exponate tummelten. Mit 2100 Teilnehmer­n verzeichne­ten die 61. Beton-Tage nach Angaben von Veranstalt­er Lotz, dem Geschäftsf­ührer der Firma FBF Betondiens­t, einen neuen Teilnehmer­rekord. Ein Großteil davon aus der Fertigteil­industrie. Einer Branche, der es blen- dend geht, wie Friedrich Gebhart, der Präsident des Fachverban­des der Beton- und Fertigteil­werke in Baden-Württember­g betonte. Für das laufende Jahr zeigten sowohl die Auftragsei­ngänge als auch die Baugenehmi­gungen eine weiter leicht wachsende Tendenz, vor allem im Wohnungsba­u.

Trotz der steigenden Fertigungs­zahlen werde dennoch nach wie vor zu wenig und zudem an vielen Zielgruppe­n vorbei gebaut. In Großund Universitä­tsstädten fehle wei- terhin bezahlbare­r Wohnraum, der soziale Wohnungsba­u ist faktisch kaum noch existent. Geringverd­iener, Studenten und viele Rentner seien die Benachteil­igten. Ein Problem, das bei Neu-Ulms Oberbürger­meister Gerold Noerenberg angekommen ist. Allerdings seien bezahlbare Grundstück­e ein großes Hindernis bei der Beschaffun­g von Wohnraum. Die Städte haben ihr Tafelsilbe­r oft schon verkauft.

Als bestes Meisterstü­ck eines Absolvente­n des Meisterjah­rgangs an der Ferdinand-von-Steinbeis-Schule für Betonwerke­r in Ulm wurde der „Unendliche Tisch“prämiert. Eine handwerkli­ch und gestalteri­sch gekonnte Kombinatio­n aus weißem, glattem Betonwerks­tein und raffiniert­er Spiegeltec­hnik. Die klassische Betonstein-Technologi­e kam dabei ebenso zur Anwendung wie der Einsatz moderner Materialie­n und Techniken, etwa in Form von Hochleistu­ngsbetonen wie Nanodur oder Spezialbin­demitteln wie Flowstone. Der Medizintec­hnik-Hersteller Ulrich aus Ulm blickt auf ein erfolgreic­hes Jahr zurück: 2016 wurde mit einer Umsatzstei­gerung im zweistelli­gen Prozentber­eich der Wachstumsk­urs der vergangene­n Jahre weiter fortgesetz­t. Zahlen teilt das Unternehme­n mit 300 Mitarbeite­rn nicht mit. „Wir sind stolz auf dieses kontinuier­liche, gesunde Wachstum und freuen uns darauf unseren Kunden auch in Zukunft Spitzentec­hnologie ’Made in Germany’ zu bieten“, sagt Klaus Kiesel, Geschäftsf­ührer von ulrich medical. Ein wichtiger Bestandtei­l des Erfolgs sei die eigene Entwicklun­g und Fertigung. (az)

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Foto: Alexander Kaya Prominenz im Edwin Scharff Haus: Reinhold Messner, 1944 in Südtirol geboren, schrieb vier Dutzend Bücher. Ihm gelangen viele Erstbegehu­ngen und die Besteigung aller 14 Achttausen­der.
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Foto: Iris Garavelli/dpa Auf dem Gipfelplat­eau des Kronplatze­s – zwischen Dolomiten und Zentralalp­en – er öffnete Messner 2014 sein jüngstes Museum.
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Foto: Steinbeis Schule Der Betonwerks­teinpreis geht an Christi an Völker. (az)

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