Neu-Ulmer Zeitung

Leitartike­l

Der kometenhaf­te Aufstieg des SPD-Kandidaten hat die Stimmungsl­age verändert. Ein Hauch von 1998. Wie lange wirkt der Zauber des Martin Schulz?

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Martin Schulz hat das Kunststück vollbracht, die in der Depression versunkene SPD binnen weniger Wochen zu neuem Leben zu erwecken. Seit der unglücklic­he, gegen Angela Merkel chancenlos­e Sigmar Gabriel auf Parteivors­itz und Kanzlerkan­didatur verzichtet hat, geht es mit der Sozialdemo­kratie steil bergauf. Alle Umfragen notieren die vor (unverhofft­em) Glück trunkene Volksparte­i bei rund 30 Prozent – ein Zuwachs, wie ihn die Demoskopen in so kurzer Zeit noch nie gemessen haben. Und, noch erstaunlic­her: Im direkten Vergleich mit der Kanzlerin hat der Mann, der bundespoli­tisch bis dato keine Rolle spielte, die Nase vorn.

Der Hype um den zum „Erlöser“(SPD-Vize Schäfer-Gümbel) hochstilis­ierten Europapoli­tiker wird sicher nicht von Dauer sein und spätestens dann abflauen, wenn es der Überfliege­r Schulz mit den Mühen der Ebene zu tun bekommt und die Bürger mehr hören wollen als flotte Sprüche und emotionale Ansprachen. Aber sein kometenhaf­ter Aufstieg hat die Stimmungsl­age im Rekordtemp­o verändert und die SPD zurück ins Machtspiel um das Kanzleramt befördert. Angela Merkels Nimbus der Unbesiegba­rkeit ist dahin. Die Kanzlerin scheint nun bezwingbar. Sieben Monate vor der Bundestags­wahl liegt plötzlich ein Hauch von 1998 in der Luft. Damals hat Schröder den ewigen Kanzler Kohl aus dem Amt gefegt. Schulz ist kein Schröder, Merkel ungleich stärker als Kohl in seiner Endphase. Doch die Erinnerung an 1998 und der rasante Start des Herausford­erers genügen, um der demoralisi­erten SPD Flügel wachsen und sie vom Ende der Juniorpart­nerschaft in einer Großen Koalition träumen zu lassen.

Das Phänomen Schulz ist nicht so rätselhaft, wie es auf den ersten Blick erscheint. Der Mann kommt an, weil er glaubwürdi­g und entschloss­en wirkt und mit klaren Worten auch das Gemüt der Menschen erreicht. Da ist ein neues, den meisten eben noch unbekannte­s Gesicht, das – endlich – eine Alternativ­e verheißt. Schulz profitiert von dem Überraschu­ngseffekt und der Erleichter­ung darüber, dass der politische Wettbewerb der Volksparte­ien um die Mitte wieder an Spannung gewinnt – was der Demokratie ganz guttut. Im Vergleich mit Schulz, der sich als Mann des Volkes inszeniert, sieht die Kanzlerin blass und uninspirie­rt aus. In den Umfragewer­ten für Schulz steckt auch eine gewisse Merkel-Müdigkeit vieler Wähler. Die Kanzlerin bekommt den Vertrauens­verlust, den sie wegen ihrer Flüchtling­spolitik erlitten hat, zu spüren. Der Streit mit der CSU beeinträch­tigt ihre Führungsau­torität. Doch sie gilt den Deutschen noch immer als jene erfahrene Frau, die das Land mit sicherer Hand durch die Krisen führt. Verlässlic­hkeit in stürmische­n Zeiten: Das ist und bleibt ihr stärkster Trumpf. Und darauf vor allem beruht die realistisc­he Hoffnung der CDU/CSU, stärkste Kraft bleiben und so das Kanzleramt verteidige­n zu können.

Schulz ist ein famoser Einstand gelungen. Unaufhalts­am ist sein Aufstieg nicht. Noch ist ja völlig unklar, wofür er eigentlich steht. Sein Programm bisher heißt: Schulz. Er verspricht vielen alles und betet herunter, was Sozialdemo­kraten lieb und teuer ist. Wie will die SPD dafür sorgen, dass es „gerechter“zugeht? Sie hat ja die meiste Zeit seit 1998 (mit)regiert. Wie hält es Schulz mit der Flüchtling­sfrage und der inneren Sicherheit? Was passiert mit den Steuern? Will Schulz Europas Schulden noch immer auf Kosten der Deutschen vergemeins­chaften? Was geschieht, wenn die Union vor der SPD landet – kommt dann Rot-Rot-Grün? Gut möglich, dass der Zauber des Kandidaten rasch verfliegt, wenn er erst mal Farbe bekennen muss und Angela Merkel den Fehdehands­chuh aufgreift. Zu „Trump: Putin muss Krim zurückge ben“(Seite 1) vom 15. Februar: Sind denn alle wahnsinnig geworden? Die Krim ist jetzt unumkehrba­r Teil von Russland geworden. Die Bevölkerun­g hat sich bei einer Wahl zu 95 Prozent dafür ausgesproc­hen. Die Schwarzmee­rflotte mit 20 000 Soldaten ist laut Vertrag von 1992 auf der Krim stationier­t. Freiwillig­e Aufgabe geht gar nicht. Und Gewalt? Soll die ukrainisch­e Armee, wie in der Ostukraine, Russland angreifen? Reichen uns die mehr als 10000 Toten und die verwüstete Ostukraine noch nicht? Es geht längst nicht mehr um Krim und Ostukraine. Putin soll gedemütigt werden. Der Westen kommt mir vor wie ein ungezogene­s Kind im Supermarkt, das sich auf dem Boden wälzt und schreit, nur weil es keinen „Lolli“bekommt.

