Leitartikel
Die rasant fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung wecken Ängste. Experten befürchten einen brutalen Job-Abbau, der auch unseren Sozialstaat schwächt
Bill Gates wird mit dem Alter immer witziger und revolutionärer. Der 61-jährige Microsoft-Gründer sorgt sich um einen massenhaften Wegfall von Arbeitsplätzen durch die sich beschleunigende Automatisierung und Digitalisierung. So meint der Milliardär mit dem schlechten Gewissen eines erfolgreichen Kapitalisten, Roboter hätten nichts dagegen, wenn sie besteuert würden. Der Amerikaner plädiert für eine Robotersteuer, die er den Kukas der Welt, aber auch den Profiteuren aus der Industrie auferlegen will.
Dahinter steckt folgende Logik: Wenn Millionen Jobs durch den technologischen Fortschritt abgebaut werden, zahlen die Unternehmen weniger Sozialversicherungsbeiträge. Diese Gelder fehlen dem Staat, sodass Gesellschaften erodieren. So weit die Horrorversion des im Gegensatz zu seinem Landsmann Donald Trump nachdenklichen Mannes. Doch die Gates-Analyse ist ein Worst-Case-Szenario. Sie stützt sich auf Studien der Unternehmensberatung A.T. Kearney und der Uni Oxford. Danach könnten in Industriestaaten wie den USA fast 50 Prozent aller Arbeitsplätze wegrationalisiert werden.
Das deutsche Arbeitsplatzwunder mit Rekord- und sogar Vollbeschäftigung in Teilen unserer Region würde sich in den nächsten 20 Jahren ins Gegenteil verkehren. Die Untergangs-Propheten, in die sich auffallend viele Milliardäre aus dem Silicon Valley einreihen, sehen eine Welt voraus, in der nach der Industrie auch in Büros durch immer intelligentere Software massenhaft Arbeitsplätze verschwinden. Und wenn Taxis und Busse autonom fahren, werden Fahrer arbeitslos.
Die Schwarzmaler unterliegen aber einem elementaren logischen Fehler. Denn der nicht minder revolutionäre Einzug von Computern und deren Software-Innenleben seit den 80er Jahren hat zwar Arbeitsplätze gekostet. Es sind aber neue entstanden. Wie könnte es sonst in Deutschland so viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte geben? Wirtschaft ist Veränderung, kreative Zerstörung und damit das Entstehen neuer Unternehmen. In der amerikanischen Autoindustrie sind zwischen 2010 und 2015 mehr als 60000 Roboter installiert worden, dennoch stieg die Beschäftigung in dem Zeitraum um 230 000 Menschen. Und das McKinsey Global Institute glaubt, gut 90 Prozent der Arbeit lasse sich nicht vollständig automatisieren.
Die Wahrheit ist: Keiner weiß, wie sich die technologische Revolution in zehn bis 20 Jahren in der Job-Bilanz niederschlägt. Deswegen ist es verfrüht, eine Robotersteuer, die tendenziell den technischen Fortschritt bremst, einzuführen. Gleiches gilt für andere sozialpolitische Ladenhüter wie eine generelle Maschinensteuer, die auch Wertschöpfungsabgabe genannt wird. Was aber intensiver diskutiert werden muss, ist eine Aufwertung von Berufen, die sich nicht wegrationalisieren lassen. Denn überall, wo soziale Kompetenz, Individualität, Kreativität, Spontanität, Einfühlungsvermögen, kritisches Bewusstsein, ja Querdenken, Leidenschaft, Humor, vor allem Menschlichkeit gefragt sind, ziehen Maschinen und Algorithmen den Kürzeren gegenüber zugleich denkenden und fühlenden Menschen.
