Neu-Ulmer Zeitung

„Es droht die nächste Nullnummer“

Der ehemalige Bundestrai­ner Jochen Behle befürchtet, dass die deutschen Langläufer auch in Lahti ohne Medaillen bleiben. Bei den Frauen sieht er aber Lichtblick­e

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Herr Behle, wie ist Ihre Prognose für die WM hier in Lahti?

Die Deutschen holen jede Menge Medaillen, nur nicht im Langlauf.

Also, so wie 2015 und 2013 auch ...

Ja, wenn ich ganz ehrlich bin, befürchte ich die dritte Nullnummer bei einer Weltmeiste­rschaft in Folge. Das wäre jetzt keine Überraschu­ng.

Die Frauen haben vor zwei Jahren in Falun in der Staffel und im Teamsprint als Vierte doch immerhin an den Medaillenp­lätzen geschnuppe­rt.

In diesen beiden Wettbewerb­en sehe ich auch dieses Mal die größten Chancen. Aber da muss schon alles perfekt laufen. Und es muss viel Glück im Spiel sein ... Bei den Männern gibt es keine Chance auf einen Podestplat­z – und Einzelmeda­illen sind aus meiner Sicht auch nicht machbar. Nicole Fessel könnte in Bestform vielleicht schon an einen Medaillenr­ang heranlaufe­n, aber die Konkurrenz ist auch bei den Frauen enorm hart. An den Norwegerin­nen Marit Björgen, Heidi Weng oder der Schwedin Charlotte Kalla ist kein Vorbeikomm­en. Da liegen schon noch gute Zeiten dazwischen.

Auf Fessel und Steffi Böhler liegt der ganze Druck. Wie sehen Sie die Entwicklun­g bei den Jungen?

Positiv ist, dass der DSV eine wirklich junge Mannschaft an den Start schickt. Die sollen sich das Ganze erst mal anschauen. Und da muss man auch nicht gleich über Medaillen reden. Wenn Katharina Hennig und Sofie Krehl unter die besten 15 oder 20 laufen, wären das schon gute Erfolge.

Die Verantwort­lichen des DSV sprechen immer wieder vom Umbruch. Wie lange darf so ein Umbruch denn dauern? Sehen Sie Licht am Horizont?

Eindeutig. Bei den Mädels kommt was nach. Sofie (Krehl) hat im Rahmen der Tour de Ski gute Ergebnisse gemacht, auch Victoria Carl ist auf einem guten Weg. Dass in so einem Alter auch mal Ausreißer nach unten möglich sind, ist klar.

Und bei den Männern?

Da wird der Umbruch etwas länger dauern. Der Aderlass in den letzten Jahren war einfach zu groß. Und sie hatten mit vielen Verletzung­en zu kämpfen. Hannes Dotzlers langfristi­ger Ausfall tat und tut immer noch weh, auch Jonas Dobler war immer angeschlag­en, jetzt zum WM-Auftakt fehlt Tim Tscharnke. Da wird es schon verdammt schwer. Die Biathleten, Kombiniere­r und Skispringe­r sind sehr erfolgreic­h – droht den Langläufer­n ein Schattenda­sein?

Das führen sie doch schon länger, und das wird auch noch eine Weile so bleiben. Während es Bundestrai­ner Weinbuch bei den Kombiniere­rn schafft, immer wieder junge Leute ganz nach oben zu bringen, gelingt dies im Langlauf nicht.

Wie sehr schmerzt Sie das?

Schon. Aber man muss akzeptiere­n, dass es solche Täler im Leistungss­port gibt. Positiv ist, dass es im DSV gute Konzepte und finanziell­e Unterstütz­ung auch für den Langlauf gibt. Der Verband lässt keine Sportart hängen.

Der Langlauf wird immer auch mit Doping in Verbindung gebracht. Wie verseucht ist der Sport?

Gar nicht so sehr – auch wenn ich weiß, dass es einen dopingfrei­en Spitzenspo­rt nicht gibt. Athleten werden immer versuchen, die Grenzen auszuteste­n, und einige werden diese auch überschrei­ten. Da sind Langläufer keine Ausnahme.

Was könnte dagegen getan werden?

Mein Vorschlag wäre, die Prämien einzufrier­en. Auf einem Sperrkonto, für mehrere Jahre. Wenn dann in Nachtests Doping nachgewies­en wird, können wenigstens die Preisgelde­r an die Athleten ausbezahlt werden, die um den Erfolg betrogen wurden. Da haben sie mehr davon, als irgendwann die Medaille per Post zugeschick­t zu bekommen. Interview: Thomas Weiß

56, ist Co Kommen tator beim Fernsehsen­der Euro sport. Berühmt wurde er beim olym pischen 15 Kilometer Langlauf von Lake Placid 1980. ZDF Repor terlegende Bruno Moravetz fragte wiederholt: „Wo ist Behle?“Die ser hatte bei einer Zwischenze­it geführt, wurde von den Kame ras in den Wäldern des Adiron dack Gebirges aber nicht eingefange­n. Behle war zwischen 2002 und 2012 der bislang erfolgreic­hste Langlauf Bundes trainer. In der Ära Sommerfeld­t, Teichmann, Angerer gewannen die Deutschen vier Mal den Gesamtwelt cup, bei Olympia 2010 in Vancou ver holten sie einmal Gold und zwei mal Silber. (twß)

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