Neu-Ulmer Zeitung

Dokument der Angst statt des Aufbruchs

- VON DETLEF DREWES dr@augsburger allgemeine.de

Wenn es noch eines Beweises für die innere Zerrissenh­eit der EU bedurft hätte, dann hat der Kommission­spräsident ihn mit seinem Weißbuch zur Zukunft der Gemeinscha­ft geliefert. Das ist keine mutige Vision einer Union, die sich trotzig dem Brexit eines gewichtige­n Mitglieds entgegenst­ellt, die den Zweiflern und Kritikern die Erfolge und das Potenzial vorhält. Jean-Claude Junckers Szenarien sind aus Angst vor Streit nur behutsame Andeutunge­n.

Anstatt Reformen anzumahnen – übrigens auch bei der Institutio­n, für die Juncker selbst steht – und Perspektiv­en aufzuzeige­n, verliert sich dieser Entwurf in Harmlosigk­eiten. Bedrohlich­e Risiken scheinen nur zwischen den Zeilen durch. Ja, der Kommission­spräsident wollte keinem der 27 europäisch­en Staats- und Regierungs­chefs wehtun, bemühte sich um das Kunststück, nicht in die Wahlkämpfe wichtiger Mitgliedst­aaten einzugreif­en und nur ja nicht zu konkret zu werden. Dass er es nicht einmal gewagt hat, seinen Weg für die Zeit bis 2025 hervorzuhe­ben, sagt viel.

Inzwischen haben viele Menschen das Gefühl, die Europäisch­e Union sei nicht die Lösung, sondern ein Teil des Problems. Dass Juncker dies nicht aufgegriff­en hat, macht sein Papier zu einem zwar beachtensw­erten, aber letztlich eben doch harmlosen Beitrag zur Diskussion über das Europa nach dem Austritt der Briten.

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