In einem Punkt hat Gates recht: Soziale und pädagogische Tätigkeiten müssen auch finanziell bessergestellt werden. Ob Lehrer, Polizisten, Erzieher in Kindergärten und Kitas, Krankenschwestern und Pflegekräfte – sie lassen sich schwer automatisieren und sorgen für sozialen und inneren Frieden. Diese Stars der Gesellschaft gilt es zu fördern. Internet-Milliardäre dürfen sich daran gerne beteiligen, indem sie anders als die Apple-Chefs nicht alles daransetzen, Steuern zu vermeiden. Dann bedarf es vielleicht gar keiner Robotersteuer. Zu „Der Fall des WM Helden“(Die Dritte Seite) vom 3. März: Vom WM-Helden zur tragischen Figur: Der Fall Mario Götze – eigentlich traurig, dass man schon einen 24-jährigen Profisportler, der aufgrund seiner Stoffwechselerkrankung gerade nicht 100-prozentig leistungsfähig ist, als tragische Figur oder tiefen Fall betitelt. Dadurch klingen die unmenschlichen Anforderungen der heutigen leistungs- und profitorientierten Gesellschaft in Sport und Wirtschaft durch. Hochleistungen und Rekorde sind gefragt. Verletzungen oder Krankheiten, die nicht mit schnell pushenden Arzneien beseitigt werden können, zählen als persönliche Niederlage.
Königsbrunn Zum Interview „Almosen sind nicht die Lösung“(Politik) vom 3. März: Es ist Wahlkampfzeit. Mit treffenden Worten wird die Lage in den (nord-)afrikanischen Ländern beschrieben. Von einem MarshallPlan wird seit einiger Zeit gesprochen. Die Realität sieht anders aus: Regelmäßig stimmt auch Gerd Müller für Freihandel, sein MarshallPlan ist noch nicht einmal über den Kabinettstisch gegangen. Meint es der Minister wirklich ernst? Es braucht endlich auch einen Wandel in den Taten! So lange beschreiben Gerd Müllers Worte lediglich Luftschlösser. Ferner stört mich, dass die afrikanische Bevölkerung wieder einmal nur als Lieferant für Kaffee, Kakao und Baumwolle dargestellt wird. Wer es wirklich ernst meint, der nimmt zur Kenntnis, dass es in Afrika ein Potenzial für selbst produzierte Technologieprodukte gibt. Dafür braucht Afrika jedoch Bildung, Bildung, Bildung und Zugang zum Geldmarkt für jeden Afrikaner!
Marktoberdorf Zu „Nur ein Zwilling darf bleiben“(Bay ern) vom 2. März: Der Entscheidung des Bamf, männliche Familienmitglieder nach Afghanistan abzuschieben, ist trotz sicherlich vorhandener persönlicher Härten zuzustimmen, da kein Asylgrund zu erkennen ist. Artikel 16a GG lautet: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“Eine persönliche Bedrohung der Familie mag vorliegen, ist aber nicht als politische Verfolgung zu bezeichnen. Auch liegt kein Aufnahmegrund im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention vor, etwa Bürgerkrieg oder Ähnliches; zumindest ist er, folgt man dem Tenor des Artikels, nicht ins Felde geführt worden. Weitere Aufnahmegründe sind nicht ersichtlich.
Wir leben in einem Rechtsstaat, auf dessen Prinzipien sich Schutzsuchende mit gutem Grund berufen können. Das bedeutet aber auch, dass eine entsprechende Entscheidung auch negativer Natur zu akzeptieren ist. Günzburg Ebenfalls dazu: Die ganze Asylpolitik scheint nur noch Abschiebungen zu kennen. Und das mit allen Mitteln, sinnvoll oder nicht. Gut integriert spielt keine Rolle. Gefährdete Gebiete? Auch egal. Dass dadurch Bemühungen der ehrenamtlichen Helfer ad absurdum geführt werden? Hauptsache, der Buchstabe des Gesetzes ist erfüllt. Wenn diese Gesetze keinen Freiraum für Vernunft lassen, sind sie schlampig gestrickt. Als Wahlempfehlung jedenfalls nicht zu gebrauchen.
Augsburg Zu „Was im Wasser alles lauert“(Seite 1) vom 4. März: Da musste ich die Zeitung nicht einmal ganz aufschlagen, um hellwach zu werden. Da drohte doch auf der ersten Seite ein Bericht über die Gefahren im Wasserglas, das über Nacht am Bett steht. Ist das nicht eher ein Thema für ein Sommerloch? Vor einigen Tagen noch wurde zu Recht ein hochdramatischer Artikel über die Dürren und Hungersnöte in Afrika präsentiert. Dort wären viele, viele Menschen froh darüber, wenigstens ein abgestandenes Glas Wasser zu bekommen. Statt hier Ängste zu schüren, sollte meines Erachtens lieber über eine Übersteril-Gesellschaft diskutiert werden. In diesem Sinne: Wasser marsch … Neuburg