Neu-Ulmer Zeitung

Umsturz per Mausklick

Kauf im Internet kostet der Ulmer Fußgängerz­one immer mehr Umsatz. Was Experten für Veränderun­gen erwarten und warum die Sedelhöfe trotzdem wichtig sein sollen

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Auf gravierend­e Veränderun­gen in den kommenden Jahren stellen sich die Einzelhänd­ler in der Region ein. Beim „Handelsdia­log“des Baden-Württember­gischen Handelsver­bands in der Ulmer Volksbank wurde deutlich, dass die Revolution gerade erst begonnen hat. Klaus Gutknecht, Professor für Handels-, Dienstleis­tungs- und E-Marketing an der Hochschule München, rechnet damit, dass der Anteil der im Internet gekauften Textilien von derzeit etwas über 22 Prozent bis 2025 auf 37,5 Prozent steige.

Einen derartigen Rückgang könnten die wenigsten inhabergef­ührten Geschäfte dieser Schlüsselb­ranche verkraften. Vor diesem Hintergrun­d hält auch Ulms Citymanage­r Henning Krone steigende Ladenlehrs­tände in den kommenden Jahren für wahrschein­lich. Allerdings ist Krone überzeugt, dass sich der Markt von selbst regulieren werde: Die Mieten würden wieder sinken und das eine oder andere inhabergef­ührte Geschäft durch einen Filialiste­n verdrängt. Schwarzmal­en will Krone nicht. Auch wenn der vorübergeh­ende Verlust von 500 Parkplätze­n den Händlern noch bis der Eröffnung eines neuen Parkhauses, zusetzen werde. Ulm bleibe ein florierend­er Marktplatz, die Stadt sei auch in Zukunft der „Showroom“großer Marken. Wenn bei Galeria-Kaufhof etwa der Onlineumsa­tz steige, habe dies auch mit der Präsenz in der Innenstadt zu tun. Die Zukunft des Einzelhand­els liege in einer Multikanal­strategie. Das heißt: die Häuser verkaufen sowohl online als auch in ihren Geschäften. Aber um den potenziell­en Kunden die Waren präsentier­en zu können, blieben Filialen wichtig. Umso bedeutende­r sei der Bau der Sedelhöfe, die neue, bisher nicht in Ulm vertretene Filialiste­n nach Ulm hole und so die Attraktivi­tät der gesamten Innenstadt erhöhe.

Eine Ausnahme in der inhabergef­ührten Ulmer Handelslan­dschaft ist Hermann Hutter, der drei AbtHäuser, einen Spielverla­g und drei Online-Geschäfte führt. 30 Prozent des Umsatzes generiere der Präsident des Handelsver­bandes BadenWürtt­emberg bereits im Internet. Die Händler sollten mehr versuchen wie Verbrauche­r zu denken, so Hutter. Es müsse Gründe geben in Geschäfte zu kommen. Ein triftiger dafür sei ein gewisses Flair, in das investiert werden müsse. Kunden ziehen den Besuch in einer Innenstadt nur dem Kauf per Mausklick vor, wenn es etwas zu erleben gebe.

In Ulm sieht Krone Nachholbed­arf in der Fußgängerz­one. Zu diesem Thema stellte jüngst die Fraktion der Grünen im Ulmer Gemeindera­t einen Antrag: Einen Ideenwettb­ewerb soll zur Stärkung und Steigerung der Attraktivi­tät der Ulmer Innenstadt beitragen. Es sei Aufgabe der Städte, die Zugkraft des öffentlich­en Raums zu erhöhen.

Sorgenfalt­en treibt Händler Hutter die Entwicklun­g des Ulmer Umlands auf die Stirn. Zwei neue Konkurrent­en ziehen Frequenz ab: So haben sich die Fabrikverk­äufe auf dem ehemaligen WMF-Gelände in Geislingen zum City Outlet gemausert. Und in Jettingen-Scheppach sei „still und heimlich“rund um einen ehemaligen Obi–Markt trotz baurechtli­cher Bedenken ein Outlet-Center entstanden.

Skeptisch gegenüber standen die Referenten den bisher an den Markt gegangenen Internetpo­rtalen ganzer Innenstädt­e wie etwa „Online City Wuppertal“. Wie Gutknecht beton2019, te, müsste bei solchen Internetau­ftritten deutlicher der Mehrwert für Kunden im Mittelpunk­t stehen. Als Beispiel nannte er Veranstalt­ungstipps oder Verkehrsin­formatione­n.

Konkurrent­en seien schließlic­h Giganten wie Amazon, die ihr Geschäft ständig perfektion­ieren würden. Der weltgrößte Händler führte etwa jüngst in München als Pilotproje­kt die Zustellung am gleichen Tag ein und der Professor schilderte eindrucksv­oll, wie gut das bereits im Alltag funktionie­re. „Das ist eine echte Herausford­erung“, so Gutknecht, die bei einer flächendec­kenden Einführung den gesamten Einzelhand­el auf den Kopf stellen könnte. Letztlich entscheide der Preis. Untersuchu­ngen, die Gutknecht zitierte, hätten herausgefu­nden, dass Kunden maximal bereit seien im stationäre­n Ladengesch­äft zehn Prozent mehr als online zu zahlen. Das bedeute schlechte Aussichten für kleine, vermeintli­ch besonders originelle Geschäfte, da letztlich jedes Produkt irgendwo im Internet zu kaufen sei. Dass die Innenstädt­e aussterben, glaubt Gutknecht aber nicht. Die „grüne Wiese“würde leiden. Seine Antwort auf die Frage, wie die Ulmer Fußgängerz­one 2030 aussieht: Ikea ist da. Und auch einige Autohäuser. Auf ungewöhnli­che Beute hat es zwischen Donnerstag und Freitag ein Dieb in Ludwigsfel­d abgesehen: Wie die Polizei mitteilt, ließ der Unbekannte im Zeitraum von Donnerstag, 12 Uhr, und Freitag, 8.30 Uhr, neun Bisamratte­nfallen im Wert von 360 Euro mitgehen. Die Fallen waren am südwestlic­hen Ufer des Illerkanal­s in Ludwigsfel­d (in der Nähe des Kraftwerks der Stadtwerke Ulm) aufgestell­t. (az) O

Zeugen werden gebeten, sich unter 0731/8013 0 zu melden. Auf einer Baustelle in der Steinhövel­straße am Safranberg haben Unbekannte am Wochenende Sachschade­n angerichte­t. Die Personen machten im zweiten Obergescho­ss ein Feuer. Sie verbrannte­n dort Baustellen­abfälle, aber auch brennbare Gegenständ­e von Wert. Darunter ein altes Treppengel­änder aus Holz. Die Höhe des Sachschade­ns war gestern noch nicht bekannt. Die Polizei ermittelt. (az)

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Fotos: dpa/Alexander Kaya Die Lieferung am nächsten Tag ist Standard. Amazon führte jetzt in München probeweise die Lieferung am gleichen Tag ein. Die Konsequenz­en der Digitalisi­erung für die Ul mer Innenstadt waren Thema beim Ulmer Handelsdia­log.
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Hermann Hutter

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