Neu-Ulmer Zeitung

Hier entsteht Zukunft

Vor 50 Jahren wurde die Universitä­t Ulm gegründet. Ein Blick mit Präsident Michael Weber auf einige ungewöhnli­che Forschungs­projekte, bei denen die Einrichtun­g eine führende Rolle hat

- VON LUDGER MÖLLERS

Als vor 50 Jahren die Universitä­t Ulm gegründet wurde, hatte wohl keiner der Gründervät­er eine Vision von weltweit nachgefrag­ten Hightech-Lösungen vom Ulmer Eselsberg im Sinn. Damals, vor einem halben Jahrhunder­t, dachte niemand daran, dass die traditione­ll produziere­nden Firmen aus dem Donautal überflüssi­g werden könnten. Im Donautal, beispielsw­eise bei Magirus, wurden schwere Lkw gebaut.

Auf dem Eselsberg sollte 1967 eine Reform-Universitä­t nach amerikanis­chem Vorbild entstehen: Forschung, Lehre, Anwendung nah beieinande­r. Heute steht die Universitä­t Ulm mit der Wissenscha­ftsstadt für weltweit anerkannte und nachgefrag­te Forschung und Lehre. Spitze sind die Ulmer Wissenscha­ftler beim Autonomen Fahren, dem sauberen und leisen Fliegen, in der Batteriefo­rschung und bei der Behandlung von Traumapati­enten.

Ortstermin, Flughafen Stuttgart, Ende September 2016: Das Hybridflug­zeug HY, das weltweit erste viersitzig­e Passagierf­lugzeug mit Brennstoff­zellenTech­nik bestreitet seinen Erstflug erfolgreic­h. Nach einer knapp zehnminüti­gen Platzrunde über dem Landesflug­hafen von Baden-Württember­g kehrt das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Universitä­t Ulm entwickelt­e Hybridflug­zeug sicher zum Boden zurück. An Bord sind zwei Testpilote­n sowie zwei simulierte Passagiere. Denkbar sei in einigen Jahren sein Einsatz als Lufttaxi zwischen Regionalfl­ughäfen, sagte DLR-Projektlei­ter Professor Josef Kallo. „Elektrisch­e Antriebe haben eine niedrige Lärm- und Emissionsb­elastung und sind daher besonders für kürzere Strecken geeignet.“Die Forscher wollen in den nächsten 25 Jahren einen 40-sitzigen Flieger mit einer Reichweite von 1000 Kilometern entwickeln.

Professor Michael Weber, seit 2015 Präsident der Universitä­t Ulm, weist gerne auf solche Erfolge wie die seines Kollegen Professor Josef Kallo hin, wenn er über die „Forschungs­universitä­t Ulm“im Jubiläumsj­ahr 2017 spricht. „Möglich werden diese Erfolge dadurch, dass diese Universitä­t kurze Wege hat und die Forscher aus den betroffene­n Bereichen quasi unter einem Dach arbeiten.“Die Traumafors­chung bietet gute Beispiele für diese Zusammenar­beit: „Nach einem Unfall leidet der Patient unter physischen und womöglich auch psychische­n Traumata“, berichtet Weber, „er benötigt Unfallchir­urgen und vielleicht auch Psychiater und Psychologe­n.“So weit, so klassisch, so dramatisch beispielsw­eise für Soldaten, die verletzt aus einem Einsatz zurückkehr­en.

Neue Ansätze sind gefragt, wenn geflüchtet­e Patienten mit ihren Traumata nach Vertreibun­g,

Flucht, Gewalt, vielleicht Tod und Verletzung behandelt werden: „In diesen Fällen sind Mediziner, Biologen, Biophysike­r und Biomedizin­er gefragt“, weiß Weber, „die Kooperatio­n erstreckt sich dann von der Universitä­t über die Uniklinik und das Bundeswehr­krankenhau­s zu den Universitä­ts- und Rehabilita­tionsklini­ken Ulm.“100 Wissenscha­ftler seien in der Traumafors­chung tätig.

Die „Forschungs­universitä­t Ulm“findet mit ihren Leistungen internatio­nal Anerkennun­g: Mehr als 10 000 Studenten aus 104 Nationen sind auf dem Eselsberg eingeschri­eben. Im Vergleich der Universitä­ten, die jünger als 50 Jahre sind,

steht Ulm weltweit auf dem 13. Rang des angesehene­n THE Rankings. Der 98. Platz unter Unis in Europa, viele davon mit jahrhunder­telanger Tradition, ist ein herausrage­ndes Ergebnis.

Derzeit bereiten sich Forscher aus drei Bereichen auf den Wettbewerb um das neue Programm der Exzellenzs­trategie vor. Bund und Länder wollen die Forscher-Elite ab 2019 jährlich mit gut einer halben Milliarde Euro unterstütz­en. Eine Exzellenzk­ommission entscheide­t dann darüber, wer tatsächlic­h gefördert wird. In dieser Kommission habe die Wissenscha­ft mehr Stimmen als die Politik. 200 Projekte für

sogenannte Exzellenz-Cluster gehen ins Rennen, drei davon kommen aus Ulm. Universitä­tspräsiden­t Weber blickt aus: „Wir werden uns mit drei Anträgen bewerben: der Batteriefo­rschung, der Traumafors­chung und – in der Geburtssta­dt Albert Einsteins – der Quantenphy­sik.“45 bis 50 Projekte, so rechnet Weber, werden am Ende gefördert: „Wir sind zuversicht­lich, ein oder mehrere Cluster zu erhalten“, so Weber. Die Universitä­t Ulm weise Parallelen zur Region und zur Stadt Ulm auf: „Hier sind auch viele Firmen unterwegs, sogenannte ,Hidden Champions’, also versteckte Meister, die in ihrer Nische Weltspitze sind – und so ist es auch mit der Uni!“

Weltweit erfolgreic­he Unternehme­n wie Magirus in der Feuerwehrt­echnik seien nicht direkt vergleichb­ar mit den Wissenscha­ftlern in der Quantenphy­sik: „Aber die Mentalität der Menschen, Lösungen zu entwickeln, zu tüfteln und zu forschen, ist hier wie dort sehr ausgeprägt.“

Immer stärker angefragt werden die Batteriefo­rscher. Derzeit kommen Elektro-Autos mit einer tatsächlic­h nutzbaren Reichweite von 350 Kilometern auf den Markt: Vor zwei, drei Jahren noch undenkbar, ist die Technologi­e bald im Opel Ampera serienreif.

In der Wissenscha­ftsstadt beschäftig­en sich rund 300 Forscher mit dem Thema Batterie. Im Helmholtz-Institut für Elektroche­mische Energiespe­icherung, das vom Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT) und der Uni Ulm getragen wird, und dem Zentrum für Sonnenener­gieund Wasserstof­f-Forschung Baden-Württember­g (ZSW) baut die Donaustadt das Image der „Batterie-Hochburg“aus. Damit wird die gesamte Breite der Batteriefo­rschung

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Foto: Alexander Kaya Ein Blick auf die Ulmer Wissenscha­ftsstadt (im Vordergrun­d ist der Berliner Ring zu sehen) mit dem Daimler Forschungs­zentrum, der Universitä­t Ulm und dem Bundeswehr­krankenhau­s weiter hinten.
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Michael Weber

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