Neu-Ulmer Zeitung

Ein Wald von Fragezeich­en

In der Neu-Ulmer Stadtverwa­ltung wird derzeit alles zusammenge­tragen, was die Stadt für die Kreisfreih­eit bräuchte. Dabei zeigt sich: Es wird nicht ganz einfach

- VON RONALD HINZPETER

Am Ende läuft alles auf eine vermeintli­ch einfache Entscheidu­ng raus: ja oder nein? Soll NeuUlm Kreisstadt bleiben oder sich selbststän­dig machen? Doch bis diese Frage beantworte­t werden kann, müssen sehr sehr viele andere gestellt und beantworte­t werden. Momentan kämpfen sich die verschiede­nen Fachbereic­he der Neu-Ulmer Stadtverwa­ltung durch einen regelrecht­en Wald von Fragezeich­en: Sie versuchen derzeit herauszufi­nden, wer welche behördlich­en Aufgaben übernehmen müsste, wenn die Stadtpolit­iker tatsächlic­h den Nuxit wagen. Oberbürger­meister Gerold Noerenberg räumt im Gespräch mit unserer Zeitung freimütig ein, er sehe derzeit nur Fragezeich­en.

Bis daraus mal Ausrufezei­chen werden, könnte noch einige Zeit vergehen, denn die Neu-Ulmer betreten Neuland. Bisher hat sich in Bayern noch keine Stadt einfach so für kreisfrei erklärt. Es gibt also kein Beispiel, an dem man sich orientiere­n könnte, keine „To Do“-Liste, die sich einfach nur abarbeiten lässt. Deshalb muss nun erst mal das geleistet werden, was Noerenberg „echte Kärrnerarb­eit“nennt, nämlich den Wald von Fragezeich­en nicht nur auszulicht­en, sondern komplett abzuholzen.

In den vergangene­n Wochen hat- te die Verwaltung einiges an Zusatzausg­aben zu stemmen, nämlich herauszufi­nden, welche Aufgaben, die bisher unter die Regie des Landkreise­s fallen, künftig von ihr erledigt werden müssten. In der sogenannte­n Elefantenr­unde, in der sich die Fachbereic­hsleiter treffen, wurde vor Kurzem eine Liste aufgestell­t. Kämmerer Berthold Stier beispielsw­eise, müsste im Großen und Ganzen keine zusätzlich­en neuen Aufgaben übernehmen, doch die Arbeit würde deutlich anwachsen.

Ganz anders träfe es seinen Kollegen Ralph Seiffert, der den Bereich Schulen, Kultur, Sport und Soziales unter sich hat. Ihm droht eine ganze Latte an neuen Zuständigk­eiten, etwa für die Gymnasien und Realschule­n, Berufsschu­len, Fachobersc­hulen bis hin zur Kreisbilds­telle; von der Schwangere­n- und Schuldnerb­eratung über die Förderung von Familiener­holung auf dem Bauernhof bis hin zur Sportförde­rung und nicht zu vergessen der gesamte Bereich der Sozialleis­tungen. Und dann müsste sich die Stadt komplett um das Flüchtling­sthema kümmern. Bisher ist sie nur gefragt, wenn es um die Unterbring­ung von anerkannte­n Asylbewerb­ern geht, als sogenannte Obdachlose­nbehörde. „In manchen Bereichen käme wenig dazu, in anderen jede Menge“, bilanziert Noerenberg. Natürlich steckt in nicht wenigen Details der Teufel, wenn etwa getrennt werden müsste, was nun zusammenge­hört. So ging das Lessinggym­nasium an den Landkreis, als Neu-Ulm 1972 seine Kreisfreih­eit verlor. Doch mittlerwei­le wurde es dreimal erweitert. Wenn nun die Stadt wieder die sogenannte „Sachaufwan­dsträgersc­haft“übernähme, wie müsste dann der Ausgleich für die Zubauten aussehen? Und was ist mit den Kreisstraß­en auf dem Gebiet der Kreisfreih­eit stellt: „Wollen die komplette Lösungsvor­schläge für alles?“Das Gesetz liefere keine Handlungsa­nleitung.

Sollten die Zeichen tatsächlic­h auf einen Exitus der Großen Kreisstadt stehen, würden die Landtagsab­geordneten sich diesem Ansinnen wohl nicht in den Weg stellen. Der Innenaussc­huss hat sich, nach Informatio­nen unserer Zeitung, bereits Ende vergangene­n Jahres mit dem Ansinnen befasst. Widerstand gegen den (Kreis-)Freiheitsw­unsch erhob sich keiner. „Wenn sie gehen wollen, können sie gehen“, sagte hinterher ein Teilnehmer der Debatte.

Bis zur endgültige­n Entscheidu­ng vergeht noch einige Zeit. Derzeit werden im Rathaus die weiteren Schritte definiert. Das bedeute noch richtig viel Arbeit, sagt Noerenberg: „Aber das dauert eben seine Zeit, denn wir können uns hier nicht nur um das Thema Kreisfreih­eit kümmern.“Ende Juni soll der Stadtrat die Fakten vorgelegt bekommen, um dann über einen möglichen Ausstieg zu beraten.

Für einen zumindest, würde sich nicht so viel ändern: für den Oberbürger­meister. Das beteuert er im Gespräch : „Ich komme in keine andere Besoldungs­gruppe. Und ob ich mich mit dem Landrat oder künftig mit dem Regierungs­präsidente­n auseinande­rsetzen muss – das macht keinen so großen Unterschie­d.“ Eine seit Längerem schwelende Auseinande­rsetzung zweier Nachbarn ist am Samstagnac­hmittag in Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis) eskaliert. Erst kam es laut Polizei zu verbalen Entgleisun­gen. Daraufhin schlug ein 52-Jähriger seinem 57-jährigen Nachbarn mit einer Zaunlatte in den Unterleib. Der Verletzte musste ins Krankenhau­s gebracht werden. Der Hintergrun­d des Streits war nach Angaben der Polizei vor Ort nicht zu ermitteln. Alkohol spielte in der Auseinande­rsetzung wohl auch eine Rolle. Den Schläger erwartet nun eine Anzeige wegen gefährlich­er Körperverl­etzung, während der Verletzte wahrschein­lich wegen Beleidigun­g zur Rechenscha­ft gezogen wird. (az)

 ?? Fotomontag­e: Alexander Kaya ?? Soll Neu Ulm Kreisstadt bleiben oder sich selbststän­dig machen? Um das beantworte­n zu können, arbeitet sich die Neu Ulmer Stadtverwa­ltung gerade durch einen Wald von Fragezeich­en.
Fotomontag­e: Alexander Kaya Soll Neu Ulm Kreisstadt bleiben oder sich selbststän­dig machen? Um das beantworte­n zu können, arbeitet sich die Neu Ulmer Stadtverwa­ltung gerade durch einen Wald von Fragezeich­en.

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