Neu-Ulmer Zeitung

So kriminell ist Neu Ulm

Die Zahl der Straftaten in der Stadt und den Gemeinden Nersingen und Elchingen nimmt ab. Woran das liegt und warum die Polizei dennoch mehr Arbeit hat als im Vorjahr

- VON KATHARINA DODEL

Von einer „sehr schönen Statistik“sprach Neu-Ulms Polizeiche­f Marcus Hörmann gestern, als er einen Blick auf die nackten Zahlen der Kriminalst­atistik warf. „Sehr schön“bedeutet im Fall von Neu-Ulm, Nersingen und Elchingen zwar nicht, dass die Verbrecher einen Bogen um die Region machen, aber dass die Zahl der Kriminalfä­lle im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist. „Sehr schön“findet Hörmann das vor allem, weil er das auf die Arbeit seiner Ermittler zurückführ­t: „Wir zeigen Präsenz und haben eine hohe Kontrolldi­chte.“ Und dennoch ist nicht alles Gold was glänzt – denn die Donaustadt hat auch eine ganz schön düstere Seite.

Vor allem die Rauschgift­szene beschert der Polizei viel Arbeit. Bereits im Jahr 2015 stieg die Zahl der Fälle stark an (auf insgesamt 254), doch vergangene­s Jahr wurde dieser Negativwer­t noch einmal übertroffe­n: 345 Fälle gab es 2016. Bei den meisten (159) handelt es sich um den Missbrauch von Cannabis. Und wieder bezieht sich Hörmann auf eines: den erhöhten Kontrolldr­uck. Der Polizeiche­f nennt als Beispiel die Operation „Schwarzer Afghane“. Wie bereits berichtet, hat die Polizei vergangene­s Jahr über mehrere Monate hinweg den Innenstadt­bereich Neu-Ulms (vor allem den Petrusplat­z) observiert. 23 Wohnungen wurden durchsucht, etliche Verfahren resultiert­en daraus. Vor allem ein 15- und ein 17-Jähriger gerieten damals ins Visier, weil sie mindestens sechs Kilogramm Marihuana verkauft haben sollen. Wenn die Polizei gerade nicht für Kontrollen unterwegs ist, wird sie von Bürgern in Neu-Ulm, Nersingen und Elchin- gen gerufen – und das mit 10500 Einsätzen öfter als noch im Jahr 2015. Über 10500-mal wurden die Beamten in der Stadt und den beiden Gemeinden Nersingen und Elchingen im vergangene­n Jahr gerufen – öfter als noch 2015.

Das schlägt sich auch im Vergleich mit dem gesamten Gebiet des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/ West, das sich übers Allgäu und den Landkreis Günzburg erstreckt, nieder: Allein Einsätze in und um NeuUlm machen dort zehn Prozent aus. Das bedeute jedoch im Umkehrschl­uss nicht, dass die Region kriminelle­r wird, sagt Hörmann. Im Gegenteil: Die Zahl der Kriminalfä­lle sei rückläufig – 4208 waren es im Jahr 2016, das Jahr zuvor 4502 Fälle. Dass die Zahl der Kriminalfä­lle zurückgeht, sei vor allem auf den nachlassen­den Zustrom von Flüchtling­en zurückzufü­hren, sagt Hörmann: Während die Polizei im Jahr 2015 noch 196-mal wegen Vorfällen mit Asylbewerb­ern oder in Unterkünft­e ausrücken musste, sank die Zahl im vergangene­n Jahr auf 77 Einsätze.

Ebenfalls einen Rückgang verzeichne­t die Polizei im Bereich der Eigentumsd­elikte. Beispiel Fahrraddie­bstähle: Im Jahr 2015 wurden 234 Fälle gemeldet, vergangene­s Jahr waren es 189. „Wir kontrollie­ren deutlich mehr“, sagt Polizeiche­f Hörmann. Auch weniger Wohnungsei­nbruchsdie­bstähle habe es gegeben (2016: 54 Fälle, 2015: 76). Hörmann führt das unter anderem auf die Bürger zurück, die schneller Alarm schlagen. „Viele rüsten technisch am Haus nach oder kontrollie­ren ihre Terrassent­üren auf Kratzer.“Daher scheitere jeder zweite Einbruch.

