Des Unternehmers wunder Punkt
Günter Frey von der IG Metall über Stagnation bei Betriebsratswahlen, Unternehmen ohne Tarif und Unterschiede zwischen Bayern und dem „Ländle“
Ehrgeizig trat der ProjektSekretär der Industriegewerkschaft (IG) Metall Rainer Kau vor drei Jahren mit einem festen Ziel an: Die Gewerkschaft in mehr Betrieben zu etablieren und dann möglichst bald einen Betriebsrat gründen. Der Erfolg war ziemlich bescheiden, wie Günter Frey, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Neu-Ulm/Günzburg konstatieren muss. Lediglich in drei Betrieben (Liebherr NeuUlm, SMB Vöhringen und Silvergreen Günzburg) gelang es, einen neuen Betriebsrat zu etablieren.
Nur in etwa 60 Betrieben der Kreise Günzburg und Neu-Ulm ist die IG Metall per Mitgliedschaft von Mitarbeitern vertreten, zu 100 weiteren Unternehmen aus der Metallund Elektrobranche gebe es keinerlei Kontakt.
Als Misserfolg will Frey die zeitlich befristete Erschließungsarbeit allerdings nicht werten: Rein rechnerisch habe der Projektsekretär die Zahl der Firmen mit Betriebsräten in drei Jahren um fünf Prozent gesteigert. „Das kann sich sehen lassen.“Das Projekt in Neu-Ulm ist nun allerdings ausgelaufen, Kau derzeit in NordrheinWestfalen Arbeitnehmerrechte zu stärken.
Kaus mühsames Geschäft aufgeben will Frey deswegen aber nicht gänzlich. Die Gesetzeslage sei zu eindeutig. Einen Betriebsrat zu wählen ist in Deutschland demokratisches Recht der Beschäftigten: Ab fünf Mitarbeitern ist ein solches Gremium zu gründen. Doch wie Frey beklagt, ist dieses Organ betrieblicher Mitsprache für viele Unternehmer ein rotes Tuch. „Es wird oft grob umgesprungen mit Leuten, die versuchen einen zu gründen“, weiß Frey. Es werde auf unterschiedlichste Weise Druck aufgebaut, was die Betriebsratsgründung allzu oft zur Fehlgeburt werden lasse. Die Palette reiche von persönlichen Gesprächen, bei denen Mitarbeitern derartige Ideen ausgeredet werden, bis hin zu einer indirekten Verknüpfung der Weihnachtsgeldauszahlung mit der Betriebsratsfrage.
Bekannte Unternehmen ohne Betriebsrat im Kreis seien etwa Gummi Welz in Neu-Ulm oder Kränzle in Illertissen. „Da haben Schüler in ihrer Schule mehr zu sagen als die Mitarbeiter dieser Firmen.“Ohne Betriebsrat könne der Arbeitgeber im Grunde machen, was er will. Bei einer Betriebsschließung etwa, gibt es ohne Betriebsrat nicht einmal einen Interessenausgleich und Sozialplan mit Abfindungen.
Auch bei Firmen, die sich Tarifverträgen verschließen, beißt die Gewerkschaft seit Jahren auf Granit. „Unglaublich“findet Frey, dass ein Großbetrieb wie der Weltmarktführer von Einkaufswagen, die Firma Wanzl in Leipheim nicht nach Tarif bezahlt. So etwas wie einen Anspruch auf Altersteilzeit gebe es nicht. Die Chancen, dass sich einmal das ändert, stehen nicht schlecht, sagt Frey. Die Beschäftigten brennen darauf und ließen nicht locker.
Auch Al-Ko in Kötz, eine Firmengruppe, die insbesondere durch Rasenmäher bekannt ist, verweigere sich dem Tarif. Frey sieht insbesondere in ländlich gelegenen, mittelständisch geprägten Betrieben große Vorbehalten gegen Gewerkschaften. „Da sind wir immer noch die Roversucht ten.“Es gebe auch kulturelle Schranken: „In Baden-Württemberg ist es normal, Mitglied der IG Metall zu sein und CDU zu wählen.“In Bayern hingegen ist nach Freys Beobachtungen offenbar ein konservatives Wahlverhalten nicht vereinbar mit einer Gewerkschaftsmitgliedschaft. „Warum das so ist, verschließt sich mir“, sagt Frey. Dafür gebe es keine bessere Investition als eine Gewerkschafts-Mitgliedschaft, die regelmäßig Lohnerhöhungen bringe.
Während in kleineren und mittelständischen Betrieben aus Sicht der IG Metall die Mitbestimmung leide, sehe es in Großbetrieben gut aus. Wieland etwa, ist zwar nicht im Arbeitgeberverband, zahle aber nach Tarif. Auch vom größten Arbeitgeber in Weißenhorn vernimmt die Gewerkschaft keine Klagen. Peri „sprühe vor Innovation“und habe sehr zufriedene Mitarbeiter. Und selbst Bosch-Rexroth in Elchingen sei rein wirtschaftlich wieder auf Kurs habe nun aber selbst gemachte Probleme: „Die haben zu viele Leute rausgeschmissen.“Nun seien Überstunden an der Tagesordnung und Leiharbeiter würden eingestellt.
Es kursieren Gerüchte über die Zukunft der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK). Die besagen, dass sich die größte gesetzliche Krankenkasse in Bayern (250 Geschäftsstellen) anders aufstellen will. Eine Strukturreform könnte beispielsweise bedeuten, dass die Zahl der Direktionen verkleinert wird. Im Freistaat gibt es insgesamt 39, Günzburg ist eine davon – mit neun weiteren Geschäftsstellen im Direktionsbereich. Was ist dran an den Vermutungen?
„Aktuell gibt es nichts zu diskutieren“, sagt Hermann Hillenbrand, AOK-Direktor in Günzburg. Er nennt das, was aufgeschnappt und nach außen getragen worden ist, einen nicht substanziellen Flurfunk. Gleichwohl räumt der AOK-Chef ein, dass es fortlaufend Diskussionsprozesse gebe, wie sich ein Unternehmen in Zukunft aufstelle. „Es wäre doch fahrlässig, wenn man solche Überlegungen nicht anstellen würde.“
Dass für den Direktionsstandort Günzburg, wenn auch erst in einigen Jahren, eine „bedrohliche Situation“entstehen könnte, hält Hillenbrand für abwegig. „Die AOK ist und bleibt in der Region stark vertreten“, sagt er und versichert: „Die Geschäfte laufen gut.“
300 Mitarbeiter, davon 200 allein in Günzburg, betreuen rund 147 000 Versicherte in den Landkreisen Neu-Ulm, Dillingen und Günzburg. Und die Kunden des angrenzenden Kreises Unterallgäu werden telefonisch auch noch von der Direktion Günzburg aus beraten. Im vergangenen Jahr seien 3500 neue Versicherte gewonnen worden. „Das ist eine sehr gute Entwicklung innerhalb der AOK Bayern“, bekräftigt Hillenbrand.
In den kommenden Monaten wird die AOK, den Worten des Direktionschefs zufolge, weiter in ihr Geschäftsstellennetz investieren: Anfang 2018 soll die SchwerpunktGeschäftsstelle in Neu-Ulm runderneuert sein. In Krumbach werde die neue Geschäftsstelle im Mai bezogen. Das jetzige Gebäude stamme aus den 50er-Jahren. Eine Modernisierung hätte fast eine Million Euro gekostet. (ioa)