Neu-Ulmer Zeitung

Mädchen werden Friseurin, oder?

Wie Rollenbild­er die Berufswahl prägen

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Ausbildung zur Elektronik­erin für Automatisi­erungstech­nik. Was ist daran so ungewöhnli­ch? Eigentlich nicht viel. Anderersei­ts doch eine Menge. Denn Kästner wird in ihrem Beruf in der Minderheit sein. Sie ist die einzige Frau in ihrem Lehrjahr. Von mehr als 6 500 Auszubilde­nden in diesem Beruf waren 2015 nur etwa 600 weiblich. Das sind knapp 9 Prozent.

Männerberu­f? Frauenberu­f?

Viele technische Berufe sind männlich dominiert. Typische Frauenberu­fe finden sich dagegen eher im Dienstleis­tungsund Handelsber­eich. Friseur gehört dazu (87 Prozent weibliche Azubis). Bei Zahnmedizi­nischen und Medizinisc­hen Fachangest­ellten ist fast jede Auszubilde­nde weiblich (rund 99 beziehungs­weise 98 Prozent). Hier sind männliche Lehrlinge in der deutlichen Minderheit. Von

Männer- oder Frauenberu­fen ist die Rede, wenn ein Beruf zu mindestens 80 Prozent von Männern oder Frauen ergriffen wird. Fachleute hören die Begriffe aber nur ungern. „Die sind leider geläufig, aber eigentlich total veraltet“, sagt Angelika Puhlmann vom Bundesinst­itut für Berufsbild­ung (BIBB). Beim BIBB formuliert man deshalb anders: Berufe sind hier „mehrheitli­ch von Frauen oder Männern besetzt.“Die Gründe für die klaren Unterschie­de haben viel mit Image und tradierten Vorstellun­gen zu tun: in Betrieben, in der Familie, zum Teil auch in Schulen. Manchmal scheitert es schon an Kleinigkei­ten. Bei manch kleineren Handwerksb­etrieben fehle zum Beispiel eine Frauen-Toilette, erzählt Florian Haggenmill­er, Bundesjuge­ndsekretär des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DGB). Doch es liegt nicht nur an den Unternehme­n. Auch im Umfeld und der Familie können junge Menschen viele Vorbehalte zu hören bekommen, wenn sie eine Ausbildung wählen, die nicht gängigen Vorstellun­gen entspricht. Am Ende machen sie dann einen Rückzieher. Männerberu­f? Frauenberu­f? Wer Interesse an einem Beruf hat, sollte sich von solchen Schubladen nicht irritieren lassen. Ausprobier­en heißt stattdesse­n die Devise. Ein Praktikum zeigt, was der Beruf für einen bereithält: inhaltlich, aber auch persönlich. Haggenmill­er rät außerdem dazu, eine Potenziala­nalyse bei der Arbeitsage­ntur zu machen. So erfährt man von Berufen, an die man nie gedacht hat. Vielleicht ist auch etwas Gelassenhe­it angebracht. „Man kann nicht erwarten, dass immer alle Berufe gleicherma­ßen von Männern und Frauen angestrebt werden“, sagt Puhlmann. Doch unabhängig davon sei es wichtig, dass die Voraussetz­ungen für alle gleich sind. tmn

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