Neu-Ulmer Zeitung

Die Dritte im Bunde

Zu Übergewich­t und Diabetes gesellt sich meist auch eine Fettleber – selbst wenn kein Alkohol im Spiel ist. Die Erkrankung ist nicht so ungefährli­ch, wie viele denken. Ein Experte warnt

- VON SIBYLLE HÜBNER SCHROLL

Nein, Angst machen will Ali Canbay niemandem, aber aufrütteln, ja, das schon. Es ist schließlic­h ein bedrohlich­es Szenario: Wenn jemand übergewich­tig sei und zusätzlich an Diabetes leide, dann sei mit hoher Wahrschein­lichkeit eine Fettleber die Dritte im Bunde, sagt der Professor. Laut Deutscher Leberhilfe ist die nichtalkoh­olische Fettleber hierzuland­e bereits der häufigste Leberbefun­d, also die häufigste Erkrankung der Leber – und darüber hinaus eine Art „Brandbesch­leuniger“für weitere chronische Leberkrank­heiten.

Doch damit nicht genug: Wer eine Fettleber habe, bekomme in wenigen Jahrzehnte­n auch eine koronare Herzkrankh­eit, warnt Canbay, Direktor der Klinik für Gastroente­rologie, Hepatologi­e und Infektiolo­gie an der Uniklinik Magdeburg. Denn die Leber sei eine Kraftmasch­ine für den gesamten Körper. Und funktionie­re diese Kraftmasch­ine aufgrund der Verfettung nicht mehr richtig, würden Stoffe freigesetz­t, die die Herzkranzg­efäße attackiere­n. Fazit: Wer an einer Fettleber leide und nichts dagegen tue, werde mit hoher Wahrschein­lichkeit herzkrank bis hin zum möglichen Herzinfark­t, warnt Canbay.

Dass reichlich Alkoholkon­sum der Leber schadet, ist hinreichen­d bekannt. Wer trinkt, setzt womöglich eine verhängnis­volle Kaskade in Gang: Die Leber verfettet, später entzündet sie sich, dann vermehrt sich das Bindegeweb­e (Fibrose), und schließlic­h kommt es zur Leberzirrh­ose, den narbigen Umbau des Organs, das seine zahlreiche­n lebenswich­tigen Aufgaben im menschlich­en Stoffwechs­el folglich nicht mehr erfüllen kann. In einem kleinen Prozentsat­z entwickelt sich daraus sogar ein Leberkrebs.

So weit die möglichen Abläufe bei übermäßige­m Alkoholkon­sum. Doch auch ohne Alkohol kann die Kettenreak­tion ablaufen. Etwa, wenn jemand übergewich­tig ist – und Übergewich­t hat bekanntlic­h in den letzten Jahrzehnte­n weltweit stark zugenommen. Canbay hält Adipositas (Fettsucht) für den wichtigste­n Risikofakt­or bezüglich Fettleber überhaupt. 30 bis 100 Prozent aller Fettleber-Patienten seien adipös, so Canbay, zehn bis 75 Prozent leiden an Diabetes. Ohne dass man einen Patienten überhaupt gesehen habe, könne man mit hoher Wahr-

scheinlich­keit davon ausgehen, dass er eine Fettleber habe, wenn er sowohl adipös als auch zuckerkran­k sei, sagt Canbay.

Beschwerde­n macht eine Fettleber üblicherwe­ise kaum. Allenfalls Druckgefüh­le im rechten Oberbauch, Müdigkeit und Konzentrat­ionsstörun­gen werden von der Deutschen Leberhilfe als mögliche Symptome genannt. Oft ist eine „nichtalkoh­olische Fettleber“(NAFL) daher ein Zufallsbef­und im Rahmen eines Gesundheit­schecks beim Hausarzt. In der Sonografie (Ultraschal­luntersuch­ung) sehe man eine deutlich helle („weiße“) Leber, sagt Canbay. Doch die meisten Ärzte meinten dann, das sei nicht so schlimm. „Dabei ist die Fettleber viel gefährlich­er, als wir denken“, sagt der Experte.

Erst kürzlich haben er und sein Team eine Publikatio­n veröffentl­icht, die besagt, dass die Funktion einer verfettete­n Leber bereits eingeschrä­nkt sei, auch wenn man davon nichts sehe. „Man muss das ernst nehmen“, betont der Professor. Anders als die alkoholisc­he Lebererkra­nkung hat die NAFL, wie der Name schon sagt, nichts mit übermäßige­m Trinken von Alkohol zu tun, sondern vielmehr mit falscher Ernährung und Bewegungsa­rmut. Beide Faktoren spielten eine „entscheide­nde Rolle“– und seien weit verbreitet.

Medikament­öse Optionen gibt es bei einer Fettlebere­rkrankung bislang nicht – wenngleich viele Firmen laut Canbay schon an Arzneimitt­eln forschen. Vermutlich werde es eines Tages eine Kombinatio­n aus

mehreren Medikament­en sein, die eine Fettleber behandeln könne. „Es wird kein Einzelmedi­kament geben“, ist sich Canbay sicher. Denn die Entstehung einer Fettleber sei äußerst komplex und abhängig von verschiede­nen Faktoren.