Rieden Zum selben Thema: Die USA mit Trump an der Spitze machen sich Illusionen, dass Russland die Krim an die Ukraine zurückgebe­n wird. Putin kommt allerdings nicht daran vorbei, die begangenen Verletzung­en der Souveränit­ät der Ukraine wiedergutz­umachen. So ist es für mich vorstellba­r, dass Russland nach langwierig­en Verhandlun­gen zu den gemeinsame­n westlichen europäisch­en Werten zurückkehr­t und bereit ist, ein gemeinsame­s Verwaltung­sgebiet über der Krim mit der Ukraine zu bilden.

Welden Zu unseren Berichten über die avisierte Übernahme von Opel: Solide Tugenden, die den Autobauer Opel zurück in die Spur brachten? Wohl nicht wirklich, angesichts ständig roter Zahlen. Aber aufgrund der Modellpale­tte nicht verwunderl­ich: langweilig­e Kleinwagen und biedere Rentnermob­ile. Die sportliche Fahrergrup­pe der 25- bis 50-Jährigen wird schon lange nicht mehr bedient. Ich erinnere mich noch an Manta, Ascona, Monza, C-Kadett… in den Siebzigern, mit den verschiede­nsten Motorund Leistungsv­arianten. Nicht politisch korrekt? BMW, Mercedes, Audi und zum Teil sogar VW können es ja auch. Opel nicht!

Kaufbeuren Zu „USA drohen den Nato Partnern in Europa“(Seite 1) vom 16. Februar: Die Forderung der USA, alle NatoPartne­r sollten ihren Beitrag erhöhen, ist ein populistis­cher Erpressung­sversuch, der auch an den Fakten total vorbeigeht. Die europäisch­en Staaten geben zusammen für Militär jetzt schon etwa dreimal so viel aus wie Russland und zweimal so viel wie die USA. Dagegen ist die Effektivit­ät unserer Streitkräf­te trotzdem deutlich geringer. Das hat der Artikel deutlich aufgezeigt. Theoretisc­h könnte Europa sogar die weltweit stärkste Militärmac­ht darstellen, würden die Länder nur einfach zusammenar­beiten. Was dann sogar mit weniger Geld ginge. In Deutschlan­d haben wir schon Unterwerfu­ngspolitik genug. Eine gemeinsame europäisch­e Antwort an die USA sollte vom Europäisch­en Parlament kommen.

Neusäß Zu „Er schaffte Geld für den Limburger Bischof heran“(Bayern) vom 13. 2.: Es ist sehr erfreulich, dass Sie mit Ihrem Bericht Licht in das Dunkel des Skandals um den einstigen Bischof von Limburg, Tebartz-van Elst, brachten. Wie sich nun jedoch herausstel­lte, war weder sein Generalvik­ar Franz Kaspar noch der Bischof selbst für die überborden­den Renovierun­gskosten verantwort­lich, da der Beschluss für dieses Bauvorhabe­n schon vor der Zeit des Generalvik­ars und vor der Amtszeit des Bischofs vom Domkapitel beschlosse­n wurde. Auf eine ehrliche Wiedergutm­achung an den Beschuldig­ten wird man aber wohl noch lange warten müssen. Das ist sehr bedauerlic­h für eine Kirche, die das Wort der Barmherzig­keit zur Zeit so groß im Munde führt.

Rehling Allmering Zu „SPD empört über Kritik an Schulz“(Seite 1) vom 13. Februar: Der Umgang mit dem politische­n Gegner befremdet mich immer mehr, und leider begegnet uns diese „Kultur“auch im Alltag. Unter Arbeitskol­legen oder in Schulklass­en scheint dieser abwertende, niedermach­ende Umgang mit den Mitmensche­n mitunter ganz normal geworden sein. Wo bleiben Höflichkei­t, Empathie und Wertschätz­ung, wenn wir unserem andersdenk­enden Gegenüber auf diesem Niveau begegnen?

Memmingen

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