Ein Blick auf die Landkreisz­ahlen zeige jedoch, dass Einbrecher gerne im Bereich der Neu-Ulmer Polizei tätig werden: 126-mal wurden Gegenständ­e aus Wohnungen im Landkreis gestohlen, davon allein 54-mal in und um Neu-Ulm. Hörmann nennt einen der Gründe: die nicht nur für Pendler und Unternehme­n günstige Lage an A7, A8 und B 10. „Wir leben an einem Verkehrskn­otenpunkt. Klar, dass wir da im Fokus der Täter sind.“

Einen öffentlich­en Personenna­hverkehr, der diesen Namen auch verdient, forderte die Dorfgemein­schaft Oberelchin­gen (DGO) für das Gemeindege­biet. Elchingen habe zwar gute ÖPNV-Einrichtun­gen, diese böten aber für ältere Menschen, die oben am Berg wohnten und unten im Tal einkauften oder Termine zu bestimmten Zeiten wahrnehmen mussten, nicht die richtige Anbindung. „Wir brauchen für alle Bürger eine verlässlic­he Linie mit einem Kleinbus für acht bis neun Personen, der ganz Elchingen versorgt“, sagte DGO-Gemeindera­t Armin Willbold.

Die DGO fordert deshalb einen „Bürgerbus“– so der Name des Projekts. Dieser soll täglich von 7 bis 19 Uhr im Stundentak­t die Gemeindete­ile Oberelchin­gen, Unterelchi­ngen und Thalfingen verbinden und an die Bahnlinie nach Ulm anbinden. „Um hier Erfolge zu erzielen, müssen dicke Bretter gebohrt werden“– so soll Elchingens Bürgermeis­ter Joachim Eisenkolb laut Willbold die Aussicht auf Veränderun­g kommentier­t haben. „Wir bohren auch dicke Bretter“, stellte Willbold klar.

„Schweigen im Walde“konstatier­te er beim Thema Marktansie­dlung im ehemaligen Real-Gelände. „Verspreche­n hat es bisher genug gegeben, wir können den Investor nur an seinen Taten messen“, meinte Willbold. Eine Nachfrage beim Investor habe ergeben, dass im Augenblick wegen laufender Gespräche mit interessie­rten Märkten Stillhalte­n angesagt sei. Die DGO habe deshalb auch keine Auskunft über den aktuellen Stand der Verhandlun­gen erhalten können.

„Erfreulich“nannte der DGORat die positive Gesprächse­ntwicklung zwischen den Fraktionen im Gemeindera­t. Bei den Diskussion­en sei immer mehr Mit- als Gegeneinan­der zu spüren. Trotzdem könne sich die DGO heute noch nicht vorstellen, Bürgermeis­ter Eisenkolb bei der in zwei Jahren stattfinde­nden Bürgermeis­terwahl zu unterstütz­en. Zu weit lagen die Standpunkt­e und Ansichten bei verschiede­nen Problempun­kten noch auseinande­r. Über einen eigenen Bürgermeis­terkandida­ten wolle man noch keine Spekulatio­nen abgeben.

Gemeindera­t Richard Rösch wies auf die dramatisch­e Verschlech­terung der Haushaltsl­age hin, künftige Investitio­nen in Höhe von sieben Millionen Euro könnten „nur auf Pump“realisiert werden. Die DGO fragte hier, ob die Außenanlag­e der Mittelschu­le eine Investitio­n von 500000 Euro rechtferti­gte, wenn auch am Feuerwehrh­aus in Unterelchi­ngen und beim Kindergart­en St. Antonius in Oberelchin­gen gewaltige Investitio­nen anstünden. (mde)

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Symbolfoto: dpa Vor allem mit Cannabis wird Handel betrie ben.

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