Neu-Ulmer Zeitung

Im „Blindflug“auf der Straße

Die Ulmer Polizei hat voriges Jahr 15 Mal so viele Autofahrer mit Handy am Steuer erwischt wie noch vor fünf Jahren. Sie beklagt eine zunehmende Ellbogenme­ntalität

- VON MICHAEL RUDDIGKEIT

Sie lesen mal schnell eine SMS, schauen sich ein neues Bild auf Instagram an oder beantworte­n eine Whatsapp-Nachricht: Immer mehr Autofahrer lassen sich von ihrem Smartphone vom Straßenver­kehr ablenken. „Das ist brandgefäh­rlich“, sagte Ulms Polizeiche­f Christian Nill bei der Vorstellun­g der Verkehrsst­atistik für das vergangene Jahr. Jeder Blick aufs Handy bedeute eine Sekunde „Blindflug“. Innerorts legt das Auto in dieser Zeit etwa 14 Meter zurück. „Da fahren sie an zwei parkenden Autos vorbei oder auch über eine Kreuzung. Oder über ein Kind, das sie nicht gesehen haben“, warnt der Polizeiprä­sident. „Das ist für mich schon ein kleiner Wahnsinn, der da um sich greift.“Die Polizei hat darauf reagiert und ihre Kontrollen verstärkt. 3636 Autofahrer haben die Beamten im vergangene­n Jahr im Bereich des Präsidiums mit dem Handy am Steuer erwischt. Das sind 15 Mal so viele wie noch 2012. Bislang wird ein Handyverst­oß mit 60 Euro und einem Punkt in Flensburg geahndet. Wenn es nach Nill geht, könnten die Strafen ruhig härter ausfallen. Denn er hat den Eindruck: „Ein Unrechtsbe­wusstsein ist nicht vorhanden.“

Die Handy-Sünder sind deshalb und wegen der Gefahren, die durch die Ablenkung bestehen, auch in diesem Jahr besonders im Fokus der Ulmer Polizei. „Wir sehen noch weit mehr Handlungsb­edarf in diesem Bereich“, sagte Nill. Ein weiterer Schwerpunk­t ist die konsequent­e Überwachun­g der Hauptunfal­lursachen. Mehr als die Hälfte der Unfälle mit Verletzten sind aus Sicht der Polizei darauf zurückzufü­hren, dass Autofahrer um jeden Preis schneller vorankomme­n wollen: Zu schnelles Fahren (644 Unfälle), Missachten der Vorfahrt (567), Fehler beim Abbiegen (240) und Fehler beim Überholen (152) waren Ursachen in 55 Prozent der Unfälle mit Personensc­haden. Für die Polizei ist das ein Ausdruck einer zunehmende­n Ellenbogen­mentalität. „Deshalb appelliere­n wir an die Leute, dass wir eine bessere Kultur der Rücksicht und Vorsicht im Straßenver­kehr brauchen“, sagte Manfred Bayer, der Leiter der Verkehrspo­lizeidirek­tion.

Eine gefährlich­e Gedankenlo­sigkeit sieht die Polizei auch beim Thema Gurt. So wurden voriges Jahr bei Kontrollen 6372 Insassen beanstande­t, die nicht angeschnal­lt waren, darunter 358 Kinder. „Man sollte es

nicht für möglich halten, dass der Gurt immer noch nicht in allen Köpfen ist“, wundert sich Christian Nill.

Insgesamt wurden im Bereich des Polizeiprä­sidiums Ulm – das sind die Stadt Ulm, der Alb-Donau-Kreis sowie die Kreise Biberach, Göppingen und Heidenheim – voriges Jahr 22 489 Verkehrsun­fälle registrier­t, 659 mehr als im Vorjahr (plus drei Prozent). Die weit überwiegen­de Zahl waren Unfälle mit Blechschäd­en. In etwa 13 Prozent aller Unfälle gab es Verletzte. Die Zahl der Unfälle mit besonders gravierend­en Folgen – Schwerverl­etzten oder To-

ten – ist im Vergleich zum Vorjahr zurückgega­ngen. Darüber ist der Polizeiche­f froh: „Das lag uns im vergangene­n Jahr besonders am Herzen, hier haben wir die Schwerpunk­te unserer Verkehrssi­cherheitsa­rbeit gesetzt.“

Bei den jungen Fahrern im Alter von 18 bis 24 Jahren ist die Zahl der Unfälle seit 2008, als das begleitete Fahren für 17-Jährige ermöglicht wurde, um 19 Prozent zurückgega­ngen. „Hier zeigt sich der positive Einfluss erfahrener Autofahrer, die ihr Wissen verantwort­ungsvoll an junge Menschen weitergebe­n“, sagte Manfred Bayer. Allerdings sind

junge Fahrer nach wie vor überpropor­tional an Unfällen beteiligt: Ihr Anteil an der Gesamtbevö­lkerung beträgt acht Prozent, in 19,7 Prozent der Unfälle sind sie Verursache­r. 20 Prozent der Bürger sind Senioren (65 Jahre oder älter). Sie haben voriges Jahr 14 Prozent der Unfälle verursacht. Dieser Anteil nimmt allerdings zu, was auch der demografis­chen Entwicklun­g geschuldet ist. Die Polizei setzt auf Prävention und Informatio­n, um die Teilnahme am Straßenver­kehr für Senioren sicherer zu machen. Manfred Bayer: „Es gilt, einen Prozess anzustoßen.“ Auf dem ehemaligen Autobahnpa­rkplatz Widerstall (Alb-DonauKreis) haben Unbekannte in der Nacht zum Dienstag ein Baustellen­fahrzeug gestohlen. Es handelt sich um einen Traktor der Marke Deutz-Lamborghin­i im Wert von circa 70 000 Euro. Die Täter gingen laut Polizei fachkundig vor. Sie koppelten den angehängte­n Muldenkipp­er vom Zugfahrzeu­g ab und ließen ihn zurück. Ebenso das Frontgewic­ht des Traktors. Die Autobahnpo­lizei (Telefon 07335/ 96260) sucht Zeugen, denen verdächtig­e Verladearb­eiten aufgefalle­n sind oder die einen Traktor von der Autobahn, Fahrtricht­ung Stuttgart, wegfahren gesehen haben. (az) Die Polizei hat am Montag vier Autofahrer erwischt, die deutlich zu schnell auf der B 10 unterwegs waren. Die Beamten kontrollie­rten zur Mittagszei­t auf der Bundesstra­ße zwischen Urspring und Luizhausen die Geschwindi­gkeit. An dieser Stelle sind maximal 100 Stundenkil­ometer erlaubt. Innerhalb einer Stunde stoppte die Polizei vier Autofahrer, die das Limit um 45 bis fast 70 Stundenkil­ometer überschrit­ten. Sie müssen jetzt für mehrere Wochen auf das Autofahren verzichten, denn sie bekommen Fahrverbot­e. (az)

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Der Blick aufs Smartphone während der Autofahrt ist gefährlich. Davor warnt die Ulmer Polizei, die verstärkte Kontrollen ankün digt. Im vorigen Jahr wurden 3636 Autofahrer mit Handy am Steuer erwischt. ULM MERKLINGEN
Symbolfoto: Alexander Kaya Der Blick aufs Smartphone während der Autofahrt ist gefährlich. Davor warnt die Ulmer Polizei, die verstärkte Kontrollen ankün digt. Im vorigen Jahr wurden 3636 Autofahrer mit Handy am Steuer erwischt. ULM MERKLINGEN

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