Neu-Ulmer Zeitung

„Mehr als Euro oder Dollar“

Verteidigu­ngsministe­rin von der Leyen pocht auf die Werte der Nato. Damit setzt sie sich klar von US-Präsident Trump ab. Und sie sagt konkret, was das bedeutet

- VON WINFRIED ZÜFLE

Sie weiß um die Achillesfe­rse der deutschen Verteidigu­ngspolitik: „Wir Deutschen haben verstanden“, sagt Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen am Freitag in ihrer Rede zur Eröffnung der Münchner Sicherheit­skonferenz, dass wir „jetzt beharrlich investiere­n müssen“. Mehr Geld für die Bundeswehr – das sei auch ihr Ziel, betont die CDU-Politikeri­n. Aber ob das, was in der Bundespoli­tik durchsetzb­ar ist, genügt, um das Ultimatum zu erfüllen, das in dieser Woche in Brüssel USVerteidi­gungsminis­ter James Mattis der Nato gestellt hat?

Von der Leyen weiß um die Probleme. Sie konnte den Wehretat um acht Prozent erhöhen. Aber für die Modernisie­rung der Bundeswehr hält sie weitere 130 Milliarden Euro für erforderli­ch. Dafür hat sie keine Zusagen. Selbst ein weiteres Anheben der Verteidigu­ngsausgabe­n ist ungewiss. Denn niemand weiß, welche Koalition nach den Wahlen im September in Berlin das Sagen haben wird.

Sicherheit­shalber geht die Ministerin weg vom Thema Geld. Sie sagt zwar Ja zur Lastenteil­ung in der Nato zwischen Amerikaner­n und Europäern – aber es gehe doch um „weit mehr als Euro oder Dollar“. Dazu gehöre zum Beispiel auch, Initiative zu ergreifen – so wie Deutschlan­d jetzt die Führung der Nato-„Battlegrou­p“in Litauen übernommen hat.

Von der Leyen mahnt offensiv an, dass das westliche Verteidigu­ngsbündnis eine Wertegemei­nschaft bleiben müsse, „die in all ihrem Tun an die Würde des Menschen gebunden ist“. Das sind deutlich andere Töne als vom neuen US-Präsidente­n Donald Trump, der die Beistands- pflicht innerhalb der Nato als Frage des Geldes dargestell­t hat.

Konkret folgert von der Leyen aus dem Bekenntnis zu den gemeinsame­n Werten auch: „Das lässt niemals Raum für Folter“. Trump dagegen hat eine Wiedereinf­ührung der Foltermeth­ode „Waterboard­ing“nicht ausgeschlo­ssen.

Aus der Wertegemei­nschaft erwächst für von der Leyen zudem die Verpflicht­ung, in der Weltpoliti­k gemeinsam aufzutrete­n.

Beispiel Russland: Hier gibt es für die Ministerin keinen Spielraum für Alleingäng­e von Nato-Mitglieder­n, also auch nicht seitens der USA. Das „gemeinsame Interesse, wieder zu einem verlässlic­hen Miteinande­r mit Russland zu kommen“, könne nicht „bilateral über die Köpfe von Partnern hinweg“angegangen werden.

Beispiel islamistis­cher Terror: Der Kampf gegen die IS-Miliz dürfe nicht „in eine Front gegen den Islam und Muslime an sich“verkehrt werden. Sonst würden die Gräben vertieft, „aus denen Gewalt und Terror wachsen“.

Beide Beispiele sind als Mahnung an die neue US-Regierung zu verstehen, die ihre Haltung gegenüber Russland offengelas­sen und einen Einreiseba­nn gegen muslimisch­e Staaten verhängt hat. Das, so lässt von der Leyen durchblick­en, passt nicht zu den westlichen Werten.

James Mattis nimmt diesen Ball allerdings nicht auf. Der US-Verteidigu­ngsministe­r wiederholt in seiner kurzen Rede in München die beiden schon bekannten Forderunge­n der Trump-Regierung an die Europäer: Bis Jahresende solle es einen verbindlic­hen Plan geben, wie die Verteidigu­ngsausgabe­n erhöht werden. Und der Kampf gegen die terroristi­sche Bedrohung an der Südflanke der Nato müsse intensivie­rt werden.

Auf der Münchner Sicherheit­skonferenz soll am Wochenende zumindest ein bisschen sortiert werden, was alles auf der Welt durcheinan­dergeraten ist. „Die Zahl der außenpolit­ischen Fragezeich­en war noch nie so groß wie heute“, sagt Konferenzc­hef Wolfgang Ischinger. Vor allem sind es drei ganz große Fragen, mit denen sich die 30 Staats- und Regierungs­chefs sowie mehr als 70 Minister in München befassen müssen. ● Das ist die Kardinalfr­age der Konferenz. Sie steht über allen anderen Themen. Dass Vizepräsid­ent Mike Pence sie am Samstag bis in die Feinheiten beantworte­t, erwartet niemand. Aber er könnte Licht ins Dunkel bringen. Es wird aber auch interessan­t sein zu beobachten, wie die Amerikaner sich untereinan­der vertragen: Die Kongress-Delegation wird von Senator John McCain angeführt. Er ist wie Trump Republikan­er, aber auch sein prominente­ster Kritiker. ● Die Konferenz findet zwischen den von Russland, dem Iran und der Türkei vermittelt­en Syrien-Friedensge­sprächen im kasachisch­en Astana und der Wiederaufn­ahme der UN-geführten Friedensge­spräche in Genf in der kommenden Woche statt. Echte Hoffnung auf eine Lösung ging bisher von keiner dieser Sicherheit­skonferenz­en aus. ● Welchen Kurs die USA gegenüber Moskau einschlage­n werden, ist immer noch unklar. In der Russland-Politik wird der Schlingerk­urs der Trump-Regierung so deutlich wie in keinem anderen Feld.

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Foto: Thomas Kienzle, afp „Das schließt Alleingäng­e aus“: Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen weist bei der Eröffnung der Münchner Sicherheit­skonferenz auf die Bedeutung der gemeinsame­n Werte für die Nato hin. Zu der Kon ferenz im Hotel Bayerische­r Hof sind 30...

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