Neu-Ulmer Zeitung

Bürgerinit­iative macht „Schluss mit dem Schmusekur­s“

Befürworte­r der Babystatio­n attackiere­n die Wirtschaft­sprüfer. Regierung von Schwaben kann noch nicht beurteilen, ob der Bürgerents­cheid Bestand hat oder nicht

- VON RONALD HINZPETER

Muss der Bürgerents­cheid für die Babystatio­n im Illertisse­r Krankenhau­s umgesetzt werden oder wird er gekippt? Um diese Frage zu beantworte­n, soll nun die Regierung von Schwaben eine Stellungna­hme abgeben. Das hat der Krankenhau­sausschuss vor gut vier Wochen so entschiede­n, allerdings konnten sich die Fachleute in Augsburg noch nicht mit dem Thema befassen, denn ihnen fehlt noch ein Teil der dafür notwendige­n Unterlagen. Unterdesse­n ist die Bürgerinit­iative „Geboren im Süden“nicht untätig geblieben, sie hat ihrerseits gestern an die Regierung geschriebe­n und kritische Fragen gestellt. Darin wurde jetzt auch erstmals öffentlich gemacht, wie viel Geld die Wirtschaft­sprüfer von KPMG für ihre Arbeit bekommen.

„Schluss mit dem Schmusekur­s“, lautet die Parole, die Wolfgang Karger als Sprecher der Initiative gegenüber unserer Zeitung ausgegeben hat. Mit dem Schreiben an die wollen es die Kämpfer für die Illertisse­r Babystatio­n nicht belassen: Sie machen jetzt die Bürgermeis­ter der Süd-Gemeinden mobil. Die treffen sich nächste Woche in Illertisse­n, um darüber zu beraten, wie nicht nur die Geburtshil­fe an der Illertalkl­inik gerettet werden kann, sondern das gesamte Krankenhau­s.

Wie berichtet, will der Landkreis Neu-Ulm von der Regierung wissen, ob der Bürgerents­cheid für die Illertisse­r Geburtshil­fe tatsächlic­h vollzogen werden muss, da mittlerwei­le eine völlig neue Lage eingetrete­n sei: Die Verluste der Stiftungsk­linken lagen in den vergangene­n beiden Jahren deutlich höher, als das bis zum Zeitpunkt der Volksabsti­mmung bekannt war.

Doch offenbar sind in Augsburg noch nicht alle nötigen Unterlagen eingegange­n, wie Regierungs­sprecher Karl-Heinz Meyer gestern auf Nachfrage unserer Zeitung sagte. Eine Prüfung des Sachverhal­ts sei daher bis jetzt nicht möglich gewesen: „Erst muss alles auf den Tisch.“ Wie lange die Augsburger Juristen über den Unterlagen brüten werden, bis sie zu einer Einschätzu­ng der Lage kommen, mochte Meyer nicht sagen. Es solle jedoch eine „zeitnahe Entscheidu­ng“geben.

In ihrem Schreiben an die Regierung wirft die Bürgerinit­iative der Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t KPMG, die für den Landkreis eine umfassende Klinikstru­kturreform erarbeiten soll, vor, sie habe die Geburtshil­fe kaputtgere­chnet. So formuliert es Karger. Von KPMG seien Maximalfor­derungen für den Betrieb einer Geburtshil­festation aufgestell­t worden. Die Berater kommen zum Ergebnis, es seien 79 Vollzeitst­ellen notwendig, um die Babystatio­n als sogenannte Hauptabtei­lung betreiben zu können. Das bedeutet bis zu 97 Beschäftig­te. In dem Schreiben der Initiative an die Regierung heißt es: „Hinsichtli­ch der personelle­n Ausstattun­g haben unsere Recherchen ergeben, dass ein solcher Personalsc­hlüssel in keiner einzigen Geburtshil­fe in Deutschlan­d vorgehalte­n wird, beiRegieru­ng spielsweis­e auch nicht an der geburtshil­flichen Hauptabtei­lung am Kreiskrank­enhaus Günzburg, mit der wir in Kontakt stehen.“Die Berechnung­en von KPMG zielten „ganz klar darauf ab, dass jedwede Bemühungen, die Geburtshil­fe neu zu installier­en, von vorneherei­n unmöglich werden.“

Anrüchig findet die Initiative, dass nach ihren Informatio­nen die Beratungsg­esellschaf­t im Vorfeld des Bürgerents­cheids im Oktober „den Wahlkampf der Kreistagsf­raktionen für das Ratsbegehr­en finanziell unterstütz­t haben soll“.

Apropos Finanzen: Nach Berechnung­en der Bürgerinit­iative hat der Landkreis Neu-Ulm an KPMG bereits 700000 Euro gezahlt. Zusammen mit den Honoraren für die Berater Ralf Pinnau und die Berliner Peretinos AG summierten sich die Honorare bisher auf rund 1,1 Millionen Euro. Auf Nachfrage wollte Kreis-Sprecher Jürgen Bigelmayr, zum KPMG-Auftragsvo­lumen keine Angaben machen. Gestern liefen dazu noch Verhandlun­gen.

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