Auf einmal wollte die Firma dann doch zahlen
Name verspricht: eine Anwältin für das Volk. Das beeindruckte den Bürgermeister aber auch nicht. „Er sagte, ich hätte Pech gehabt“, erzählt Hana Lanikova.
Deshalb griff Brinek zur wohl schärfsten Waffe, die sie als Volksanwältin zur Verfügung hat: zum öffentlichen Pranger. Sie brachte den Fall ins Fernsehen. Die ORFSendung „Bürgeranwalt“arbeitet regelmäßig mit der Volksanwaltschaft zusammen und hat hohe Einschaltquoten. Sie lud Lanikova, ihren Helfer, Brinek und den Unternehmer ein. Plötzlich erklärte sich dieser doch bereit, die Reparaturkosten zu zahlen. „Nach einer Woche waren die 2500 Euro auf meinem Konto.“Dass die Volksanwaltschaft eine Institution ist, die ihr helfen konnte, hat Lanikova nicht gewusst. Ohne die Kollegin mit ihrem hilfsbereiten Onkel hätte ihr Vertrauen in die österreichischen Behörden noch mehr gelitten.
Für Gertrude Brinek ist das ein typisches Beispiel dafür, wie ihre Einrichtung Missstände in der österreichischen Verwaltung überprüfen und bekämpfen kann – auch wenn nicht jeder Fall so erfolgreich endet. Seit 40 Jahren gibt es die Volksanwaltschaft nun. Sie ist unabhängig und hat das Recht auf volle Akteneinsicht und Auskunft zur Prüfung von Beschwerden über die Verwaltung von Bund, Ländern und Kommunen. Seit ihrer Gründung haben Bürger sie etwa 500000 Mal angerufen, rund 20000 Fälle werden jedes Jahr kostenlos von juristi- schen Sachbearbeitern unter die Lupe genommen.
Gertrude Brinek glaubt, dass ihr Job gerade in diesen Zeiten hilfreich sein kann. In Zeiten von Trump und Co, wo viele Menschen das Vertrauen in die etablierte Politik, in staatliche Institutionen und in die Wissenschaft verloren haben. „Wutbürger“, die dann zu populistischen Parteien abwandern. „Ihr Vertrauen müssen wir zurückgewinnen“, sagt sie. Und fügt hinzu: „Nach 5609 zwanzigminütigen Gesprächen im Jahr weiß ich, wie es der österreichischen Seele geht.“
Seit 2008 ist die studierte Pädagogin und frühere Politikerin der konservativen ÖVP eine der drei Volksanwälte, die von den größten Parlamentsparteien in Österreich benannt werden. Ihre Aufgabe ist es, Bürgern zu ihrem Recht zu verhelfen, die „von einem Missstand in der Verfassung betroffen sind und keine Rechtsmittel mehr ergreifen“können. In Deutschland kann man sich in so einer Situation an den Petitionsausschuss des Bundestages oder des Landtages wenden. Und in Österreich eben an den Volksanwalt.
Um Hilfe hat auch Karl Stephan Reischl, 67, gebeten. Der Österreicher lebt in Fridolfing im oberbayerischen Landkreis Traunstein, hat aber am Wallersee unweit von Salzburg ein Grundstück mit Sommerhaus geerbt. Seit 1953 schon verbringt seine Familie ihre Freizeit am See. Den Uferstreifen verpachtet das Land Salzburg. Ende 2015 erlebten die etwa 700 Pächter am Wallersee, am Obertrumer See und am Mattsee eine böse Überraschung. Per Post wurden neue Verträge mit drastischen Mieterhöhungen verschickt. Bei Reischl sollte die Pacht von bis dahin 900 Euro im Jahr auf satte 10 000 Euro steigen. Die Pachttarife waren geändert und die Flächen neu vermessen worden.
Viele Pächter unterschrieben die neuen Verträge. Bauingenieur Reischl und vier andere aber ließen Gutachten erstellen, die die Rechtmäßigkeit der geänderten Tarife anzweifelten. Am Ende ergebnisloser Verhandlungen mit dem Land Salzburg wandten sie sich an die Volksanwaltschaft. Deren Handicap liegt darin, dass sie gegenüber Behörden keine Entscheidungsbefugnis hat. Sie kann nur vermitteln und via Fernsehen Öffentlichkeit schaffen. Außerdem erstellt sie jedes Jahr einen Bericht für das Parlament, in dem sie Missstände benennt und anregt, gesetzliche Regelungen zu verbessern. Meist hilft der Druck der Öffentlichkeit. Am Wallersee etwa wurden die Verhandlungen neu aufgenommen, als die Volksanwaltschaft den Sachverhalt geprüft und für unrechtmäßig erklärt hatte. Reischl hofft, dass dies notfalls auch vor Gericht helfen wird.
Brineks Kollege Günther Kräuter, der für die sozialdemokratische SPÖ in der Volksanwaltschaft sitzt, ist gleichzeitig Generalsekretär einer länderübergreifenden Organisation, die sich Internationales Ombudsmann-Institut nennt. Die Einrichtung mit 183 Mitgliedern in 95 Ländern hat ihren Sitz in Wien und wird von Österreich basisfinanziert. „Die Unabhängigkeit der Mitglieder wird regelmäßig überprüft“, versichert Kräuter. Er weiß aber auch, dass Ombudsleute in vielen Ländern einen schweren Stand haben. In Asien etwa, wo die Korruptionsbekämpfung eine große Rolle spielt.
Kräuter ist in Wien auch für das Gesundheitssystem zuständig. Als nach Weihnachten in einigen Krankenhäusern der Stadt mehr als hundert vorwiegend alte Grippepatienten tagelang auf den Gängen liegen mussten, obwohl Zimmer leer standen, veranlasste Kräuter ein sogenanntes „amtswegiges Prüfverfahren zur Unterbringung von Patienten in Wiener Spitälern“. Dabei stellte sich heraus, dass Patienten nicht nur in Stoßzeiten auf den Gängen liegen, sondern dass dies offenbar ganz alltäglich ist. „Es geht gar nicht, dass wegen der Einsparungen bestimmte Bettentrakte nicht in Betrieb sind“, schimpft Kräuter.
Patientin Ingrid Glatz, 72, musste das ausbaden. Sie wurde nach einem halben Jahr Wartezeit zu einer Knieoperation bestellt und musste die Nacht zuvor bei Neonlicht und Lärm auf dem Gang verbringen. „Ich habe die ganze Nacht nur geheult“, erzählt sie. Die für die Diagnose nötige MRT-Aufnahme hatte sie vorher außerhalb des Krankenhauses machen lassen und selbst bezahlen müssen. „Das ist nicht nur ein eklatanter Missstand, das ist ein Skandal“, findet Kräuter.
Die Wiener Krankenhausverwaltung wiederum ließ die Vorwürfe an sich abperlen und reagierte nicht einmal auf den Beschwerdebrief der Volksanwaltschaft. Schließlich forderte sie eine Fristverlängerung, um die gestellten Fragen zu beantworten. Als der Fall im ORF behandelt wurde, schickte die Stadt einen Arzt aus einem anderen Krankenhaus ins Studio, um sein Bedauern auszudrücken. Ganz offensichtlich hatten es die Wiener Gesundheitsbehörden darauf angelegt, das Thema totzuschweigen. „Gangbetten hat es immer