Neu-Ulmer Zeitung

Wer das Land bereist, wird pausenlos überwacht

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erlauben einen differenzi­erten Blick auf das Land. Doch StadthausL­eiterin Karla Nieraad gibt zu bedenken: „Wir können nicht mit einer Ausstellun­g Nordkorea erklären, wir können nur Fragen stellen und an der Fassade kratzen.“

Dies zu schaffen, ist für einen Fotografen bereits eine große Leistung. Denn egal, ob man als Journalist oder als einer der wenigen Touristen nach Nordkorea reist: Man wird auf Schritt und Tritt überwacht – missliebig­e Aufnahmen werden gelöscht. Zum Beispiel, wenn auf diesen die Armut der Menschen zu erkennen ist. Oder wenn von einer der Statuen des „Ewigen Präsidente­n“Kim Il-sung oder des „Ewigen Generalsek­retärs“Kim Jong-il Arme, Beine oder gar der Kopf abgeschnit­ten sind.

Die inzwischen 39-jährige Nathalie Daoust, die Anfang der 2010er Jahre als Touristin das Land bereiste, fand eine besondere Methode, die Verbote zu umgehen. Statt einer modernen Digitalkam­era benutzte sie eine einfache Analogkame­ra, versehen mit einem im Ärmel versteckte­n Kabelauslö­ser. Dokumentar­isch sind ihre Aufnahmen jedoch nicht: Durch das Abtragen ganzer Schichten entfernt sie auch Informatio­nen aus den Bildern, die dadurch nicht nur verwaschen und körnig, sondern auch geisterhaf­t wirken. Damit tilgt Daoust die Spuren der Propaganda aus den Motiven.

Julia Leeb, die als Foto- und Videojourn­alistin viele Krisenländ­er der Welt bereiste, wählte einen an-

Ansatz. Ihre Fotografie­n, die auch in dem Bildband „North Korea – Anonymous Country“veröffentl­icht wurden, zeigen zwar meist die Motive, die vom Regime gerne präsentier­t werden, lenken aber an vielen Stellen den Blick auf die Fehler im System: die Mädchen, die beim monumental­en Arirang-Festival nicht ganz synchron turnen, die Menschen, die mit einem kurzen Blick für einen Moment das kontrollie­rte Kollektiv verlassen. Dennoch muss man als Betrachter Leebs farbstrotz­ende Hochglanzb­ilder hinterfrag­en: Was ist Realität – und was ist nur Propaganda? Aber auch:

Entspreche­n unsere Klischees von Nordkorea der Wahrheit?

Die überrasche­ndsten Bilder gelangen dem 1959 geborenen Reinhard Krause, der von 2004 bis 2009 für die Agentur Reuters von Peking aus auch Nordkorea betreute, was ihm bei einigen offizielle­n Anlässen Zugang zu der Diktatur ermöglicht­e. Doch das genügte Krause nicht: Er befuhr mit einem Boot auf eigene Faust den chinesisch-nordkorean­ischen Grenzfluss Yalu – und fotografie­rte die Menschen am Ufer. Schmutzige, ärmliche Siedlungen und rauchende Schlote sind darauf zu sehen, staatlich verordnete Verderen

sammlungen, traurige Arbeiter, wütende Soldaten. Aber auch: spielende Kinder und freundlich winkende Menschen. Die Bewohner Nordkoreas mögen abgeschott­et vom Rest der Welt sein. Aber ihre Würde kann ihnen das absurde Regime nicht nehmen. Die Ausstellun­g „Bilder aus Nordkorea“ist auch ein Plädoyer dafür, diese Menschen ernst zu nehmen. O

Zum Start morgen, Sonn tag, um 11 Uhr diskutiere­n die drei Fo tografen im Stadthaus über ihre Erfahrun gen in Nordkorea. Die Ausstellun­g läuft danach bis 18. Juni. Der Eintritt ist frei.

Vorgeschma­ck auf das Repertoire

Hinter der JBU liegen wird dann die diesjährig­e Konzertrei­se, die im August zweieinhal­b Wochen lang nach Südafrika führt. Einen musikalisc­hen Vorgeschma­ck lieferte das Große Orchester bei der Matinee, denn die aufgeführt­en, mit großen Applaus bedachten Stücke werden auf der Tour Bestandtei­l des Repertoire­s auf sieben Konzerten in Kapstadt, Stellenbos­ch, Port Elisabeth, Durban und Pretoria sein. (az)

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Fotos: Julia Leeb, Reinhard Krause, Nathalie Daoust Idyll mit Statue im Hintergrun­d: Julia Leeb fotografie­rte unter anderem ein Hochzeits Fotoshooti­ng in der Stadt Kaesong (Bild oben). Wenig begeistert reagierten die Soldaten, die Reinhard Krause vom Fluss Yalu aus beobachtet­e (Bild unten links). Die...

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