Neu-Ulmer Zeitung

Muslime in der Mehrheit: Wie eine Schule damit umgeht

Birgit Plechinger ist Rektorin an der Mittelschu­le in Senden. Dort sind 60 Prozent der Schüler islamische­n Glaubens. Was die Lehrer tun, um Probleme im Alltag zu vermeiden

- VON CAROLIN OEFNER

330 Kinder besuchen die Mittelschu­le in Senden. 75 Prozent haben einen Migrations­hintergrun­d, 60 Prozent der Schüler sind Muslime. Ist das etwa ein Problem? Nein, sagt Schulleite­rin Birgit Plechinger. „Der Islam bereitet in unserem Schulallta­g so wenig Probleme, dass ich mir wünschte, er wäre unser einziges Problem.“Man müsse nur richtig damit umgehen.

Die Schulleite­rin findet es jedoch schlimm, dass gerade weltweit „eine Dämonisier­ung des Islams“stattfinde, ohne zu unterschei­den, wofür muslimisch­e Menschen eigentlich stehen. Bei der Beurteilun­g werde oft nicht mehr nach dem Einzelfall entschiede­n. Das will sie in ihrer Schule vermeiden. Dort werde jeder Schüler als Mensch betrachtet und bewertet – nach dem, was er sagt und macht, aber nicht nach seiner Religion. „Unsere muslimisch­en Schüler sind genauso lieb, frech, begeisteru­ngsfähig und lernwillig wie alle anderen Schüler auch“, sagt sie. Doch das funktionie­rt nicht einfach so, es ist das Ergebnis jahrelange­r Arbeit. Die Lehrer leben den Schülern das deutsche Wertesyste­m vor mit dem Ziel, dass auch die Schüler es leben. „Die Basis für das Zusammenle­ben sind die Menschenre­chte und unsere Gesetze“, sagt Plechinger. Die Schulregel­n entspreche­n diesen Grundsätze­n – wenn sie nicht eingehalte­n werden, müsse es auch Konsequenz­en haben.

Dennoch dürfe man das Thema Islam nicht verharmlos­en, das Lehrerkoll­egium müsse wachsam sein, falls es Anzeichen für eine Radikalisi­erung gebe. Vor Kurzem passierte etwas in dieser Art in der Mensa der Mittelschu­le. Drei Schüler stifteten Unruhe, indem sie bei anderen auf den Teller zeigten und sagten: „Das Fleisch ist nicht halal, du kommst in die Hölle, wenn du das isst.“Manche der Angesproch­enen seien verunsiche­rt oder verängstig­t gewesen. Schulleite­rin Birgit Plechinger hat rigoros auf dieses Verhalten reagiert. „Das geht einfach zu weit“, sagt sie im Gespräch mit unserer Zeitung. Es habe sich um junge Schüler gehandelt, mit denen die Schulleite­rin auch gesprochen habe. Zudem wurde der Vorfall per Durchsage im Schülerrad­io aufgegriff­en. „Ältere muslimisch­e Schüler haben im Schulradio klar gesagt, dass es Privatsach­e ist, was man isst“, sagt Plechinger. Die Vorbild- funktion sei hier wichtig gewesen. Zudem legt das Kollegium in der Sendener Schule Wert darauf, dass die deutschen Gesetze beachtet werden und danach gelebt wird. So ist in Deutschlan­d das Schächten von Tieren – das Schlachten ohne Betäubung – grundsätzl­ich verboten.

Wer sich nicht an die Werte der Schulregel­n halte, müsse mit Konsequenz­en rechnen. Auch das sei wichtig im Schulallta­g: „Wir Lehrer müssen uns klar positionie­ren.“In den Regeln steht zum Beispiel, dass jeder Mensch gleichbere­chtigt ist – bei Muslimen sei dieser Gedanke nicht selbstvers­tändlich. „Mädchen und Buben werden in ihren Familien oft immer noch unterschie­dlich behandelt“, sagt sie. Wenn die Klasse ins Schullandh­eim fährt, dürften muslimisch­e Mädchen teilweise nicht mit – ihre Brüder aber schon. In so einem Fall hilft nur eines: reden, reden, reden. Plechinger erzählt, dass sie die Eltern dann zu Hause besucht. Sie wisse, dass Vater und Mutter gewisse Traditione­n weitergebe­n wollen. „Aber wir leben in Deutschlan­d und da müssen Kinder gleichbere­chtigt erzogen werden“, sagt Plechinger dann klar zu den Eltern. Und sie versuche, sie davon zu überzeugen, ihre Tochter doch mitfahren zu lassen. „Das Reden hilft teilweise schon.“Schwierige­r sei es beim Schwimmunt­erricht, bei dem Buben und Mädchen gemeinsam in der Halle stehen. Viele Mädchen melden sich an diesen Tagen krank – jedoch christlich­e und muslimisch­e gleicherma­ßen. Das sei in der Pubertät normal, da seien alle Mädchen sensibel, was ihr Aussehen

betrifft. Auch dort hilft nur reden. „Wir können nichts anderes machen, wir können sie ja nicht zwingen.“Wenn es vertretbar sei, komme die Schule den muslimisch­en Schülern entgegen. So gibt es in der Mensa zum Beispiel kein Schweinefl­eisch. Damit erlebten die Schüler gleich eine Form der Demokratie: Die Mehrheit entscheide­t und die isst an der Schule kein Schweinefl­eisch.

Insgesamt gesehen habe es sich bewährt, dass sowohl die Lehrer als auch Schüler und Eltern viel Zeit mit Gesprächen verbringen. „Es ist manchmal mühselig, aber wichtig, immer mit den Betroffene­n zu sprechen“, sagt Plechinger. Denn: „Nur so können Missverstä­ndnisse auf lange Sicht ausgeräumt und Probleme vermieden werden.“ Leichte Verletzung­en hat sich eine 62-Jährige am Dienstag in Ulm zugezogen. Die Fußgängeri­n lief gegen 19 Uhr durch die Unterführu­ng der B 10 von der Banzenmach­erstraße in Richtung Bleichstra­ße. Aus Richtung Schubart-Gymnasium kam ein Radfahrer. Der bog nach links in die Unterführu­ng ab. Dabei stieß er mit der 62-Jährigen zusammen. Die Frau stürzte und verletzte sich leicht. Der Radfahrer und ein anderer Fußgänger halfen der Dame. Danach gingen sie. Die Polizei sucht nun den Radfahrer. Die Seniorin beschrieb den Mann als etwa 1,70 Meter groß und 50 Jahre alt. Bekleidet war er mit einer dunklen Jacke und dunkler Hose. Außerdem trug er eine Brille und hatte einen Bart. (az)

 ?? Fotos: Alexander Kaya ?? Birgit Plechinger ist seit einem Jahr Schulleite­rin an der Sendener Mittelschu­le. Sie und ihre Kollegen unternehme­n viel, um Pro bleme im Alltag erst gar nicht aufkommen zu lassen.
Fotos: Alexander Kaya Birgit Plechinger ist seit einem Jahr Schulleite­rin an der Sendener Mittelschu­le. Sie und ihre Kollegen unternehme­n viel, um Pro bleme im Alltag erst gar nicht aufkommen zu lassen.
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An der Werner Ziegler Mittelschu­le lernen insgesamt 330 Schüler. Von ihnen sind etwa 60 Prozent Muslime.

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