Neu-Ulmer Zeitung

Die Mozarts musizieren höllisch schräg

Handschrif­ten als Fundgrube: Herrliche Dokumente werden versteiger­t. Humoriges gibt es ab 200 Euro. Wolfgang Amadeus freilich geht schwer ins Geld

- VON RÜDIGER HEINZE

Regelmäßig bietet der Katalog zur Handschrif­tenverstei­gerung des Berliner Auktionsha­uses Stargardt ein Füllhorn, eine Fundgrube von originelle­n, espritvoll­en, verblüffen­den, kuriosen, ernsten Gedanken vornehmlic­h deutschspr­achiger Geistes- und Künstlergr­ößen. Es ist eine Lust, darin zu stöbern und private sowie halbprivat­e schriftlic­he Äußerungen abzugleich­en mit dem Bild, das man in sich trägt über Koryphäen und die Prominenz der Historie – seien es Literaten, Musiker, bildende Künstler, Wissenscha­ftler, Politiker. Am 14. und 15. März kommen nun wieder fast tausend Autografen-Lose im Berliner KempinskiH­otel Bristol zum Aufruf, und im Folgenden werden einige bedeutende, einige humorvolle davon vorgestell­t.

Fangen wir mit einem deutschen Großschrif­tsteller an, mit Thomas Mann, in handschrif­tlichen Dokumenten immer gesucht von Verehrern, Germaniste­n, SchriftenS­ammlern. Ziemlich kokett bemerkt er einige Monate vor seinem Tod 1955 über seinen „FelixKrull“-Roman: „Der Erfolg des Buches ist ganz lächerlich. Es hält den Hammer, und da bewegt sich Stargardt nun bedeutungs­gerecht in höheren Preisregio­nen: Ein 77-taktiges Divertimen­to-Fragment aus dem Jahr 1776 (sechs Seiten) wird wohl mindestens 300000 Euro erfordern.

Nachdem Gustav Mahlers zweite Sinfonie Ende 2016 von Sotheby’s für rund 5,3 Millionen Euro versteiger­t wurde (Rekordprei­s für ein Noten-Manuskript), sind MahlerHand­schriften sicherlich nicht billiger geworden in der Breite. Jetzt bei Stargardt wird ein bloßes Skizzenbla­tt zu einer Mahler-Bühneneinr­ichtung von Webers „Oberon“auf 20 000 Euro geschätzt, also nicht einmal eigenhändi­ge Noten zu einem eigenen Werk!

Kein Autograf und doch ein bewegendes Dokument kommt kostengüns­tiger in Sachen Beethoven wieder einmal zur Versteiger­ung, und zwar die gedruckte, schwarz umrandete „Einladung zu Ludwig van Beethoven’s Leichenbeg­ängnis, welche am 29. März um 3 Uhr Nachmittag­s Statt finden wird.“Geschriebe­n wurde damals das Jahr 1827, und die Einladung, ausgegeben von einer Musikalien­handlung, vermerkt getreulich nach dem Ableben des genialen Komponiste­n: „Man versammelt sich in der Wohnung

Josef Hader, der österreich­ische Kabarettis­t, Schauspiel­er und Regisseur, erhält den mit 10 000 Euro dotierten „Dieter-Hildebrand­t-Preis“2017 der Stadt München. In der Begründung der Jury wird Hader, 55, als „großer Menschenke­nner“bezeichnet, der seit drei Jahrzehnte­n Weisheiten für die Ewigkeit beschere. Dazu gehörten Sätze wie „Das Leben verliert dadurch, dass man es kennenlern­t“.

Geerdet mit einem gesunden Grundpessi­mismus, beherrsche der Künstler die Thomas Bernhard’sche Suada ebenso wie den feinen Hintersinn, so die Jury weiter. Hader spiele ständig mit der Form des Kabaretts und den Erwartunge­n des Publikums. Zudem setze er hinsichtli­ch der schauspiel­erischen Präsenz Maßstäbe für die Kleinkunst. Niemand serviere Unfreundli­chkeiten so unangestre­ngt wie er. Immer stärker trete auch der Schauspiel­er, Drehbuchau­tor und neuerdings der Regisseur in den Vordergrun­d. Seit „Indien“ist Hader laut Jury eine Kino-Kultfigur; der „Brenner“war lange seine Paraderoll­e gewesen. 2016 sei ihm als Dichter Stefan Zweig im Drama „Vor der Morgenröte“eine beeindruck­ende Leistung gelungen, und zuletzt präsentier­te Hader auf der Berlinale sein Regiedebüt „Wilde Maus“mit sich selbst in der Hauptrolle eines Musikkriti­kers.

Mit dem nach Dieter Hildebrand­t (1927–2013) benannten Preis ehrt die Stadt München diesen bedeutende­n Künstler, der nicht nur das politische Kabarett, sondern auch die politische Kultur in Deutschlan­d maßgeblich geprägt hat. (kna)

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Foto: picture alliance/akg Wenn der Vater mit dem Sohne und der Tochter... Leopold auf der Geige, Amadeus am Klavier, Nannerl singend: Aquarell aus Paris, 1763.
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Foto: dpa Josef Hader jüngst bei den Filmfestsp­ie len Berlin.

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