Griechenland ist wieder klamm
Das Gespenst des drohenden Grexits – des Austritts aus dem Euro – ist wieder zurück. Denn das Land ist mit seinen Reformen wieder einmal in Verzug
Der Bundesfinanzminister gab sich ungewohnt gelassen. „Es gibt keine neue Euro-Krise. Im Gegenteil. Alle Länder haben Wachstum.“
In diese Bilanz bezog Wolfgang Schäuble am gestrigen Montag beim Treffen mit seinen Euro-Kollegen in Brüssel sogar Griechenland mit ein: plus 2,7 Prozent in diesem, weitere 3,5 Prozent im kommenden Jahr lauten die Wachstumsprognosen der EU-Kommission. Die Schulden von derzeit 317 Milliarden Euro – immerhin 187 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung – seien „nicht das Problem“. Athen müsse sich aber so entwickeln, dass es wettbewerbsfähig wird, sagte der CDU-Politiker.
Genau darum geht es: Die hellenische Regierung schlittert wieder einmal in eine Phase der Finanzkrise. Im Juli müssen Verbindlichkeiten von sieben Milliarden Euro bedient werden. Das Geld liegt auf den Konten des Euro-Stabilitätsmechanismus (ESM), einer Art Notkasse der Währungsunion. Athen kann es bekommen, sobald die zugesagten Reformen nicht nur erlassen, sondern verbindlich in Gesetze gegossen wurden. Das fehlt.
Nach wie vor treiben ineffiziente Finanzbehörden in vielen Fällen keine Steuern ein. Renten und Pensionen sind noch immer deutlich höher als in vielen anderen EU-Staaten, obwohl die griechische Wirtschaftsleistung schwächer ist. „Griechenland leistet sich einen höheren Lebensstandard als es erwirtschaftet“, betonte Schäuble. Dennoch wehrten sich viele Finanzminister dagegen, den Druck auf die Regierung von Alexis Tsipras weiter zu erhöhen.
Deshalb war gestern auch kaum mehr als ein kleines Signal des Vertrauens drin: Die Finanzminister schicken die Prüfer der Geldgeber (früher Troika genannt) wieder in das Land, um das Erreichte zu erheben. Sobald dieser Bericht positiv ausfällt, kann frisches Kapital aus dem dritten Hilfspaket über 86 Milliarden Euro fließen.
Im Hintergrund aber tobt noch ein ganz anderer Streit. Auch zwei Jahre nach dem Start des dritten Rettungsversuches ist fraglich, ob sich der Internationale Währungsfonds (IWF) tatsächlich beteiligt. Zwar geht es dabei nur um einen vergleichsweise geringen Betrag von rund fünf Milliarden Euro. Aber nicht nur der Bundesfinanzminister hatte die Zustimmung des Bundestages zu einer erneuten Bürgschaft dentragfähig werden. Das gehe aber nur dann, wenn die Geldgeber dem Land einen Teil seiner Zahlungen erlassen. Inzwischen scheint zwar auch die Eurogruppe bereit, über diesen unpopulären Schritt nachzudenken. Aber vor allem Deutschland will dies erst 2018 angehen, wenn das dritte Rettungspaket ausgelaufen ist.
Dass die Lage, die die Eurogruppe gestern fast schon erstaunlich gelassen beschrieb, dennoch schnell außer Kontrolle geraten könnte, zeigen die Hellenen selbst. Aus Angst vor einem Ausscheiden ihres Landes aus der Gemeinschaftswährung hat ein regelrechter Ansturm auf die Banken eingesetzt. Rund 2,7 Milliarden Euro wurden seit Beginn dieses Jahres von den Konten abgezogen und liegen nun unter Kopfkissen und in Truhen. Beim griechischen Bankenverband hieß es vor wenigen Tagen, die Atmosphäre sei von „großer Verunsicherung und Panik“geprägt.
Ein Signal der Geldgeber wäre dringend nötig, um die Situation zu beruhigen.
Dass ein Pfand das Verhalten erheblich beeinflussen kann, das wissen die Deutschen aus dem Supermarkt. Seit es das Einwegpfand gibt, werden Dosen und Plastikflaschen kaum mehr in die Landschaft geschmissen, sondern brav zurückgebracht. Eine ähnliche Logik gilt für Pfandleihhäuser. Wer finanziell klamm ist, kann dort zum Beispiel seine Uhr oder den Familienschmuck als Sicherheit hinterlegen und erhält einen Kredit. Erst wenn dieser zurückgezahlt wird, erhält man sein Pfand zurück. Ist das nicht der Fall, kann der Pfandleiher Uhr und Schmuck versteigern.
Eine ganz ähnliche Lösung stellt sich Bayerns Finanzminister Markus Söder in der nie gelösten und jetzt wieder aufflammenden Griechenland-Krise vor: Das Land ist klamm und hofft auf neue Milliarden-Hilfen.
Söder hat nun vorgeschlagen, die Zahlung weiterer Hilfszahlungen an Griechenland an Bedingungen zu knüpfen. Der CSU-Politiker sagte, neue Milliarden sollten nur noch fließen, wenn Athen alle Reformen umsetze. Auch dann aber solle es Hilfen nur gegen Pfand geben – „in Form von Bargeld, Gold oder Immobilien“. Die Kreditgeber hätten am Ende also eine Sicherheit. Und Söder fügte zu Griechenland hinzu: „Wir brauchen einen Plan B.“
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz warnte dagegen vor einer erneuten Eskalation in der Griechenland-Krise: „In diesen Zeiten der globalen Unsicherheit ist es besonders wichtig, dass Europa zusammensteht.“