Ein Wald von Fragezeichen
In der Neu-Ulmer Stadtverwaltung wird derzeit alles zusammengetragen, was die Stadt für die Kreisfreiheit bräuchte. Dabei zeigt sich: Es wird nicht ganz einfach
Am Ende läuft alles auf eine vermeintlich einfache Entscheidung raus: ja oder nein? Soll NeuUlm Kreisstadt bleiben oder sich selbstständig machen? Doch bis diese Frage beantwortet werden kann, müssen sehr sehr viele andere gestellt und beantwortet werden. Momentan kämpfen sich die verschiedenen Fachbereiche der Neu-Ulmer Stadtverwaltung durch einen regelrechten Wald von Fragezeichen: Sie versuchen derzeit herauszufinden, wer welche behördlichen Aufgaben übernehmen müsste, wenn die Stadtpolitiker tatsächlich den Nuxit wagen. Oberbürgermeister Gerold Noerenberg räumt im Gespräch mit unserer Zeitung freimütig ein, er sehe derzeit nur Fragezeichen.
Bis daraus mal Ausrufezeichen werden, könnte noch einige Zeit vergehen, denn die Neu-Ulmer betreten Neuland. Bisher hat sich in Bayern noch keine Stadt einfach so für kreisfrei erklärt. Es gibt also kein Beispiel, an dem man sich orientieren könnte, keine „To Do“-Liste, die sich einfach nur abarbeiten lässt. Deshalb muss nun erst mal das geleistet werden, was Noerenberg „echte Kärrnerarbeit“nennt, nämlich den Wald von Fragezeichen nicht nur auszulichten, sondern komplett abzuholzen.
In den vergangenen Wochen hat- te die Verwaltung einiges an Zusatzausgaben zu stemmen, nämlich herauszufinden, welche Aufgaben, die bisher unter die Regie des Landkreises fallen, künftig von ihr erledigt werden müssten. In der sogenannten Elefantenrunde, in der sich die Fachbereichsleiter treffen, wurde vor Kurzem eine Liste aufgestellt. Kämmerer Berthold Stier beispielsweise, müsste im Großen und Ganzen keine zusätzlichen neuen Aufgaben übernehmen, doch die Arbeit würde deutlich anwachsen.
Ganz anders träfe es seinen Kollegen Ralph Seiffert, der den Bereich Schulen, Kultur, Sport und Soziales unter sich hat. Ihm droht eine ganze Latte an neuen Zuständigkeiten, etwa für die Gymnasien und Realschulen, Berufsschulen, Fachoberschulen bis hin zur Kreisbildstelle; von der Schwangeren- und Schuldnerberatung über die Förderung von Familienerholung auf dem Bauernhof bis hin zur Sportförderung und nicht zu vergessen der gesamte Bereich der Sozialleistungen. Und dann müsste sich die Stadt komplett um das Flüchtlingsthema kümmern. Bisher ist sie nur gefragt, wenn es um die Unterbringung von anerkannten Asylbewerbern geht, als sogenannte Obdachlosenbehörde. „In manchen Bereichen käme wenig dazu, in anderen jede Menge“, bilanziert Noerenberg. Natürlich steckt in nicht wenigen Details der Teufel, wenn etwa getrennt werden müsste, was nun zusammengehört. So ging das Lessinggymnasium an den Landkreis, als Neu-Ulm 1972 seine Kreisfreiheit verlor. Doch mittlerweile wurde es dreimal erweitert. Wenn nun die Stadt wieder die sogenannte „Sachaufwandsträgerschaft“übernähme, wie müsste dann der Ausgleich für die Zubauten aussehen? Und was ist mit den Kreisstraßen auf dem Gebiet der Kreisfreiheit stellt: „Wollen die komplette Lösungsvorschläge für alles?“Das Gesetz liefere keine Handlungsanleitung.
Sollten die Zeichen tatsächlich auf einen Exitus der Großen Kreisstadt stehen, würden die Landtagsabgeordneten sich diesem Ansinnen wohl nicht in den Weg stellen. Der Innenausschuss hat sich, nach Informationen unserer Zeitung, bereits Ende vergangenen Jahres mit dem Ansinnen befasst. Widerstand gegen den (Kreis-)Freiheitswunsch erhob sich keiner. „Wenn sie gehen wollen, können sie gehen“, sagte hinterher ein Teilnehmer der Debatte.
Bis zur endgültigen Entscheidung vergeht noch einige Zeit. Derzeit werden im Rathaus die weiteren Schritte definiert. Das bedeute noch richtig viel Arbeit, sagt Noerenberg: „Aber das dauert eben seine Zeit, denn wir können uns hier nicht nur um das Thema Kreisfreiheit kümmern.“Ende Juni soll der Stadtrat die Fakten vorgelegt bekommen, um dann über einen möglichen Ausstieg zu beraten.
Für einen zumindest, würde sich nicht so viel ändern: für den Oberbürgermeister. Das beteuert er im Gespräch : „Ich komme in keine andere Besoldungsgruppe. Und ob ich mich mit dem Landrat oder künftig mit dem Regierungspräsidenten auseinandersetzen muss – das macht keinen so großen Unterschied.“ Eine seit Längerem schwelende Auseinandersetzung zweier Nachbarn ist am Samstagnachmittag in Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis) eskaliert. Erst kam es laut Polizei zu verbalen Entgleisungen. Daraufhin schlug ein 52-Jähriger seinem 57-jährigen Nachbarn mit einer Zaunlatte in den Unterleib. Der Verletzte musste ins Krankenhaus gebracht werden. Der Hintergrund des Streits war nach Angaben der Polizei vor Ort nicht zu ermitteln. Alkohol spielte in der Auseinandersetzung wohl auch eine Rolle. Den Schläger erwartet nun eine Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung, während der Verletzte wahrscheinlich wegen Beleidigung zur Rechenschaft gezogen wird. (az)