Umsturz per Mausklick
Kauf im Internet kostet der Ulmer Fußgängerzone immer mehr Umsatz. Was Experten für Veränderungen erwarten und warum die Sedelhöfe trotzdem wichtig sein sollen
Auf gravierende Veränderungen in den kommenden Jahren stellen sich die Einzelhändler in der Region ein. Beim „Handelsdialog“des Baden-Württembergischen Handelsverbands in der Ulmer Volksbank wurde deutlich, dass die Revolution gerade erst begonnen hat. Klaus Gutknecht, Professor für Handels-, Dienstleistungs- und E-Marketing an der Hochschule München, rechnet damit, dass der Anteil der im Internet gekauften Textilien von derzeit etwas über 22 Prozent bis 2025 auf 37,5 Prozent steige.
Einen derartigen Rückgang könnten die wenigsten inhabergeführten Geschäfte dieser Schlüsselbranche verkraften. Vor diesem Hintergrund hält auch Ulms Citymanager Henning Krone steigende Ladenlehrstände in den kommenden Jahren für wahrscheinlich. Allerdings ist Krone überzeugt, dass sich der Markt von selbst regulieren werde: Die Mieten würden wieder sinken und das eine oder andere inhabergeführte Geschäft durch einen Filialisten verdrängt. Schwarzmalen will Krone nicht. Auch wenn der vorübergehende Verlust von 500 Parkplätzen den Händlern noch bis der Eröffnung eines neuen Parkhauses, zusetzen werde. Ulm bleibe ein florierender Marktplatz, die Stadt sei auch in Zukunft der „Showroom“großer Marken. Wenn bei Galeria-Kaufhof etwa der Onlineumsatz steige, habe dies auch mit der Präsenz in der Innenstadt zu tun. Die Zukunft des Einzelhandels liege in einer Multikanalstrategie. Das heißt: die Häuser verkaufen sowohl online als auch in ihren Geschäften. Aber um den potenziellen Kunden die Waren präsentieren zu können, blieben Filialen wichtig. Umso bedeutender sei der Bau der Sedelhöfe, die neue, bisher nicht in Ulm vertretene Filialisten nach Ulm hole und so die Attraktivität der gesamten Innenstadt erhöhe.
Eine Ausnahme in der inhabergeführten Ulmer Handelslandschaft ist Hermann Hutter, der drei AbtHäuser, einen Spielverlag und drei Online-Geschäfte führt. 30 Prozent des Umsatzes generiere der Präsident des Handelsverbandes BadenWürttemberg bereits im Internet. Die Händler sollten mehr versuchen wie Verbraucher zu denken, so Hutter. Es müsse Gründe geben in Geschäfte zu kommen. Ein triftiger dafür sei ein gewisses Flair, in das investiert werden müsse. Kunden ziehen den Besuch in einer Innenstadt nur dem Kauf per Mausklick vor, wenn es etwas zu erleben gebe.
In Ulm sieht Krone Nachholbedarf in der Fußgängerzone. Zu diesem Thema stellte jüngst die Fraktion der Grünen im Ulmer Gemeinderat einen Antrag: Einen Ideenwettbewerb soll zur Stärkung und Steigerung der Attraktivität der Ulmer Innenstadt beitragen. Es sei Aufgabe der Städte, die Zugkraft des öffentlichen Raums zu erhöhen.
Sorgenfalten treibt Händler Hutter die Entwicklung des Ulmer Umlands auf die Stirn. Zwei neue Konkurrenten ziehen Frequenz ab: So haben sich die Fabrikverkäufe auf dem ehemaligen WMF-Gelände in Geislingen zum City Outlet gemausert. Und in Jettingen-Scheppach sei „still und heimlich“rund um einen ehemaligen Obi–Markt trotz baurechtlicher Bedenken ein Outlet-Center entstanden.
Skeptisch gegenüber standen die Referenten den bisher an den Markt gegangenen Internetportalen ganzer Innenstädte wie etwa „Online City Wuppertal“. Wie Gutknecht beton2019, te, müsste bei solchen Internetauftritten deutlicher der Mehrwert für Kunden im Mittelpunkt stehen. Als Beispiel nannte er Veranstaltungstipps oder Verkehrsinformationen.
Konkurrenten seien schließlich Giganten wie Amazon, die ihr Geschäft ständig perfektionieren würden. Der weltgrößte Händler führte etwa jüngst in München als Pilotprojekt die Zustellung am gleichen Tag ein und der Professor schilderte eindrucksvoll, wie gut das bereits im Alltag funktioniere. „Das ist eine echte Herausforderung“, so Gutknecht, die bei einer flächendeckenden Einführung den gesamten Einzelhandel auf den Kopf stellen könnte. Letztlich entscheide der Preis. Untersuchungen, die Gutknecht zitierte, hätten herausgefunden, dass Kunden maximal bereit seien im stationären Ladengeschäft zehn Prozent mehr als online zu zahlen. Das bedeute schlechte Aussichten für kleine, vermeintlich besonders originelle Geschäfte, da letztlich jedes Produkt irgendwo im Internet zu kaufen sei. Dass die Innenstädte aussterben, glaubt Gutknecht aber nicht. Die „grüne Wiese“würde leiden. Seine Antwort auf die Frage, wie die Ulmer Fußgängerzone 2030 aussieht: Ikea ist da. Und auch einige Autohäuser. Auf ungewöhnliche Beute hat es zwischen Donnerstag und Freitag ein Dieb in Ludwigsfeld abgesehen: Wie die Polizei mitteilt, ließ der Unbekannte im Zeitraum von Donnerstag, 12 Uhr, und Freitag, 8.30 Uhr, neun Bisamrattenfallen im Wert von 360 Euro mitgehen. Die Fallen waren am südwestlichen Ufer des Illerkanals in Ludwigsfeld (in der Nähe des Kraftwerks der Stadtwerke Ulm) aufgestellt. (az) O
Zeugen werden gebeten, sich unter 0731/8013 0 zu melden. Auf einer Baustelle in der Steinhövelstraße am Safranberg haben Unbekannte am Wochenende Sachschaden angerichtet. Die Personen machten im zweiten Obergeschoss ein Feuer. Sie verbrannten dort Baustellenabfälle, aber auch brennbare Gegenstände von Wert. Darunter ein altes Treppengeländer aus Holz. Die Höhe des Sachschadens war gestern noch nicht bekannt. Die Polizei ermittelt. (az)