Eine Frage der Moral
Wer sich als Laie in ein brennendes Haus begibt, um in Not geratene Mitmenschen zu retten, verfolgt ein nobles Ziel. Doch ein solches Handeln ist gleichzeitig höchst riskant. Darauf weisen Feuerwehren und Polizei immer wieder hin, auch im aktuellen Fall der Rettungsaktion in Thal. Denn bei Bränden entsteht gefährlicher Rauch. Er enthält Kohlenmonoxid – ein Atemgift, das zum Erstickungstod führen kann. Das Heimtückische: Das Gas ist farb- und geruchslos. Und bei Feuern in Häusern können Kunstfasern verbrennen, wodurch Gifte produziert werden. Beides kann mit spezieller Ausrüstung festgestellt werden, ist für Nichtfachleute aber nicht erkennbar. So kann für unbedarfte Retter jeder Atemzug der letzte sein. Diesen Risiken setzte sich die Zeitungsausträgerin Yvonne Rauscher aus, als sie am Donnerstag bei dem Brand in dem Haus in Thal beherzt und ohne lange zu überlegen eingriff. Trotz einer Warnung der Rettungsleitstelle drang sie in das Schlafzimmer der hilflosen Rentnerin vor und holte diese aus dem Gebäude. Dabei wurde die Helferin verletzt: Ebenso wie die Seniorin erlitt sie eine Rauchgasvergiftung. Das zeigt, wie gefährlich die Situation war. Allen Bedenken zum Trotz: Am Ende ist die eigenmächtige Rettung gut verlaufen. Das dürfte für alle Beteiligten das sein, was zählt. Ohne das mutige Vorgehen von Yvonne Rauscher hätte die Rentnerin das Feuer möglicherweise nicht überlebt.
Wer sich selbst in Lebensgefahr begibt, um einem anderen Menschen zu helfen, tut das aus freien Stücken: Anders Handelnden ist rechtlich wohl kein Strick zu drehen. Was bleibt, ist allerdings die moralische Frage: Reicht es, den Notruf zu wählen, oder muss ich selbst eingreifen? Das muss jeder für sich selbst beantworten, der in so eine Lage gerät. Rauscher hat das innerhalb weniger Sekunden getan – auf die Feuerwehr zu warten, kam für sie nicht infrage. Das war sehr mutig. Schön, dass es bis auf die leichten Verletzungen ein glückliches Ende gab.