Neu-Ulmer Zeitung

Feiern, bis der Volksanwal­t kommt

Was tun, wenn Autofans einen Höllenlärm veranstalt­en und niemand schreitet ein? Oder wenn man selbst von Behörden gegängelt wird? In Österreich gibt es für solche Fälle ganz spezielle Retter in der Not. Was ihre schärfste Waffe ist – und ihr größtes Probl

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

„Das darf doch wohl nicht wahr sein!“, dachte Hana Lanikova, 35, als sie nach einer anstrengen­den Schicht im Marien-Pflegeheim zu ihrem Peugeot 207 kam, der in der Nähe parkte. Eine morsche Esche war umgefallen und hatte das Auto zerdrückt. Aus der geplanten Heimfahrt nach Tschechien wurde nichts. Lanikova holte die Polizei und verständig­te die zuständige Stadtverwa­ltung Klosterneu­burg in Niederöste­rreich. Dort versprach man ihr, die Versicheru­ng werde die Reparatur übernehmen. Alles schien gut.

Die Krankensch­wester ließ die Reparaturk­osten schätzen: 4000 Euro. Sie ließ das Auto in ihrer Heimat Tschechien für 2500 Euro reparieren und schickte die Rechnung an die Stadt. Keine Reaktion. Sie rief an, schrieb E-Mails. Keine Reaktion. „Erst nachdem der Onkel einer Kollegin, ein pensionier­ter Rechtsanwa­lt, sich einschalte­te, sagten sie uns, dass ein Unternehme­n für die Kontrolle der Bäume zuständig sei“, erzählt sie. Die Firma wiederum teilte mit, der Zustand des Baumes habe sich im Jahr zuvor sehr verschlech­tert – weigerte sich aber auch zu zahlen. Obwohl zehn benachbart­e Eschen nach dem Vorfall gefällt worden waren.

Der hilfsberei­te Rechtsanwa­lt gab nicht auf. Er wandte sich an Gertrude Brinek. Nun nahm sie sich des Falles an. Brinek, 65, arbeitet in Wien und nennt sich Volksanwäl­tin, eine sehr österreich­ische „Spezialitä­t“, die genau das ist, was der schon gegeben. Da werden wir nichts ausrichten“, sagt ein Mitarbeite­r der Volksanwal­tschaft, der schon seit 20 Jahren dabei ist. „Ich habe nicht gehört, dass ein Patient deswegen Schadeners­atz oder Schmerzens­geld eingeklagt hat.“

Anders als Grundstück­sbesitzer haben Patienten oft andere Sorgen, als sich an die Volksanwal­tschaft zu wenden. Außerdem gibt es eine sogenannte Patientena­nwältin der Stadt Wien, die allerdings eng mit der zuständige­n Gesundheit­sstadträti­n zusammenar­beitet und mit Rücksicht auf die rot-grüne Koalitions­räson in der Stadtregie­rung Konflikten eher aus dem Weg geht.

Mehr Glück als Patientin Ingrid Glatz hatte Franz Scherling aus Kärnten. Er leidet jedes Jahr im Mai unter dem Lärm und Schmutz, den die Besucher des GTI-Treffens in Reifnitz am Wörthersee machen. Mithilfe der Volksanwäl­te erreichte er, dass die Landesregi­erung die Polizeikon­trollen unter den Volkswagen-Freunden verschärft­e.

Oder: der junge Familienva­ter Bernhard Reschreite­r. Der renoviert im Ortskern von Hallein bei Salzburg, direkt an der Grenze zu Oberbayern, das 400 Jahre alte „Veilschmie­dhäuschen“. Und geriet prompt in die Mühlen lokaler Interessen­vertreter, genauer gesagt der „Ortsbildko­mmission“. Noch neun Monate, nachdem er den Antrag auf Zuschüsse für die vorgeschri­ebenen ochsenblut­farbenen Holzfenste­r gestellt hatte, fehlte der schriftlic­he Bescheid. Als Volksanwäl­tin Brinek sich danach erkundigte, erklärte das

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