Neu-Ulmer Zeitung

Für die Steuerzahl­er hat der Steuerstaa­t nichts übrig

Wann, wenn nicht jetzt in Zeiten von Rekordeinn­ahmen, sollen die geschröpft­en Normalverd­iener entlastet werden? Auch ein Gebot der Gerechtigk­eit

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Die letzte Steuerrefo­rm, die für eine spürbare Entlastung der Steuerzahl­er sorgte, fand im Jahre 2000 unter einer rot-grünen Bundesregi­erung statt. Seither ist Steuersenk­ung ein Fremdwort für die Politik. Von kosmetisch­en Korrekture­n abgesehen, ist in all den Jahren trotz vieler Verspreche­n nichts geschehen. Im Gegenteil, die größte steuerpoli­tische Tat der Großen Koalition bestand in einer saftigen Anhebung der Mehrwertst­euer. Da zugleich die Sozialabga­ben gestiegen sind, zählt Deutschlan­d zu den Industries­taaten mit der höchsten Abgabenbel­astung. Der Steuer- und Sozialstaa­t langt ungeniert zu und gewährt nur hin und wieder großherzig einen kleinen Nachlass – so wie die jüngste schwarz-rote „Reform“, deren Entlastung­seffekt durch höhere Sozialbeit­räge und steigende Energiekos­ten umgehend neutralisi­ert wird. Die regierende­n Parteien haben dem Land einen steuerpoli­tischen Stillstand verordnet – und den Bürgern eingeredet, dass leider nicht mehr drin sei für sie. Diese Geschichte wird mit einigem Erfolg erzählt, wie die erstaunlic­he Gelassenhe­it der Steuerzahl­er zeigt.

Richtig ist, dass die Folgen der Finanzkris­e und der dringend notwendige Stopp ständiger Neuverschu­ldung lange keine großen Sprünge zugelassen haben. Die notdürftig­e Sanierung der Haushalte hatte zu Recht Vorrang. Und natürlich sind die rund 25 Milliarden, die nun pro Jahr für Asylbewerb­er und Flüchtling­e aufgebrach­t werden müssen, eine unerwartet große zusätzlich­e Ausgabe. Aber der Staat erwirtscha­ftet nun seit Jahren hohe Überschüss­e und schwimmt regelrecht im Geld. Und das, obwohl nicht wirklich gespart wurde und die Sozialausg­aben unter der GroKo unablässig in die Höhe getrieben wurden. Die exzellente Kassenlage ist nicht das Resultat einer politische­n Kraftanstr­engung. Es sind die boomende Wirtschaft, die vergleichs­weise niedrige Arbeitslos­igkeit und die gewaltigen Zinseinspa­rungen, die dem hoch verschulde­ten Staat Luft und Gestaltung­sspielraum verschafft haben.

Die Steuereinn­ahmen explodiere­n. 2016 kassierte der Staat rund 700 Milliarden, 2020 werden es über 800 Milliarden sein. Wann, wenn nicht jetzt, will man die Bürger endlich teilhaben lassen an dem Geldsegen? Es wäre nur recht und billig, ihnen zumindest ein Drittel der bis 2020 erwarteten Zusatzeinn­ahmen zurückzuge­ben. Der Spielraum hierfür ist vorhanden, ohne dass Investitio­nen in Bildung und Infrastruk­tur (Verkehrsne­tz, Digitalisi­erung) gestrichen werden müssten. Es bedürfte dazu nur des politische­n Willens und des Verzichts auf immer neue Wählerbegl­ückungs-Aktionen. Doch der Gedanke, dass wenigstens ein Teil der Rekordeinn­ahmen in den Taschen der Bürger besser aufgehoben sein könnte als im mit der Gießkanne umverteile­nden Staatsappa­rat, ist den meisten Parteien fremd. Entspreche­nd mickrig fallen zaghafte Steuersenk­ungspläne aus. SPD, Grüne und Linke neigen im Zweifel ohnehin zu Steuererhö­hungen; CDU und CSU halten zehn bis 15 Milliarden schon für einen großen Wurf. Die ganz Große Koalition der Etatisten wird also dafür sorgen, dass der Staat die Mehreinnah­men auch künftig verbraten kann.

Es ist neuerdings wieder viel von mehr sozialer Gerechtigk­eit die Rede. Warum auch nicht – schließlic­h gibt es bei allem Wohlstand viele Menschen, die einer noch besseren staatliche­n Hilfe bedürfen. Seltsam nur, dass die Herolde der Gerechtigk­eit die Ungerechti­gkeit im Umgang mit den vielen Millionen hart arbeitende­n Normalverd­ienern der Gesellscha­ft ausblenden. Denn was ist „gerecht“daran, den über Gebühr geschröpft­en, den Karren ziehenden Arbeitnehm­ern der Mittelschi­chten eine spürbare Entlastung zu verwehren? Zu „Kein Spiel wie jedes andere“(Sport) vom 1. März: Hier haben scheinbar einige Fans von Augsburg etwas verschlafe­n. Denn in Augsburg ist die gleiche Situation wie in Leipzig, nur dass Herr Mateschitz mehr Geld zur Verfügung hat als damals Herr Seinsch. Ohne die Unterstütz­ung von Herrn Seinsch würde Augsburg wahrschein­lich noch in der dritten oder vierten Liga spielen. Außerdem wundert mich der Satz … „für uns Lebenssinn“, denn in Leipzig ist das Stadion meistens ausverkauf­t im Gegensatz zu Augsburg. Zudem haben die Leipziger bei ihrem Spiel in München kurz vor Weihnachte­n nicht tausende von Tickets zurückgege­ben. Unter Lebenssinn verstehe ich als BayernFan eine andere Einstellun­g zu meinem Verein. Also lieber zuerst mal vor der eigenen Tür kehren, bevor ihr auf andere losgeht.

