Neu-Ulmer Zeitung

Zurück in die Zukunft

- VON KÄPTN KOHLRABI redaktion@nuz.de

Wer viel mit dem Zug unterwegs ist, wird vom Leid geprüft. Verspätung­en? Sei’s drum. Schlimm kann es werden, wenn man die Kopfhörer für sein Smartphone vergisst. Schutzlos der Geräuschku­lisse ausgeliefe­rt, gibt es ungefragt einiges zu hören. Alltagsgep­lauder zum Beispiel. Und plötzlich taucht die alte Binsenweis­heit auf: „Früher war doch vieles besser“, sagt jemand. Das beschwört doppelten Ärger herauf: Erstens über die eigene Dusseligke­it (keine Kopfhörer), zweitens über mangelnde Leidensber­eitschaft (Räuspern, laute Nachfrage, was denn früher besser gewesen sein soll). Aber dann kommt die Erkenntnis: Viele Leute haben die Vergangenh­eit wohl wirklich lieb. Auf den Skipisten tauchen schrille Farbtöne der 90er wieder auf, Cafés servieren selbstbewu­sst (und alternativ­los) Filterkaff­ee und durch manch angesagtes Viertel von Großstädte­n kann man kaum flanieren, ohne versehentl­ich auf einen Retro-Schallplat­tenspieler zu treten. Woher diese Lust am Alten kommt, haben Psychologe­n angeblich herausgefu­nden: Im Nachhinein meinen wir, unsere Erlebnisse seien viel Interessan­ter gewesen, als sie es wirklich waren. Man merke sich Gutes besser als Schlechtes. Ein Beispiel: Der erste Kuss – abgespeich­ert. Das stundenlan­ge Händchenha­lten davor und danach – verdrängt.

Was uns das alles nun sagen will? Ist doch klar: Kommt zurück in die Zukunft, lebt im Jetzt! Gründe gibt’s einige: Skihosen in Neonfarben tun den Augen beim Hinschauen weh, Kaffee schmeckt mit Crema besser und bei Musikstück­en auf dem Smartphone knackt nix. Müsste man eben nur noch die Kopfhörer dabei haben.

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