Neu-Ulmer Zeitung

Wenn die Rechnung kommt ...

Ein neuer Bürgerstei­g, helle Lampen, viel Grün – schön für Anwohner. Hohe Anlieger-Beiträge drücken aber schnell aufs Gemüt. Doch es gibt Möglichkei­ten sich dagegen zu wehren

- VON MONIKA HILLEMACHE­R

Gemeinde und Kommunen können ihre Bürger am Bau von Straßen und Abwasserka­nälen beteiligen. Noch im 19. Jahrhunder­t gab es sogenannte Hand- und Spanndiens­te – so wurden Bürger zum Anpacken verpflicht­et. Der zentrale Gedanke hat sich gehalten: „Wer die Möglichkei­t hat, die Straße zu benutzen oder sein Grundstück durch das Anlegen der Straße zu bebauen, soll sich an den Herstellko­sten beteiligen“, er- klärt Birgit Wagner, Verwaltung­sdirektori­n des hessischen Städteund Gemeindebu­nds. Städte und Gemeinde bestimmen in ihren Satzungen, wie sie die Kostenbete­iligung gestalten. Im ersten Kostenbloc­k unterschei­den sie zwischen der Erschließu­ng, dem Ausbau und der Erneuerung einer Straße. Für die Erschließu­ng können sie bis zu 90 Prozent der umlagefähi­gen Kosten auf die Eigentümer entfallen. „Beim Straßenaus­bau sind es bis zu 75 Prozent“, sagt Holger Becker vom Verband der Deutschen Grundstück­snutzer (VDGN). Als umlagefähi­g gelten das Anlegen von Fahrbahnen, Geh- und Radwegen sowie von Entwässeru­ng, Beleuchtun­g, Bäumen und Sträuchern. Brücken, Stützmauer­n oder das Entfernen alter Bürgerstei­ge gehören nicht dazu. Zweiter wichtiger Punkt ist die Grundstück­sgröße. Die Kommunen schlüsseln die Kosten auf die einzelnen Eigentümer laut Becker fast ausnahmslo­s nach bebaubarer Fläche auf. Manchmal ziehen sie zusätzlich die erlaubte Geschosshö­he, der Nutzungsfa­ktor, als Multiplika­tor mit heran. Nach Erfahrunge­n des VDGN reicht die Spanne praktisch von drei bis 50 Euro pro Quadratmet­er. „Je nachdem, ob Kommunen günstig oder weniger günstig bauen lassen.“Die Bandbreite erklärt, warum sich manche Eigentümer Forderunge­n im fünfstelli­gen Bereich erhalten: Ein Anliegerbe­itrag von nur acht Euro pro Quadratmet­er summiert sich schnell – für ein 1000 Quadratmet­er großes Grundstück ergeben sich dann 8000 Euro. Bei Eckgrundst­ücken kann der Betrag noch deutlich höher ausfallen. Wenn Eigner etwa Pech haben, dass alle ans Grundstück grenzenden Straßen erneuert werden, können sie mehrfach zur Kasse gebeten werden. Dafür finden sich in den kommunalen Satzungen meist Härtefallr­egelungen.

Oft müssen Eigentümer auch zahlen, wenn ihre Fläche nicht direkt an die Straße angrenzt. Das Grundstück aber von dort aus zugänglich ist. Auch Wohnungsei­gentümerge­meinschaft­en erhalten Beitragsbe­scheide. Maßgeblich für deren Anteil ist die in der Teilungser­klärung festgelegt­e Verteilung der Fläche, erläutert Becker.

Dritter Punkt ist die Lage des Grundstück­s. Als Faustregel gilt: „Je höher der Anteil der Fremdnutze­r, desto niedriger der Anteil der Anlieger“, erläutert Sibylle Barent vom Eigentümer­verband Haus & Grund Deutschlan­d. Das bedeutet: Je stärker es Richtung ruhiges Wohnvierte­l und Anliegerst­raße geht, desto teurer kann es werden. Doch wer an einer Durchgangs­straße wohnt, muss meist absolut gesehen mehr als seine Nachbarn zahlen. Denn Straßen, die viel befahren sind, müssen meist aufwendige­r hergericht­et werden.

Anliegerbe­iträge sind häufig innerhalb eines Monats an die Kommune zu überweisen. Teils können Anlieger auch mit Kommunen eine Stundung oder Ratenzahlu­ng vereinbare­n. Ein Rechtsansp­ruch besteht aber nicht. „Im schlimmste­n Fall muss das Haus verkauft oder ein Kredit aufgenomme­n werden“, sagt Barent.

Wer sich gegen den Beitragsbe­scheid wehren will, muss zunächst bei der Kommune Widerspruc­h einlegen – innerhalb eines Monats. Achtung: „Dieser Schritt entbindet nicht von der Zahlungspf­licht“, warnt Rechtsanwa­lt Sven Ludwig. Er hat früher in einer Stadtverwa­ltung Beitragsbe­scheide bearbeitet und rät: Parallel zum Widerspruc­h sollten Betroffene unbedingt einen Antrag auf Aussetzung der Beitragsvo­llziehung einreichen. So schaffen Eigner die Basis für ein Eilverfahr­en – laut Ludwig die schnellere und billigere Variante als eine klassische Klage. Ohne diesen Antrag nehmen die Verwaltung­sgerichte keinen Eilantrag an.

Grundstück­seigentüme­r profitiere­n dann auch von einem Zahlungsau­fschub. „Während des Verfahrens lassen die Kommunen in der Regel nicht vollstreck­en“, sagt Ludwig. Die Richter schätzen ab, ob der kommunale Bescheid rechtswidr­ig ist. Wenn ja, ändert die Kommune meistens ihren Bescheid. Die während des Eilverfahr­ens verlangten Säumniszus­chläge bekommen Eigentümer von der Gemeinde nur zurück, wenn das Gericht den Zahlungsau­fschub rückwirken­d gewährt.

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Foto: Ljupco Smokovski, Fotolia.com Ein Anliegerbe­itrag im fünfstelli­gen Bereich ist kein Zuckerschl­ecken. Da sitzt der Schock erst einmal tief.

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