Und den Auftritt gab es doch
Trotz mehrerer Veranstaltungsabsagen konnte der türkische Wirtschaftsminister am Sonntag in Leverkusen und Köln sprechen und gab sich relativ moderat
Eigentlich könnte Nihat Zeybekci zufrieden sein. Denn nach zwei Absagen von Veranstaltungen in Köln und Frechen hatte der türkische Wirtschaftsminister am Sonntag dann doch noch seine beiden Auftritte im Rheinland – und sich mächtig Arbeit erspart. Schließlich hatte der 56-Jährige nach den Absagen noch trotzig angekündigt, „von Kaffeehaus zu Kaffeehaus, von Haus zu Haus“zu ziehen, um wie geplant die Werbetrommel für das umstrittene Präsidialsystem zu schlagen, über das die türkischen Wähler Mitte April abstimmen.
Nach einem laut Veranstalter bereits seit längerem geplanten Konzertbesuch am Sonntagnachmittag in Leverkusen konnte sich Zeybekci am Abend im Schatten des Kölner Doms endlich als Wahlhelfer des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan präsentieren. Mit deutlicher Verspätung trat der Minister im mit rund 300 Zuhörern prall gefüllten Saal eines Hotels ans Mikrofon, zeichnete das Bild von der Türkei als aufstrebende Wirtschaftsmacht und wählte vor allem moderate Töne, wenn er etwa betonte, die Deutsch-Türken lebten „in einem Land, das unser Freund ist“. Aber er sagte auch: „Wir lassen uns nichts vorschreiben.“Ohne direkt auf das einzugehen, pries er Erdogans Politik in den höchsten Tönen. Am Nachmittag in Leverkusen hatte sich Zeybkci diesbezüglich noch zurückgehalten. „Es gab Spekulationen um meinen Auftritt“, sagte der 56-Jährige dort. „Ich bin hergekommen, um Freude zu bereiten.“Dennoch war der politische Druck, der plötzlich auf der Veranstaltung lag, deutlich wahrzunehmen. Nur vereinzelt äußerten sich Besucher zur aktuellen politischen Auseinandersetzung. „Ein Redeund Wahlkampfverbot in Deutschland halte ich für kontraproduktiv“, sagte Kazim Aslan, ein Abgeordneter der Oppositionspartei CHP. „Jeder sollte das Recht haben, seine Meinung mitzuteilen.“
Auch Ayhan Aydan ist in Leverkusen mit dabei. Er will sich auch durch Zeybekcis Auftritte nicht beeinflussen lassen bei seiner Stimmabgabe. „Ich werde mich selbst in das Thema einlesen und die 18 Änderungsvorschläge analysieren“, sagt der 53-Jährige, der seit 37 Jahren in Deutschland lebt. „Bisher reden die Befürworter der Verfassungsänderung ebenso um den heißen Brei herum wie die Gegner.“
Ohne eine Vorgabe aus Berlin hatten sich die Kommunen in den vergangenen Tagen hartnäckig gegen die Auftritts-Pläne Zeybekcis zur Wehr gesetzt. In Köln-Porz gab es nach einer Anfrage für eine Theaterveranstaltung keinen Mietvertrag, Frechen berief sich auf eine Klausel in einem Pachtvertrag.
Eine ähnliche Handhabe sahen Stadtverwaltungen und Polizei in Leverkusen und Köln am Sonntag hingegen nicht: Da die Räume für das Konzert und für die Veranstaltung am Abend in der Kölner Innenstadt privat vermietet wurden, konnten die Auftritte des Ministers nicht untersagt werden. Bei beiden Veranstaltungen blieben die im Vorfeld befürchteten ZusammenReferendum stöße zwischen Anhängern und Gegnern Erdogans aus, in Köln gab es lediglich ein paar Demonstranten mit Anti- AKP-Transparenten.
Zeybekci, einstiger Geschäftsmann aus dem westtürkischen Denizli, hat sich in seiner politischen Karriere als loyaler Anhänger des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan erwiesen. Weniger bekannt ist er für einen diplomatischen Umgangston. Seinen Kurztrip ins Rheinland hatte er jedenfalls schon einmal als „Sieg Allahs“gepriesen.
Er gibt nicht auf, er lässt nicht locker. So hat es François Fillon angekündigt, so bekräftigte er es gestern vor zehntausenden Anhängern bei strömendem Regen in Paris. Fillons Team hatte Busse organisiert, um den Platz des Trocadéro gegenüber dem Eiffelturm zu füllen. „Die Verleumdung meiner Person nährt diese Kampagne, in der man euch vergessen hat“, klagte der Kandidat, dem ein Strafverfahren droht, weil er seine Frau und zwei seiner Kinder großzügig als parlamentarische Assistenten bezahlt hatte, ohne dass diese eine entsprechende Arbeit leisteten. Gestern trat er sogar mit seiner Ehefrau Penelope auf. Die Menge rief: „Fillon, Präsident!“
Während 71 Prozent der Franzosen Fillons Abtritt wünschen, sprechen sich selbst unter den Anhängern seiner Partei nur noch 53 Prozent für ihn aus. Dutzende Parteifunktionäre wandten sich von ihm ab, sogar Fillons bisheriger Kampagnenleiter und sein Sprecher. Sie erinnerten den 63-Jährigen an die Zusage, sich zurückzuziehen, sollte es zu einem Strafverfahren kommen.
Die Suche nach einem Ersatzkandidaten erfolgt längst, von Ex-Premierminister Juppé heißt es, er bereite sich vor. Für den heutigen Montag hat Juppé am gestrigen Abend überraschend eine Pressekonferenz angekündigt, zuvor hatten sich einflussreiche Parteifreunde Fillons beraten – ohne den Kandidaten.