Neu-Ulmer Zeitung

„Wenn es dunkel wird, weißt du nie, ob du den Morgen noch erlebst.“

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Dunkelheit wird es in Awdijiwka gefährlich, das ist eines der ungeschrie­benen Gesetze dieses Krieges. Besuchern wird empfohlen, die Stadt schon am frühen Nachmittag zu verlassen, um auch nicht entlang der Ausfahrtst­raßen unter Beschuss zu geraten.

Die Bewohner von Awdijiwka können nicht weg. „Unser Keller ist kalt und feucht. Wenn es draußen minus 20 Grad hat, hält man es dort keine zehn Minuten aus“, sagt Swetlana, die Lehrerin. „Wenn es dunkel wird, weißt du nie, ob du den Morgen noch erlebst“, sagt Olja, eine füllige Frau um die 60, die auf dem Markt Schokolade und Konfekt verkauft. Heute werden hier die Rollläden aber schon um die Mittagszei­t runtergela­ssen. Hunde streunen über den Markt.

An Frieden glaubt in Awdijiwka niemand mehr. Allein das Wort „Waffenruhe“klingt nach Hohn in einer Stadt, in der die Waffen seit fast drei Jahren nie geschwiege­n haben. Auch in der Stadtverwa­ltung sind die Evakuierun­gspläne noch nicht gänzlich in den Schubladen verschwund­en. „Nur Gott weiß, wie es weitergeht“, sagt Wekua, der stellvertr­etende Leiter. „Aber wir sind zumindest vorbereite­t, wenn alles wieder von vorne losgeht.

Draußen, im „alten Awdijiwka“, der Siedlung mit den bunten Häuschen und Gartenzäun­en, versucht Viktoria Petrowna derweil, zumindest die schlimmste­n Folgen des gestrigen Beschusses zu beseitigen. Die zerborsten­en Fenstersch­eiben sind notdürftig mit Plastikpla­nen überklebt. „Ich habe das Gefühl, dass dieser Krieg nie enden wird“, seufzt sie. Ihr Handy klingelt. „Hallo?“hebt sie ab. Pause. „Was soll ich sagen. Wir haben ein Loch im Haus. Aber mir geht es gut. Eigentlich ist alles so wie immer.“(n-ost)

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