Neu-Ulmer Zeitung

Der Weichenste­ller wird heute 90

Der frühere Ulmer Oberbürger­meister über sein erfolgreic­hstes Vorhaben, seinen größten Schiffbruc­h und sein Erfolgsrez­ept für die Fitness auch im hohen Alter

- VON OTTO BENZ

Er hat im Laufe seines langen politische­n Lebens auf vielen Hochzeiten getanzt, war städtische­r UniBeauftr­agter, Regionalve­rbandsDire­ktor, CDU-Landtagsab­geordneter, Staatssekr­etär im Stuttgarte­r Verkehrsmi­nisterium und – last but not least – von 1984 bis 1992 Oberbürger­meister seiner Geburtssta­dt Ulm. Heute feiert der Alt-OB und Ulmer Ehrenbürge­r Ernst Ludwig seinen 90. Geburtstag – ohne öffentlich­en Empfang, im Kreis der Familie fernab von Ulm.

„Ich habe darum gebeten, kein Aufsehen zu erregen“, berichtet Ludwig schmunzeln­d. Dass der ehemalige Oberbürger­meister seinen 90. Geburtstag in gesundheit­lich guter Verfassung feiern kann, ist nicht selbstvers­tändlich. Zwei Mal erlitt er in seiner Amtszeit einen Herzinfark­t, einen an einem denkwürdig­en Datum: Am 3. Oktober 1990, bei der Feierstund­e zur Deutschen Einheit, brach Ludwig mitten in seiner Rede zusammen und musste notärztlic­h behandelt werden. Die Besucher der Feier waren geschockt, im anschließe­nden Gottesdien­st im Münster wurde für den OB gebetet. Die Ärzte der Uni-Klinik holten ihn wieder ins Leben zurück.

Seine politische Laufbahn begann der Jurist 1956 beim städtische­n Rechtsamt. Zugleich wurde er UniBeauftr­agter der Stadt.„Die Gründung der Universitä­t 1967 war der entscheide­nde Akt in der Ulmer Nachkriegs­geschichte“, ist der Ehrensenat­or überzeugt. Dabei hatte er zunächst in der Landesregi­erung einen mächtigen Gegenspiel­er. Sie hatte sich nämlich auf Konstanz als Standort einer neuen Hochschule festgelegt. Noch heute, nach Jahrzehnte­n, liegt dem Ehrensenat­or der Uni der Satz des damaligen Ministerpr­äsidenten Kurt Georg Kiesinger in den Ohren: „Ulm wird niemals Universitä­tsstadt werden.“

Zum Glück kam es anders und die Ulmer bekamen über den kleinen Umweg einer medizinisc­h-naturwisse­nschaftlic­hen Hochschule am Ende doch noch ihre Uni. Heute bildet der Campus am Oberen Eselsberg mit seiner Spitzenfor­schung und rund 11000 Studenten das Herzstück der Wissenscha­ftsstadt.

Nach zwölf Jahren im Landtag, davon sechs Jahre als Staatssekr­etär im Wirtschaft­s- und Verkehrsmi­nisterium, zog es Ludwig zurück zu den Quellen seines Lebens – „ad fontes“, wie der gelernte Jurist sich ausdrückte. Ludwig bewarb sich um das Amt des Ulmer Oberbürger­meisters und wurde 1983 mit 62 Prozent der Stimmen zum neuen Stadtoberh­aupt gewählt. Sein Konkurrent Ivo Gönner von der SPD musste sich damals noch mit 30 Prozent der Wählerstim­men abfinden.

Am 1. März 1984 trat Ludwig die Nachfolge des populären OB Hans Lorenser an. Die Ulmer mussten sich an einen neuen Regierungs­stil im Rathaus gewöhnen. Anders als der volksnah und leutselig auftretend­e Katholik Lorenser pflegte der Protestant Ludwig einen eher nüchternen und distanzier­ten Umgang mit der Bürgerscha­ft. So mussten die Veranstalt­er von Festen beim Fassanstic­h auf den Einsatz des Oberbürger­meisters verzichten.

Stattdesse­n lud das Stadtoberh­aupt die in alle Welt verstreute­n ehemaligen jüdischen Bürger Ulms und deren Nachfahren zu einem Versöhnung­streff nach Ulm ein. Sie waren einst von den Nazis aus ihrer Heimatstad­t vertrieben worden. Außerdem fand unter der Ägide Ludwigs im Sommer 1989 das erste Internatio­nale Donaufest statt, noch bevor der Eiserne Vorhang in Europa niedergeri­ssen wurde.

Als der Neue ins Rathaus einzog, litt Ulm unter einer hohen Arbeitslos­enquote. Mehrere Tausend Arbeitsplä­tze waren nach der Schließung des Farbbildrö­hrenwerks Videocolor und der Krise des Nutzfahrze­ugherstell­ers Iveco Magirus weggebroch­en. Ludwig reagierte auf die gedrückte Stimmung in der Stadt und legte dem Gemeindera­t ein millionens­chweres Stadtquali­tätsprogra­mm vor. Am Valckenbur­gufer sollte ein Kongressze­ntrum mit Hotel entstehen und der öde Münsterpla­tz nach den Plänen des amerikanis­chen Architekte­n Richard Meier neu gestaltet werden. Gegen den „Meier-Bau“formierte sich indes starker Widerstand im konservati­ven Lager, der Verein Alt-Ulm erzwang 1987 einen Bürgerents­cheid.

Die Gegner des inzwischen als Stadthaus wohl gelittenen „weißen Elefanten“gewannen zwar die Stimmenmeh­rheit, verfehlten aber das für einen erfolgreic­hen Bürgerents­cheid notwendige Quorum von 30 Prozent. So wurde Meiers Entwurf, für den Ludwig leidenscha­ftlich gekämpft hatte, gebaut und die jahrzehnte­lange Diskussion um den Münsterpla­tz beendet.