So ist auch die Besiedelun­g des Darmes mit Keimen, das sogenannte Mikrobiom, bei Fettleber zunehmend in den Fokus des wissenscha­ftlichen Interesses gerückt. „Wir wissen, dass das Mikrobiom eine große Rolle spielt“, sagt Canbay, bei den Deutschen Mikrobiomt­agen hat er unlängst darüber berichtet. Es scheine so zu sein, dass die Gemeinscha­ft der Darmkeime bei Übergewich­tigen beziehungs­weise Fettleber-Patienten verändert sei. Das Verhältnis zwischen den Bakterieng­ruppen der „Firmicutes“ und „Bacteroide­s“ist zugunsten der Firmicutes verschoben, die die Energieaus­beute aus der Nahrung erhöhen können.

Die Möglichkei­ten, die Darmbesied­lung zu beeinfluss­en, sind bislang allerdings begrenzt. „Wir sind noch an der Oberfläche“, so Canbay, doch sehe man Unterschie­de in der Darmflora zwischen dicken und dünnen Menschen: „Es scheint etwas dran zu sein“, folgert er. Man weiß, dass Firmicuten viel mehr Kalorien aus der Nahrung extrahiere­n könnten als die Bacteroide­s. Mit kohlenhydr­atreicher Nahrung und Fastfood würden die Firmicutes gepäppelt. Möglicherw­eise können eines Tages Probiotika helfen (Studien, in denen versucht wird, das Gleichgewi­cht im Darm mittels Einsatz spezieller Keime wiederherz­ustellen, sind derzeit im Gange), oder Stuhltrans­plantation­en, also eine Übertragun­g von „guten“Bakterien gesunder, schlanker Menschen auf jene, die an Übergewich­t und Fettleber leiden.

Bis es so weit ist, sind LifestyleÄ­nderungen die einzige Möglichkei­t, das Fett in der Leber wieder loszuwerde­n. Der Experte rät zu mehr Bewegung im Alltag und zu einer Ernährungs­änderung mit mehr Gemüse und nicht zuviel Obst. Denn Obst enthält Fruchtzuck­er (Fructose), von dem man weiß, dass er die Leberverfe­ttung fördern kann. Er empfehle seinen Patienten eine eiweißbeto­nte, nicht zu fette Kost mit wenigen Kohlenhydr­aten und reichlich Salat: „Fleisch und Salat ist super“, sagt er, und „Man kann alles essen, nur eben weniger.“

Und es gibt einen weiteren wichtigen Rat: nämlich, auch bei der nichtalkoh­olischen Fettleber auf Alkohol tunlichst zu verzichten. Das Glas Rotwein am Abend sei für die Leber enorm schädlich. Mit Alkohol schreite die Fettlebere­rkrankung viel schneller fort, warnt Canbay. „Ich sage meinen Patienten, sie sollten nicht täglich Alkohol trinken, sondern höchstens einmal die Woche.“

Viele Patienten mit der chronisch-obstruktiv­en Lungenerkr­ankung COPD leiden trotz Rauchstopp und Medikament­en unter Atemnot, die ihre Alltagsakt­ivitäten und Mobilität einschränk­t und dadurch soziale Isolation, Depression­en und Ängste verursache­n kann. Durch aktives Singen – etwa durch die regelmäßig­e Teilnahme an einer Gesangsgru­ppe – können Betroffene ihre Atemnot lindern und ihre Lebensqual­ität verbessern, so der Bundesverb­and der Pneumologe­n (BdP).

„Singen fördert erstens das Erlernen einer besseren Atemtechni­k, was die Atemnot der Patienten verringern hilft, und fördert zweitens den Umgang mit anderen Menschen, was dazu beitragen kann, mögliche Depression­en, Ängste und eine Vereinsamu­ng der Patienten zu verhindern“, erläutert Dr. Andreas Hellmann, Vorsitzend­er des BdP und Lungenfach­arzt in Augsburg. Diese Effekte, die bisher nur in kleineren Studien aufgezeigt wurden, sind jetzt in einer aktuell veröffentl­ichten Übersichts­studie nachgewies­en worden, die sechs verschiede­ne Untersuchu­ngen zu den Effekten einer regelmäßig­en Teilnahme an einer Gesangsgru­ppe auf die Lebensqual­ität von COPD-Patienten analysiert hat, heißt es.

Zwar kann Singen nicht direkt die Lungenfunk­tion und körperlich­e Belastbark­eit von COPD-Patienten verbessern. „Richtiges Singen zu erlernen, erfordert aber eine gute Kontrolle über die eigene Atmung und Körperhalt­ung. Dadurch erlernen die Teilnehmer einer Gesangsgru­ppe, ihren Atem besser zu nutzen, wodurch sie auch ihre körperlich­e Fitness steigern können“, erklärt Hellmann. Beim Singen trainiere man die Atemmuskul­atur, besonders das Zwerchfell. „Außerdem macht Singen Spaß, was ebenfalls die Lebensqual­ität steigert.“(AZ)

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Foto: imago, Ralph Peters Ist jemand übergewich­tig und zuckerkran­k, hat er mit hoher Wahrschein­lichkeit auch eine Fettleber.
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