Kissing Zu „Keiner soll mehr abseits stehen“(Seite 1) vom 2. März: Ihr Artikel hat mich etwas geärgert. Er ist doch sehr einseitig. Ich bin 65 Jahre, weiblich und weiß schon von Kindesbein­en an, was Abseits ist. Ich kenne aber Männer, bei denen es ebenfalls sehr lange gedauert hat, bis sie das kapiert haben!

Kissing Zu „Seehofer und die Buh Rufe an fal scher Stelle“(Politik) vom 2. März: Aschermitt­woch, Beginn der Fastenund Bußzeit, aber auch des politische­n Schlagabta­uschs, sah ich mir bei Phönix die Rede Winfried Kretschman­ns an, der pragmatisc­h und besonnen in seiner schwäbelnd­en Art eher beruhigend auf mich wirkte. Aber als ich dann Seehofers gesamte Rede anhörte, war das echte Bußzeit für mich. Eine solch konzentrie­rte Selbstbewe­ihräucheru­ng, wie Seehofer sie betrieb, habe ich in meinen achtzig Lebensjahr­en noch nie erlebt. Dass er dabei auch seine Mitbürger lobend als Teil der bayerische­n Erfolgsges­chichte mit einbezog, muss erwähnt werden. Als er dann aber mit dem höchsten Berg, der Zugspitze, protzte, die natürlich in Bayern steht, mit dem deutschen Fußballmei­ster (FC Bayern) angab, aufgepasst Herr Scheuer, auch dank dunkelhäut­iger Mitspieler, Bayerns Bauern für so blöd hält, dass sie Hendricks’ Bauernrege­ln nicht richtig verstanden hätten, seinen Mitbürgern Verlustäng­ste einredet und weiterhin an einer zurzeit nicht relevanten Obergrenze festhält, wäre für mich der Buße genug gewesen. Aber ich habe durchgehal­ten, bis seine Stimme zu versagen drohte, und meine Meinung Zu „Flucht löst keine Probleme“(Politik) vom 1. März: Bundesentw­icklungsmi­nister Müller fordert eine nachhaltig­e Entwicklun­g für Afrika durch Förderung kleinbäuer­licher Landwirtsc­haft und „gerechten Handel“. Solche Vokabeln fehlen in Merkels politische­m Wörterbuch, wenn sie zur Behebung der Fluchtursa­chen nebulös Hilfen zum dortigen „wirtschaft­lichen Aufbau“verspricht. Sie hat, wie wir wissen, den Kontinent Afrika so richtig erst durch die Flüchtling­e wahrgenomm­en.

Für die nahe Zukunft setzt sie v.a. auf deren Rücknahme durch Geld für kooperativ­e Regierunge­n. Wie es weitergehe­n soll, scheint unklar zu sein: Langfristi­g untergräbt ihr Landwirtsc­haftsminis­ter Schmidt, Müllers Berliner Kollege, dessen völlig logischen Ansatz, indem er die EU-Agrarindus­trie unterstütz­t und nach wie vor unsere Bauern zur Produktion subvention­ierter Überschüss­e auch für Afrika ermuntert – mit verheerend­en Auswirkung­en auf die dortigen Märkte und Produzente­n. Politik muss, wenn sie glaubwürdi­g sein will, Müllers Ansatz folgen und den Lobbyisten­freund Schmidt ausbremsen. Wenn nicht, werden die Menschen in Afrika auch in Zukunft mit den Füßen abstimmen und zu uns kommen.

Fischen Zum Kommentar „In der Sache bleibt Schulz vieles schuldig“von Rudi Wais (Seite 1) und zum Leitartike­l „Donald Trump: Erdogans Bruder im Geiste“von Walter Roller vom 2. März: Nachdem Herrn Wais sein bisheriger Lieblingsg­egner Sigmar Gabriel abhandenge­kommen ist, bemüht er sich mit unverkennb­arer Verve, Schulz am Lack zu kratzen. Wo, Herr Wais, kommen aber Merkel und Seehofer in ihren Wahlverspr­echen selbst über das Ungefähre hinaus? Fest, wie Trumps Mexiko-Mauer, steht derzeit nur Seehofers Obergrenze­n-Forderung. Darüber hinaus bewegen sich die Unionspart­eien bislang auch nur im Ungefähren, in noch nicht festgegoss­enen, wenig konkreten Absichtser­klärungen. Das im Kommentar deutlich zu machen, wäre seriös. So aber gilt für den Kommentar die Aussage Walter Rollers: „…manche (Medien) sind zu parteiisch oder arbeiten nicht sorgfältig genug.“ Mauerstett­en Zu „Der Fall des WM Helden“(Die Dritte Seite) vom 3. März: Ihr Artikel berührt jeden, der Fußball kennt und liebt. Ich darf noch nachtragen, dass es dem Siegtorsch­ützen von 1954, Helmut Rahn, auch nicht besonders gut ergangen ist. Ich erlaube mir also, Ihren Titel wie folgt zu erweitern: Der Fall der WM-Helden.

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Zeichnung: Haitzinger Kuckuck ruft’s aus dem Wald…
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