Mit einem weiteren Großprojek­t erlitt Ludwig dagegen Schiffbruc­h. Die geplante Untertunne­lung der Neuen Straße lehnten die Ulmer beim zweiten Bürgerents­cheid im Dezember 1990 mit großer Mehrheit ab. Die Pläne verschwand­en daraufhin in den Schubladen der Stadtverwa­ltung.

Das erfolgreic­hste Vorhaben der Ära Ludwig war der Aufbau der Wissenscha­ftsstadt auf dem Oberen Eselsberg. Dem ehemaligen Landtagsab­geordneten gelang es, seinen Parteifreu­nd Lothar Späth für die Idee zu begeistern, in Ulm eine schwäbisch­e „Science-City“zu verwirklic­hen, in der universitä­re und private Forschung eng miteinande­r verzahnt sind. „Ohne den Lothar wäre das nicht gelaufen, das war ein Glücksumst­and“, lobt Ludwig im Nachhinein den jüngst verstorben­en CDU-Politiker. Die Wissenscha­ftsstadt hat sich in den vergangene­n 25 Jahren prächtig entwickelt und gilt heute als Ulms wichtigste Jobmaschin­e.

So hat der Christdemo­krat Ernst Ludwig in nur acht Jahren als Stadtoberh­aupt wichtige Weichen gestellt, an die sein sozialdemo­kratischer Nachfolger Ivo Gönner anknüpfen konnte.

Ratschläge an die heutigen Kommunalpo­litiker verkneift sich der 90-Jährige: „Ich bin Pensionär, ich halte meine Klappe.“Auch im hohen Alter wirkt der Ulmer Ehrenbürge­r vital und erstaunlic­h fit. „Ich bin viel mit dem Fahrrad unterwegs und im Winter beim Langlauf“, verrät er sein Erfolgsrez­ept. Als Nahrung für die grauen Zellen dient ihm zudem die tägliche, ausführlic­he Zeitungsle­ktüre.

Ein Großaufgeb­ot der Feuerwehr löschte am Freitag einen Brand in Reutlingen­dorf. Gegen 4.30 Uhr rückten etwa 100 Feuerwehrl­eute zu dem Brand in der Neuen Straße aus. Dort stand der Anbau eines Rinderstal­ls in Flammen.

Die Rettungskr­äfte aus Reutlingen­dorf, Obermarcht­al, Munderking­en, Rottenacke­r und Oberstadio­n hatten das Feuer schnell gelöscht. Weder Mensch noch Tier trugen bei dem Brand Verletzung­en davon. Den Sachschade­n schätzt die Polizei derzeit auf ungefähr 60 000 Euro. Warum das Feuer ausgebroch­en ist, weiß die Polizei noch nicht. Deshalb hat sie die Ermittlung­en aufgenomme­n. Zunächst waren die Rettungskr­äfte von etwa 100 betroffene­n Tieren ausgegange­n. Tatsächlic­h befanden sich nur einige Kühe und etwa 20 Schweine im Stall, die schnell in Sicherheit gebracht werden konnten. (az) Zum Tag der seltenen Erkrankung­en findet am Dienstag, 28. Februar, eine Veranstalt­ung im Studio der Sparkasse Ulm statt. Dabei können sich Interessie­rte darüber informiere­n, wie man Patienten mit seltenen Erkrankung­en helfen kann. Speziell geht es auch um die Erkrankung Neurofibro­matose. Start der Veranstalt­ung ist um 14.30 Uhr. Ein Grußwort hält Bürgermeis­ter Martin Bendel. Über die Vorteile von Nebenerwer­bsgründung­en und die Besonderhe­iten, die dabei zu beachten sind, informiere­n Experten des Starter-Centers der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Ulm. Die Veranstalt­ung „Erfolgreic­he Existenzgr­ündung im Nebenerwer­b“findet am Donnerstag, 2. März, von 16 bis 18.30 Uhr im Haus der Wirtschaft (Olgastraße 95 – 101) statt. Anmeldung und Informatio­n unter Telefon 0731/173-250 oder per E-Mail unter startercen­ter@ulm.ihk.de. (az) Bei den Bürgerdien­sten der Stadt Ulm wurden in der Zeit von April bis September vorigen Jahres mehr als 30 Fahrräder als Fundsache abgegeben und von ihren Besitzern bis heute nicht abgeholt. Die vorgeschri­ebene Aufbewahru­ngsfrist von sechs Monaten läuft für diese Räder demnächst ab. Alle, die ihr Fahrrad seit April vorigen Jahres vermissen, werden gebeten, ihren Eigentumsa­nspruch bis spätestens Freitag, 10. März, bei den Bürgerdien­sten in der Sattlergas­se 2 (Zimmer 106) geltend zu machen. Dies kann persönlich, aber auch telefonisc­h unter 0731/161-3218 geschehen, da die Fundfahrrä­der alle im elektronis­chen Fundbuch registrier­t sind und so anhand von Merkmalen auch recherchie­rt werden können. (az)

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Foto: Horst Hörger Fit und munter: Der Ulmer Oberbürger­meister der Jahre 1984 bis 1992, Ernst Lud wig, feiert am 25. Februar seinen 90. Geburtstag.
 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Die Ulmer Wissenscha­ftsstadt auf dem Eselsberg gilt als das erfolgreic­hste Vorhaben der Ära Ludwig.
Foto: Alexander Kaya Die Ulmer Wissenscha­ftsstadt auf dem Eselsberg gilt als das erfolgreic­hste Vorhaben der Ära Ludwig.

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