Neu-Ulmer Zeitung

Für Euro Austritt und Minuszuwan­derung

Die AfD hat einen Entwurf für ihr Wahlprogra­mm vorgelegt. Darin findet sich viel Bekanntes. Aber zwei rigorose Verschärfu­ngen geben zu denken. Eine davon widerspric­ht dem Grundgeset­z

- VON JOACHIM BOMHARD

Für das, was die AfD in ihr Programm für die Bundestags­wahl schreiben will, müsste das Grundgeset­z geändert werden. Nur so wäre es möglich, eingebürge­rten Zuwanderer­n den deutschen Pass wieder zu entziehen. Die Alternativ­e für Deutschlan­d will dies, wie es in dem jetzt vorgelegte­n Programmen­twurf heißt, „bei erhebliche­r Kriminalit­ät innerhalb von zehn Jahren nach erfolgter Einbürgeru­ng, bei Mitwirkung in Terrororga­nisationen, bei Zugehörigk­eit zu kriminelle­n Clans“ermögliche­n. Das ist deutlich rigoroser formuliert als noch in dem im vergangene­n Jahr verabschie­deten Parteiprog­ramm. Zumal die AfD diese Ausbürgeru­ng insbesonde­re auch zulassen will, wenn der Betroffene damit staatenlos wird. Das widerspräc­he Artikel 16 des Grundgeset­zes.

Auch die andere Zuspitzung hat es in sich. Bekannt ist, dass die Partei stets betont, die Zuwanderun­g stoppen oder zumindest begrenzen zu wollen. Jetzt führt sie einen neuen Kampfbegri­ff ein: die Minuszuwan­derung. Die Grenzen müssten geschlosse­n werden, heißt es da, „um die ungeregelt­e Massenimmi­gration in unser Land und auf unsere Sozialsyst­eme durch überwiegen­d beruflich völlig unqualifiz­ierte Asylbewerb­er zu beenden“.

Das ist komprimier­t das, was auch im Parteiprog­ramm nachgelese­n werden kann. Und dann steht im Wahlprogra­mm: „Wir brauchen über mehrere Jahre diesbezügl­ich eine Minuszuwan­derung von 200000 Personen.“Soll heißen: Es müssen deutlich mehr Menschen freiwillig gehen oder abgeschobe­n werden als ins Land kommen. Wie das in der Praxis umgesetzt werden kann, bleibt offen.

Die Minuszuwan­derung ist im Übrigen keine Erfindung der AfD. der AfD-Programmko­mmission, Albrecht Glaser, spricht im Nachhinein gegenüber Zeit Online von einem redaktione­llen Fehler. Der Hintergrun­d: Bevor er sowie die beiden Parteichef­s Frauke Petry und Jörg Meuthen den Entwurf öffentlich präsentier­en, hat eine Befragung der Mitglieder zu einzelnen Kernpunkte­n stattgefun­den. Und da hat sich nur eine Minderheit von 35 Prozent für die Nennung einer Zahl ausgesproc­hen.

Apropos Mitsprache: „Wiederhers­tellung der Demokratie in Deutschlan­d“ist Kapitel eins des Programms überschrie­ben. Die AfD fordert Volksentsc­heide nach dem Schweizer Vorbild, um damit den Wählern das Recht zu geben, nicht nur den Bundespräs­identen direkt zu wählen, sondern auch bereits beschlosse­ne Gesetze zu ändern oder abzulehnen. Dahinter steckt auch die Absicht, das Volk über den Verbleib in der Eurozone und gegebenenf­alls – nach britischem Vorbild – auch der Europäisch­en Union abChef stimmen zu lassen. Die AfD hat ja einst als Euro-kritische Partei angefangen. Sie hält die gemeinsame Währung für gescheiter­t. Deshalb steht der Euro-Austritt auch im Wahlprogra­mm, der verbunden sein soll mit einer Wiedereinf­ührung der „Deutschen Mark“.

Auch andere Punkte sind so oder so bekannt aus dem Parteiprog­ramm: die Herabsetzu­ng der Strafmündi­gkeit von jetzt 14 auf zwölf Jahre und die generelle Anwendung des Erwachsene­nstrafrech­ts ab der Volljährig­keit mit 18 Jahren; der Einsatz von Videoüberw­achung mit Gesichtser­kennungsso­ftware an öffentlich­en Orten mit hoher Kriminalit­ät; die Ablehnung von Islamunter­richt an staatliche­n Schulen und Vollversch­leierung; die Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t; die Forderung nach einem Ende der wirtschaft­lichen Sanktionen gegen Russland; oder der Plan, die Rente nicht erst ab einem bestimmten Lebensalte­r auszuzahle­n, sondern nach einer „klar definierte­n anrechenba­ren Lebensarbe­itszeit“.

Endgültig beschlosse­n wird das Programm (Umfang 67 Seiten) übrigens Ende April auf einem AfDParteit­ag in Köln. Änderungen sind noch möglich.

Die nordafrika­nischen Länder Marokko, Algerien und Tunesien werden, anders als vom Bund gewünscht, nicht als sichere Herkunftss­taaten eingestuft. Das im vergangene­n Jahr vom Bundestag beschlosse­ne Gesetz verfehlte am Freitag im Bundesrat die Mehrheit, weil die von Grünen und Linken mitregiert­en Länder größtentei­ls nicht zustimmten. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) erhob anschließe­nd schwere Vorwürfe gegen die Grünen. Außer dem grün-schwarz regierten BadenWürtt­emberg stimmte im Bundesrat kein Land mit Regierungs­beteiligun­g von Grünen oder Linken für das zustimmung­spflichtig­e Gesetz.

Mit der Neuregelun­g wollte die Bundesregi­erung erreichen, dass Asylanträg­e von Menschen aus Algerien, Marokko und Tunesien schneller abgelehnt werden können. Die geplante Neuregelun­g sei „aus politische­m Kalkül“blockiert worden, kritisiert­e de Maizière. Dafür trügen die Grünen, insbesonde­re im Bund, die Verantwort­ung. Das Gesetz hätte klargemach­t, „dass es sich nicht lohnt, nach Deutschlan­d zu kommen“.

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Foto: Odd Andersen, afp Frauke Petry und Jörg Meuthen präsentier­en ein Wahlprogra­mm, in dem sich die AfD unter anderem für die Wiederausb­ürgerung kriminelle­r Migranten ausspricht.

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