So kriminell ist Neu Ulm
Die Zahl der Straftaten in der Stadt und den Gemeinden Nersingen und Elchingen nimmt ab. Woran das liegt und warum die Polizei dennoch mehr Arbeit hat als im Vorjahr
Von einer „sehr schönen Statistik“sprach Neu-Ulms Polizeichef Marcus Hörmann gestern, als er einen Blick auf die nackten Zahlen der Kriminalstatistik warf. „Sehr schön“bedeutet im Fall von Neu-Ulm, Nersingen und Elchingen zwar nicht, dass die Verbrecher einen Bogen um die Region machen, aber dass die Zahl der Kriminalfälle im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist. „Sehr schön“findet Hörmann das vor allem, weil er das auf die Arbeit seiner Ermittler zurückführt: „Wir zeigen Präsenz und haben eine hohe Kontrolldichte.“ Und dennoch ist nicht alles Gold was glänzt – denn die Donaustadt hat auch eine ganz schön düstere Seite.
Vor allem die Rauschgiftszene beschert der Polizei viel Arbeit. Bereits im Jahr 2015 stieg die Zahl der Fälle stark an (auf insgesamt 254), doch vergangenes Jahr wurde dieser Negativwert noch einmal übertroffen: 345 Fälle gab es 2016. Bei den meisten (159) handelt es sich um den Missbrauch von Cannabis. Und wieder bezieht sich Hörmann auf eines: den erhöhten Kontrolldruck. Der Polizeichef nennt als Beispiel die Operation „Schwarzer Afghane“. Wie bereits berichtet, hat die Polizei vergangenes Jahr über mehrere Monate hinweg den Innenstadtbereich Neu-Ulms (vor allem den Petrusplatz) observiert. 23 Wohnungen wurden durchsucht, etliche Verfahren resultierten daraus. Vor allem ein 15- und ein 17-Jähriger gerieten damals ins Visier, weil sie mindestens sechs Kilogramm Marihuana verkauft haben sollen. Wenn die Polizei gerade nicht für Kontrollen unterwegs ist, wird sie von Bürgern in Neu-Ulm, Nersingen und Elchin- gen gerufen – und das mit 10500 Einsätzen öfter als noch im Jahr 2015. Über 10500-mal wurden die Beamten in der Stadt und den beiden Gemeinden Nersingen und Elchingen im vergangenen Jahr gerufen – öfter als noch 2015.
Das schlägt sich auch im Vergleich mit dem gesamten Gebiet des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/ West, das sich übers Allgäu und den Landkreis Günzburg erstreckt, nieder: Allein Einsätze in und um NeuUlm machen dort zehn Prozent aus. Das bedeute jedoch im Umkehrschluss nicht, dass die Region krimineller wird, sagt Hörmann. Im Gegenteil: Die Zahl der Kriminalfälle sei rückläufig – 4208 waren es im Jahr 2016, das Jahr zuvor 4502 Fälle. Dass die Zahl der Kriminalfälle zurückgeht, sei vor allem auf den nachlassenden Zustrom von Flüchtlingen zurückzuführen, sagt Hörmann: Während die Polizei im Jahr 2015 noch 196-mal wegen Vorfällen mit Asylbewerbern oder in Unterkünfte ausrücken musste, sank die Zahl im vergangenen Jahr auf 77 Einsätze.
Ebenfalls einen Rückgang verzeichnet die Polizei im Bereich der Eigentumsdelikte. Beispiel Fahrraddiebstähle: Im Jahr 2015 wurden 234 Fälle gemeldet, vergangenes Jahr waren es 189. „Wir kontrollieren deutlich mehr“, sagt Polizeichef Hörmann. Auch weniger Wohnungseinbruchsdiebstähle habe es gegeben (2016: 54 Fälle, 2015: 76). Hörmann führt das unter anderem auf die Bürger zurück, die schneller Alarm schlagen. „Viele rüsten technisch am Haus nach oder kontrollieren ihre Terrassentüren auf Kratzer.“Daher scheitere jeder zweite Einbruch.
Ein Blick auf die Landkreiszahlen zeige jedoch, dass Einbrecher gerne im Bereich der Neu-Ulmer Polizei tätig werden: 126-mal wurden Gegenstände aus Wohnungen im Landkreis gestohlen, davon allein 54-mal in und um Neu-Ulm. Hörmann nennt einen der Gründe: die nicht nur für Pendler und Unternehmen günstige Lage an A7, A8 und B 10. „Wir leben an einem Verkehrsknotenpunkt. Klar, dass wir da im Fokus der Täter sind.“
Einen öffentlichen Personennahverkehr, der diesen Namen auch verdient, forderte die Dorfgemeinschaft Oberelchingen (DGO) für das Gemeindegebiet. Elchingen habe zwar gute ÖPNV-Einrichtungen, diese böten aber für ältere Menschen, die oben am Berg wohnten und unten im Tal einkauften oder Termine zu bestimmten Zeiten wahrnehmen mussten, nicht die richtige Anbindung. „Wir brauchen für alle Bürger eine verlässliche Linie mit einem Kleinbus für acht bis neun Personen, der ganz Elchingen versorgt“, sagte DGO-Gemeinderat Armin Willbold.
Die DGO fordert deshalb einen „Bürgerbus“– so der Name des Projekts. Dieser soll täglich von 7 bis 19 Uhr im Stundentakt die Gemeindeteile Oberelchingen, Unterelchingen und Thalfingen verbinden und an die Bahnlinie nach Ulm anbinden. „Um hier Erfolge zu erzielen, müssen dicke Bretter gebohrt werden“– so soll Elchingens Bürgermeister Joachim Eisenkolb laut Willbold die Aussicht auf Veränderung kommentiert haben. „Wir bohren auch dicke Bretter“, stellte Willbold klar.
„Schweigen im Walde“konstatierte er beim Thema Marktansiedlung im ehemaligen Real-Gelände. „Versprechen hat es bisher genug gegeben, wir können den Investor nur an seinen Taten messen“, meinte Willbold. Eine Nachfrage beim Investor habe ergeben, dass im Augenblick wegen laufender Gespräche mit interessierten Märkten Stillhalten angesagt sei. Die DGO habe deshalb auch keine Auskunft über den aktuellen Stand der Verhandlungen erhalten können.
„Erfreulich“nannte der DGORat die positive Gesprächsentwicklung zwischen den Fraktionen im Gemeinderat. Bei den Diskussionen sei immer mehr Mit- als Gegeneinander zu spüren. Trotzdem könne sich die DGO heute noch nicht vorstellen, Bürgermeister Eisenkolb bei der in zwei Jahren stattfindenden Bürgermeisterwahl zu unterstützen. Zu weit lagen die Standpunkte und Ansichten bei verschiedenen Problempunkten noch auseinander. Über einen eigenen Bürgermeisterkandidaten wolle man noch keine Spekulationen abgeben.
Gemeinderat Richard Rösch wies auf die dramatische Verschlechterung der Haushaltslage hin, künftige Investitionen in Höhe von sieben Millionen Euro könnten „nur auf Pump“realisiert werden. Die DGO fragte hier, ob die Außenanlage der Mittelschule eine Investition von 500000 Euro rechtfertigte, wenn auch am Feuerwehrhaus in Unterelchingen und beim Kindergarten St. Antonius in Oberelchingen gewaltige Investitionen anstünden. (mde)