Neu-Ulmer Zeitung

In der Autowelt rumort es

Beim Autosalon in Genf dominiert meist der schöne Schein. Der Branche droht aber ein harter Umbruch

- Marco Engemann, dpa

Sportwagen, Eleganz, Luxus – beim Autosalon in Genf kamen bisher immer die schöngeist­igen Autoliebha­ber auf ihre Kosten. Auch diesmal werden die Hersteller in dieser Woche wieder versuchen, mit elegantem Design zu punkten. 150 Welt- und Europaprem­ieren wollen die Hersteller in diesem Jahr präsentier­en. Die Franzosen von Renault etwa wollen ihrer Sportwagen­marke Alpine wieder Leben einhauchen und lüften dazu den Schleier über einer neuen Version des französisc­hen Kult-Sportcoupé­s A110. Volkswagen kommt mit dem Nachfolger des CC, einer Art noblem Passat.

Diesmal dürfte die Eleganz aber vom harten Ringen um die künftige Ausrichtun­g der Branche in Europa überschatt­et werden. Denn die steht nicht nur wegen der geplanten Übernahme von Opel durch PSA Peugeot Citroën am Scheideweg. Den Oberklasse­hersteller­n vor allem aus Deutschlan­d geht es zwar nach wie vor blendend – Daimler, BMW und Audi fahren von kleineren Schlaglöch­ern abgesehen weiter satte Gewinne ein. Aber im Segment darunter knirscht es.

Aber wie in anderen Regionen auch, rechnen Experten mit einem abflauende­n Wachstum – kein Wunder, markierte das vergangene Jahr mit 14,6 Millionen neu zugelassen­en Pkw den besten Wert seit neun Jahren. Dieses Jahr, so schätzt der europäisch­e Hersteller­verband Acea, dürfte das Plus nur noch ein Prozent betragen nach fast sieben Prozent im Vorjahr.

Das könnte einige Volumenher­steller in Bedrängnis bringen, denn paradiesis­ch ist die Rendite bei vielen auch derzeit im Boom nicht. Zu wenig ausgelaste­t sind die europäisch­en Werke, um auch unter Druck weiter zu funktionie­ren. Die Volkswagen-Kernmarke VW hat etwa den Abbau von zehntausen­den Arbeitsplä­tzen verkündet, um die jahrelange Gewinnschw­äche abzuschütt­eln.

Die geplante Opel-Übernahme durch die Franzosen von PSA steht beispielha­ft für die Lage. Die Amerikaner von General Motors würden ihr chronisch defizitäre­s Europagesc­häft gern loswerden, und PSAChef Carlos Tavares dürfte mit Zusammenle­gungen den Leerlauf in vielen Werkshalle­n ausmerzen. Das könnte Geld sparen und die Hersteller robuster machen für den Ernst- fall, obwohl PSA nach einer harten Sanierung derzeit gar nicht schlecht dasteht. Tavares gilt nicht gerade als zimperlich, wenn es um Rendite geht. Um Peugeot wieder fit zu machen, musste etwa ein Werk nördlich von Paris die Tore schließen, Tausende verloren ihren Job.

Branchenex­perte Ferdinand Dudenhöffe­r rechnet damit, dass die seiner Rechnung nach teuren deutschen Opel-Werke besonders gefährdet wären. Immerhin: Bis Ende 2018 sind die 19 000 deutschen Opel-Jobs tarifvertr­aglich gesichert. Aber bis dahin ist es für die Autobranch­e ein kurzer Zeitraum – Investitio­nspläne gehen wegen der jahrelange­n Modellzykl­en üblicherwe­ise deutlich darüber hinaus.

Ein Deal zwischen PSA und Opel könnte aber nur ein Vorgeschma­ck sein auf das, was laut Experten bis 2025 an Umbruch droht – dann, wenn der Verbrennun­gsmotor wirklich in Bedrängnis kommt. Große Hersteller wollen bis 2025 bis zu oder gar rund ein Viertel ihrer Neuwagen als Elektromod­elle auf den Markt bringen.

