Neu-Ulmer Zeitung

An Frieden glaubt hier niemand mehr

Seit zwei Jahren sollen im Osten der Ukraine die Waffen ruhen. So steht es zumindest im Abkommen. Tatsächlic­h aber gibt es fast jeden Tag Gefechte. Die Bewohner haben gelernt, mit dem Konflikt zu leben – und fürchten sich doch vor einer neuen Eskalation

- VON SIMONE BRUNNER

Dort, wo früher der Gang war, ist jetzt ein Loch. Eine Mine hat die Ziegelwand durchbroch­en, die Fenster im Haus zerborsten und selbst die Einmachglä­ser im Vorraum zerfetzt. Doch das Wichtigste, sagt Viktoria Petrowna, ist, dass niemand verletzt wurde. Weder die Kühe, die Kaninchen oder die Ziegen, die sie im Garten hält, noch sie selbst. Als die Mine explodiert­e, war die Hausfrau, 48, gerade in einem anderen Stadtteil, bei ihrem Vater, den sie pflegt.

An einer Wohnstraße reihen sich Einfamilie­nhäuser und Gartenhütt­en aneinander. Fünf Kilometer sind es von hier, dem ukrainisch-kontrollie­rten Awdijiwka, bis nach Donezk, der Separatist­enstadt auf der anderen Seite der Front. Die beschaulic­he Wohngegend, das „alte Awdijiwka“mit seinen bunten Gartenzäun­en und kleinen Gärten, ist zu einem Brennpunkt des Konflikts geworden. Rund 200 Häuser wurden in den vergangene­n zwei Wochen beschädigt. Nur wenige hundert Meter weiter ist die Frontlinie, hacken Soldaten Brennholz, als würden sie sich schon für den nächsten Notfall rüsten.

„Natürlich hoffen wir, dass es nicht wieder so eine Eskalation gibt wie letzte Woche“, sagt Swetlana, die Lehrerin. „Wir haben schlichtwe­g darauf gehofft, dass die schweren Kämpfe bald wieder vorüber sein werden.“Zuletzt wurde das Nachbarhau­s seiner Wohnung von Artillerie­feuer getroffen, erzählt Pascha, ein 16-jähriger Schüler. Sein Schlafzimm­er erzittert jede Nacht unter dem Donnern des Beschusses. „Aber es ist trotzdem auszuhalte­n“, sagt er und zuckt mit den Schultern. Für den jungen Mann ist der Konflikt längst zum Alltag geworden.

Auch im Umland der Stadt hat die Wucht der jüngsten Eskalation Spuren hinterlass­en: Wie Rußflecken prangen die Einschussl­öcher an den sanften, verschneit­en Hügeln, die den Weg vom Landesinne­ren nach Awdijiwka säumen, unterbroch­en von breiten Fahrspuren im Schnee, wie von schwerem Militärger­ät. Schwere Fahrzeuge haben tiefe Spuren in die vereisten Straßen gegraben. Vor allem mit Einbruch der

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Foto: imago/Ukrainian News Die Fenster sind zerborsten, die Wände durchlöche­rt: Die ostukraini­sche Stadt Awdijiwka liegt nur wenige Kilometer von Donezk entfernt, der Separatist­enstadt auf der an deren Seite der Front.

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