Im Schulz Rausch
Vor ein paar Wochen war die SPD noch eine hoffnungslose Partei. Dann kam Martin Schulz. Und sagte, dass er Kanzler werden will. Beim Politischen Aschermittwoch wird er bejubelt wie ein Rockstar. Und man fragt sich: Was finden die Leute bloß an ihm?
Martin Schulz ist nicht der Typ, nach dem sich die Leute umdrehen, wenn er einen Raum betritt. Wären da nicht all die Fotografen um ihn herum, man würde kaum Notiz von ihm nehmen, als er ins Bierzelt von Vilshofen kommt. Martin Schulz ist Durchschnitt. Der Anzug, die Brille, der Bart, die Stimme, ja sogar der Name: alles Durchschnitt. Und um diesen Mann zu feiern, steigen Jugendliche auf Biertische? Schwenken Damen mittleren Alters rote Fähnchen und johlen wie Groupies bei einem Rockkonzert? Innerhalb von ein paar Wochen hat er aus der bemitleidenswerten SPD eine Partei gemacht, die im September die Bundestagswahl gewinnen kann. Kein Witz. Und nicht nur die politische Konkurrenz fragt sich: Was finden die Leute bloß an diesem Martin Schulz?
Ingrid und Winfried Bergmann haben eine Antwort. Sie werden beide in diesem Jahr 80 und sind „früher mal SPDler gewesen“, wie sie erzählen. Aber das ist ziemlich lange her. Beim Politischen Aschermittwoch waren sie noch nie, obwohl sie in Vilshofen wohnen. Dass sie jetzt schon morgens um 8 Uhr hier ans Donauufer gekommen sind, liegt ausschließlich am Kanzlerkandidaten. „Er spricht Themen an, die in den letzten Jahren untergegangen sind“, sagt Winfried Bergmann. Seine Frau, die betont, ihr Großvater mathematische Verständnis des CSU-Generalsekretärs, der behauptet hatte, beim Aschermittwoch seiner Partei seien „gefühlt 10000 Leute“, hat er noch ein paar spöttische Worte übrig: „Ich habe gelesen, die gefühlte Mehrheit sitzt in Passau. Ich glaube, die tatsächliche Mehrheit sitzt hier.“Stammtisch eben. Doch politische Wettbewerber sind für Schulz keine Feinde – nicht mal am Aschermittwoch. „Wir kämpfen mit harten Argumenten, aber nicht mit persönlichen Beleidigungen“, heißt sein Credo.
Er will nicht mitmachen beim Schüren von Hass, Wut und Ängsten. Doch genau genommen spielt auch Schulz mit den so oft bemühten „Sorgen der Bürger“. Nicht mit der Angst vor Flüchtlingen, dem Islam oder dem Terror. Aber mit der Angst vor sozialem Abstieg, mit der Angst, auf der Strecke zu bleiben. Dass er nun Teile der erfolgreichen Agenda 2010 infrage stellt und die SPD „entschrödern“will, wie der Spiegel neulich schrieb, hält der Wahlkampf-Experte Frank Stauss für ein wohlkalkuliertes Manöver. „Der Aufschrei war groß. Aber ich glaube, dass man nicht viele Leute finden wird, die es für richtig halten, dass Menschen, die ihr ganzes Leben gearbeitet haben, bei Jobverlust so schnell in Hartz IV abrutschen. Oder dass junge Leute von einem befristeten Job in den nächsten weitergereicht werden“, sagt Stauss im Gespräch mit unserer Zeitung. Dass Kritiker Schulz wegen seiner Verheißung