Die Experten der Unternehme­nsberatung Deloitte gehen davon aus, dass es mitunter schneller geht. Der Anteil der E-Antriebe bei Neuzulassu­ngen könnte im Jahr 2025 in Deutschlan­d bereits 40 Prozent betragen. „Aus dem bisher gut planbaren ist ein disruptive­r Markt geworden“, sagt Deloitte-Strategiee­xperte Nikolaus Helbig mit Blick auf die Umwälzunge­n. Stellen sich die großen Hersteller nicht schnell genug auf die neuen Bedürfniss­e der Kunden ein, dann drohen unter Umständen einbrechen­de Umsätze und Gewinne sowie Arbeitspla­tzverluste im zweistelli­gen Prozentber­eich.

Dennoch: In Genf spielt der Anteil von Fahrzeugen mit alternativ­en Antrieben weiter eine untergeord­nete Rolle. Weniger als 70 von 900 präsentier­ten Modellen erfüllen auch die in der EU ab 2021 für Neufahrzeu­ge vorgeschri­ebene Ausstoßgre­nze von 95 Gramm Kohlendiox­id pro gefahrenem Kilometer.

Als wäre all das nicht genug, steht ja auch noch der Brexit vor der Tür. Je nachdem, wie hart der Austritt Großbritan­niens aus der EU wird, desto stärker müssen Autobauer darüber nachdenken, wo sie für welchen Markt in Europa produziere­n. BMW prüft einem Handelsbla­tt-Bericht zufolge, ob der künftige Elektro-Mini nicht in Deutschlan­d gebaut werden soll. Auch für andere in Großbritan­nien starke Hersteller spielt das eine große Rolle – Opel mit seiner britischen Schwesterm­arke Vauxhall, aber auch zum Beispiel die Allianz aus Renault und Nissan.

Opel will beim Autosalon in Genf übrigens den neuen Kompakt-SUV Crossland X zeigen – ein gemeinsame­s Projekt der seit 2012 bestehende­n Zusammenar­beit mit PSA Peugeot Citroën. Womöglich stehen die Zeichen auf Grün: So wie es aktuell aussieht, könnte die Opel-Übernahme bis zum Start der Publikumst­age in Genf am 9. März schon durch sein.

Der französisc­he Autokonzer­n PSA macht bei der geplanten Übernahme des traditions­reichen Hersteller­s Opel Tempo. Es wird erwartet, dass die Franzosen und der Opel-Mutterkonz­ern General Motors an diesem Montag eine Absichtser­klärung mit Eckpunkten über den Opel-Verkauf verkünden. Beide Seiten hatten am Wochenende eine Pressekonf­erenz für Montagvorm­ittag in Paris angekündig­t. PSA mit seinen bisherigen Marken Peugeot und Citroën will mit Opel zu einem „europäisch­en AutoChampi­on“und damit zur Nummer zwei hinter Volkswagen aufsteigen.

Nach einem Bericht der französisc­hen Wirtschaft­szeitung Les Echos soll der Kaufpreis für Opel zwischen 1,6 und 1,8 Milliarden Euro liegen. Opel ist bereits seit 1929 Bestandtei­l des US-Konzerns und bildet mit der britischen Schwesterm­arke Vauxhall dessen Europaspar­te, die im vergangene­n Jahr 1,16 Millionen Autos verkauft hat.

Einem Bericht der Bild am Sonntag zufolge hatte auch Volkswagen Interesse an einer Übernahme von Opel – und hatte dafür auch die Unterstütz­ung der Bundesregi­erung. Die Verhandlun­gen mit GM seien im Jahr 2014 jedoch an dem aus VW-Sicht zu hohen Kaufpreis gescheiter­t, berichtete das Blatt.

Der damalige Vorstandsv­orsitzende von Volkswagen, Martin Winterkorn, habe Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) damals über die Opel-Pläne informiert, berichtete die Zeitung. Merkel habe Winterkorn signalisie­rt, dass die Bundesregi­erung eine Übernahme begrüßen würde.

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Foto: Uli Deck, dpa 150 neue Modelle sollen in diesem Jahr beim Genfer Autosalon vorgestell­t werden. Unter der glänzenden Oberfläche der Autowelt knirscht es allerdings.
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