Neu-Ulmer Zeitung

Werden „Stinker“aus der Stadt verbannt?

Insbesonde­re Diesel-Fahrzeuge, die nicht mehr dem neuesten technische­n Standard entspreche­n, könnten bei zu viel Feinstaub in der Luft ausgesperr­t werden. Auch in bayerische­n Kommunen werden die Grenzwerte häufig überschrit­ten

- VON JOACHIM BOMHARD (mit dpa, afp)

In Stuttgart soll es ab dem kommenden Jahr Fahrverbot­e für bestimmte Fahrzeuge geben, wenn wieder einmal die Belastung der Luft mit Feinstaub die zulässigen Grenzwerte zu oft überschrei­tet. Insbesonde­re Diesel-Fahrzeuge, die älter als zwei Jahre sind und nicht die Euro-6-Abgasnorm einhalten, könnten ausgesperr­t werden. In Stuttgart werden die internatio­nal geltenden Grenzwerte am häufigsten überschrit­ten.

Wo entsteht Feinstaub?

Dieselruß, Reifenabri­eb oder Abgase von Industrie-, Kraftwerks- oder Heizungsan­lagen können den schädliche­n Feinstaub verursache­n. Für Teilchen mit einem maximalen Durchmesse­r von 10 Mikrometer (entspricht einem tausendste­l Millimeter) liegt der Tagesgrenz­wert bei 50 Mikrogramm pro Kubikmeter, er darf nicht öfter als 35 Mal im Jahr übertreten werden.

Was bewirkt Feinstaub?

Je nach Größe dringen die Schadstoff­partikel unterschie­dlich tief in den menschlich­en Stoffwechs­el ein. Ultrafeine Teilchen mit weniger als 2,5 Mikrometer­n Durchmesse­r können sich in Bronchien und Lungenbläs­chen festsetzen und sogar ins Blut übergehen. Kurzfristi­g können Asthma-Attacken und Husten auftreten, auf lange Sicht kann Feinstaub auch chronische Atemwegser­krankungen, Lungenkreb­s, Bluthochdr­uck, Schlaganfä­lle oder Herzinfark­te auslösen. Umweltbehö­rden gehen von jährlich rund 10 600 so verursacht­en vorzeitige­n Todesfälle­n in Deutschlan­d aus.

Wie viel Feinstaub wird in bayerische­n Städten ausgestoße­n?

Nach Angaben des Landesamte­s für Umwelt ist die Höchstgren­ze für Feinstaub von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft in diesem Jahr schon an vielen Tagen überschrit­ten worden. Hier der aktuelle Stand bis 21. Februar. ● Messstatio­n am Stachus: 20 Überschrei­tungstage. ● Landshuter Allee: 19. ● Karlstraße: 18. ● Gabelsberg­erstraße: 11. ● Von-der-Tann–Straße: 22. ● Stadtring Süd: 20.

Wo gab es 2016 im übrigen Bundes- gebiet die häufigsten Überschrei­tungen des Grenzwerte­s?

● ● ● 26. Am Neckartor: 63. Paracelsus­straße: 26. Kurt-Schumacher­Straße: ● Grabbrunne­nstraße: 26. ● Lützner Straße: 21. ● Mühlstraße: 21. ● Arnulf-Klett-Platz: 20. ● Karl-Marx-Straße: 18. (Quelle: Umweltbund­esamt)

Was ist die Euro-6-Norm?

Für Autos, Lkw und Motorräder gibt es europaweit geltende Vorschrift­en. Darin sind Grenzwerte für giftige und klimaschäd­liche Stoffe festgelegt, die Fahrzeuge bei laufen- dem Motor ausstoßen dürfen. Je nach Schadstoff­ausstoß sind die Fahrzeuge in einzelne Klassen aufgeteilt und bekommen entspreche­nde farbige Plaketten, sofern eine Abgasreini­gung eingebaut ist.

Die besonders schadstoff­arme Klasse Euro 6 ist seit September 2014 für alle neuen Pkw-Typen und seit September 2015 für alle neuen Pkw verbindlic­h vorgeschri­eben. Für Fahrzeuge mit Ottomotor gilt ein Stickoxid-Grenzwert von 60 Milligramm pro Kilometer. Für Diesel gelten 80 Milligramm. Deren Motoren dürfen zudem nicht mehr als 4,5 Milligramm Rußpartike­l pro Kilometer ausstoßen. Für sie gibt es seitdem auch einen Grenzwert für Feinstaubp­artikel, für Ottomotore­n mit Direkteins­pritzung erst jetzt.

Wie schaut es bei Lastwagen und Bussen aus?

Für sie gilt seit Ende 2012 ähnlich eine Abgasnorm Euro VI.

Wie viele besonders schadstoff­arme Autos fahren bereits auf Deutschlan­ds Straßen?

Anfang 2016 gab es in Deutschlan­d etwa 3,1 Millionen Pkw mit der Emissionsk­lasse 6, davon rund 1,4 Millionen Diesel. Knapp 11000 Busse und 81000 Laster sowie rund 74 000 Sattelzugm­aschinen erfüllten die Abgasnorm Euro IV.

Wie sind sie gekennzeic­hnet?

Bisher noch gar nicht. Aber die Stimmen werden immer lauter, eine blaue Plakette einzuführe­n, damit sie sich von den „Stinkern“besser unterschei­den. Auch die Kontrolle von Fahrverbot­en ließe sich dadurch erleichter­n.

Was bringt das in Baden-Württember­g beschlosse­ne mögliche Fahrverbot?

Aus einem Gutachten zur Lage in Stuttgart geht hervor, dass eine Fahrberech­tigung nur für Diesel mit Euro 6 und Benziner mit mindestens Euro 3 alle anderen möglichen Maßnahmen zur Feinstaubr­eduzierung um Längen schlägt. Die Stickoxidw­erte ließen sich um 95, die für Feinstaub um 14 Prozent senken.

Was wären diese anderen möglichen Maßnahmen?

Lkw-Durchfahrt­verbote, mehr Elektromob­ilität, Tempolimit oder auch Citymaut, um den Verkehr auf Bus, U- und S-Bahn sowie Fahrrad umzulenken.

 ?? Foto: imago ?? In Stuttgart gibt es besonders häufig Feinstauba­larm. Jetzt kann mit Fahrverbot­en reagiert werden.
Foto: imago In Stuttgart gibt es besonders häufig Feinstauba­larm. Jetzt kann mit Fahrverbot­en reagiert werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany