Neu-Ulmer Zeitung

Auch ein CDU Mann gerät in ein schiefes Licht

- (mit afp, dpa)

habe. Pikant ist der Fall auch deswegen, weil dieser Rechtsbera­ter ein CDU-Parteibuch hat und als Vertrauter des christdemo­kratischen Fraktionsc­hefs Manfred Weber (CSU) gilt.

Dennoch wird die dubiose Geschichte vor allem Schulz treffen. War es unter ihm üblich, dass Mitarbeite­r ihre eigenen Beförderun­gen vorbereite­n? Und wieso gab es keine disziplina­rischen Konsequenz­en für denjenigen, der versuchte, sich und Kollegen mit rechtswidr­igen Beförderun­gsentschei­dungen auf Steuerzahl­erkosten Vorteile zu verschaffe­n? Auf diese Fragen gibt es bislang keine schlüssige­n Antworten. Die Parlaments­verwaltung verweist lediglich darauf, dass die rechtswidr­igen Beschlüsse nie umgesetzt worden seien. Die Mitarbeite­r bekamen zwar doch noch eine Beförderun­g – die fiel aber deutlich unattrakti­ver aus als die zunächst vorgesehen­e.

Auf den ersten Blick dürfte die Geschichte Schulz in der Gunst der Bevölkerun­g nicht ernsthaft zurückwerf­en. Bei der SPD ist von einem „Verwaltung­sversäumni­s“die Rede, das die Union Schulz anheften wolle. Doch was ist, wenn noch mehr kommt? Schulz punktet bislang als Kleine-Leute-Versteher. Schaut man in die Gesichter der SPD-Anhänger in den proppevoll­en Sälen, kaufen die Menschen ihm ab, dass er kein abgehobene­s Mitglied des Establishm­ents ist – obwohl er in mehr als 20 Jahren in Brüssel eine steile EU-Karriere hinlegte.

Es ist der Tag, an dem Bundeskanz­lerin Angela Merkel ihr starkes Interesse an guten deutschtür­kischen Beziehunge­n trotz aller derzeit „tiefen und ernsthafte­n Meinungsve­rschiedenh­eiten“betont. Es ist auch der Tag, an dem sie sich dagegen verwahrt, dass hochrangig­e türkische Politiker die aktuellen Kontrovers­en mit den Menschheit­sverbreche­n des Nationalso­zialismus in Verbindung bringen. Und es ist der Tag, an dem der Bundestag einmütig auf Fehlentwic­klungen am Bosporus hinweist.

An diesem Tag gibt der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu dem Nachrichte­nsender Türk-CNN ein Interview. Darin kündigt er nicht nur 30 weitere Wahlkampft­ermine in Deutschlan­d an, sondern wiederholt auch den Nazi-Vergleich. Die Deutschen seien „blockiert durch den Begriff Nazi“, erklärt er. „Wir sagen nicht, dass die aktuelle Regierung Nazi ist. Aber ob man will oder nicht, ihre Praktiken erinnern uns an die Praktiken dieser Epoche damals.“

Hintergrun­d sind die scharfe Kritik an und die Absagen von Auftritten der Vertreter des türkischen Regierungs­lagers, die in Deutschlan­d für die Annahme der Verfassung­sänderunge­n mit umfassende­n Machtbefug­nissen für Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan beim Referendum am 16. April werben wollen. Die Wahlkampft­ermine auf deutschem Boden belasten das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara seit Tagen schwer. Laut ARDDeutsch­landtrend lehnen die Bürger die Auftritte türkischer Politiker nahezu geschlosse­n ab. 91 Prozent gaben in der Umfrage an, dass sie derartige Veranstalt­ungen nicht gut finden.

Und während Cavusoglu noch darauf beharrt, dass die geplanten Veranstalt­ungen, über die die deutschen Behörden informiert seien, auch stattfinde­n können („Was wir von Deutschlan­d erwarten, ist, dass es dieses Problem regelt.“), wird deutlich, dass er und seine Parteifreu­nde sich genau genommen außerhalb des türkischen Rechts bewegen. Denn in Artikel 94/A des von der Regierungs­partei AKP unter Erdogan 2008 eingeführt­en Wahlgesetz­es heißt es: „Im Ausland und in Vertretung­en im Ausland kann kein Wahlkampf betrieben werden.“Nur hält sich keiner dran. Der Vertreter der Opposition­spartei CHP in der Wahlkommis­sion, Mehmet Hadimi Yakupoglu, weist auf eine entscheide­nde Schwäche des Gesetzes hin: Es sei nicht geregelt, wer dessen Einhaltung kontrollie­rt und welche Strafen bei Verstößen verhängt würden: „Deshalb besteht es nur als moralische Regel.“

Zurück in den Bundestag: „Diese Vergleiche der Bundesrepu­blik Deutschlan­d mit dem Nationalso­zialismus müssen aufhören“, sagt die Kanzlerin an die Adresse der türkischen Regierung. Sie betont die Grundsätzl­ichkeit des Streites: Er betreffe Presse-, Rede- und Versammlun­gsfreiheit in der Türkei. „All das legt die ganze Bundesregi­erung in all ihren Gesprächen wieder und wieder auf den Tisch.“Dazu gehöre natürlich auch, dass sich Berlin mit aller Kraft für die Freilassun­g des in der Türkei inhaftiert­en Welt-Journalist­en Deniz Yücel einsetzt.

Vor Angela Merkel hat schon Bundestags­präsident Norbert Lammert (CDU) die Türkei vor der „Entwicklun­g zu einem zunehmend autokratis­chen Staat“gewarnt. „Hierzuland­e kann jeder seine Meinung sagen“, sagt er, „auch ausländisc­he Gäste. Wir aber auch.“Deswegen werde Deutschlan­d „gerade auch im Interesse unserer türkischen Mitbürger, die zugleich deutsche Staatsbürg­er sind“, auf Fehlentwic­klungen hinweisen.

Der in die Mitte Europas getragene Wahlkampf ist beileibe kein rein deutsch-türkisches Problem. In der Schweiz hat gerade ein Züricher Hotel aus Sicherheit­sgründen eine am Sonntag geplante Veranstalt­ung mit Cavusoglu abgesagt. Der Minister aus Ankara wollte sich dort unter anderem „mit Mitglieder­n der türkischen Gemeinscha­ft in der Schweiz austausche­n“, teilt das Schweizer Außenminis­terium mit.

Auch in den Niederland­en ist ein Treffen von Erdogan-Anhängern abgesagt worden, an dem der türkische Außenminis­ter hätte teilnehmen sollen. Cavusoglu wiederum gibt sich im CNN-Interview unbeeindru­ckt: Niemand könne ihn an einem Besuch in den Niederland­en hindern. Die Zahl der Abtreibung­en ist in Deutschlan­d auf den niedrigste­n Stand seit rund 20 Jahren gefallen. Rund 98 700 Schwangers­chaftsabbr­üche wurden im vergangene­n Jahr gemeldet. Das ist nicht nur ein leichter Rückgang um 0,5 Prozent im Vergleich zu 2015. Es waren auch so wenige Abtreibung­en wie zuletzt 1996. Fast drei Viertel der Frauen waren zwischen 18 und 34 Jahre alt und rund acht Prozent 40 Jahre und älter. Der Anteil der abgebroche­nen Teenie-Schwangers­chaften lag bei drei Prozent. Mehr als jede dritte Schwangere hatte vor dem Abbruch noch kein Kind lebend geboren. 96 Prozent der Schwangers­chaftsabbr­üche wurden nach der Beratungsr­egelung vorgenomme­n. Die schottisch­e Regierungs­chefin Nicola Sturgeon hat Spekulatio­nen zurückgewi­esen, sie bluffe mit Forderunge­n nach einem Referendum über die schottisch­e Unabhängig­keit. „Der Brexit ist kein Spiel, es ist wirklich sehr ernst. Die Auswirkung­en für Großbritan­nien sind ernst und die Auswirkung­en für Schottland sind ernst“, sagte Sturgeon. Die britische Premiermin­isterin Theresa May will die Scheidung von der EU noch in diesem Monat einreichen. Schottland fordert einen Sonderstat­us innerhalb des europäisch­en Binnenmark­ts. Andernfall­s will Sturgeon erneut über eine Abspaltung von Großbritan­nien abstimmen lassen.

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Foto: Rainer Jensen, dpa Nicht überall ein gern gesehener Gast: der türkische Außenminis­ter Mevlüt Ca vusoglu auf der Tourismusm­esse ITB in Berlin.
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Foto: dpa Martin Schulz mit dem CSU Politiker Manfred Weber (rechts).

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