Im „Blindflug“auf der Straße
Die Ulmer Polizei hat voriges Jahr 15 Mal so viele Autofahrer mit Handy am Steuer erwischt wie noch vor fünf Jahren. Sie beklagt eine zunehmende Ellbogenmentalität
Sie lesen mal schnell eine SMS, schauen sich ein neues Bild auf Instagram an oder beantworten eine Whatsapp-Nachricht: Immer mehr Autofahrer lassen sich von ihrem Smartphone vom Straßenverkehr ablenken. „Das ist brandgefährlich“, sagte Ulms Polizeichef Christian Nill bei der Vorstellung der Verkehrsstatistik für das vergangene Jahr. Jeder Blick aufs Handy bedeute eine Sekunde „Blindflug“. Innerorts legt das Auto in dieser Zeit etwa 14 Meter zurück. „Da fahren sie an zwei parkenden Autos vorbei oder auch über eine Kreuzung. Oder über ein Kind, das sie nicht gesehen haben“, warnt der Polizeipräsident. „Das ist für mich schon ein kleiner Wahnsinn, der da um sich greift.“Die Polizei hat darauf reagiert und ihre Kontrollen verstärkt. 3636 Autofahrer haben die Beamten im vergangenen Jahr im Bereich des Präsidiums mit dem Handy am Steuer erwischt. Das sind 15 Mal so viele wie noch 2012. Bislang wird ein Handyverstoß mit 60 Euro und einem Punkt in Flensburg geahndet. Wenn es nach Nill geht, könnten die Strafen ruhig härter ausfallen. Denn er hat den Eindruck: „Ein Unrechtsbewusstsein ist nicht vorhanden.“
Die Handy-Sünder sind deshalb und wegen der Gefahren, die durch die Ablenkung bestehen, auch in diesem Jahr besonders im Fokus der Ulmer Polizei. „Wir sehen noch weit mehr Handlungsbedarf in diesem Bereich“, sagte Nill. Ein weiterer Schwerpunkt ist die konsequente Überwachung der Hauptunfallursachen. Mehr als die Hälfte der Unfälle mit Verletzten sind aus Sicht der Polizei darauf zurückzuführen, dass Autofahrer um jeden Preis schneller vorankommen wollen: Zu schnelles Fahren (644 Unfälle), Missachten der Vorfahrt (567), Fehler beim Abbiegen (240) und Fehler beim Überholen (152) waren Ursachen in 55 Prozent der Unfälle mit Personenschaden. Für die Polizei ist das ein Ausdruck einer zunehmenden Ellenbogenmentalität. „Deshalb appellieren wir an die Leute, dass wir eine bessere Kultur der Rücksicht und Vorsicht im Straßenverkehr brauchen“, sagte Manfred Bayer, der Leiter der Verkehrspolizeidirektion.
Eine gefährliche Gedankenlosigkeit sieht die Polizei auch beim Thema Gurt. So wurden voriges Jahr bei Kontrollen 6372 Insassen beanstandet, die nicht angeschnallt waren, darunter 358 Kinder. „Man sollte es
nicht für möglich halten, dass der Gurt immer noch nicht in allen Köpfen ist“, wundert sich Christian Nill.
Insgesamt wurden im Bereich des Polizeipräsidiums Ulm – das sind die Stadt Ulm, der Alb-Donau-Kreis sowie die Kreise Biberach, Göppingen und Heidenheim – voriges Jahr 22 489 Verkehrsunfälle registriert, 659 mehr als im Vorjahr (plus drei Prozent). Die weit überwiegende Zahl waren Unfälle mit Blechschäden. In etwa 13 Prozent aller Unfälle gab es Verletzte. Die Zahl der Unfälle mit besonders gravierenden Folgen – Schwerverletzten oder To-
ten – ist im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Darüber ist der Polizeichef froh: „Das lag uns im vergangenen Jahr besonders am Herzen, hier haben wir die Schwerpunkte unserer Verkehrssicherheitsarbeit gesetzt.“
Bei den jungen Fahrern im Alter von 18 bis 24 Jahren ist die Zahl der Unfälle seit 2008, als das begleitete Fahren für 17-Jährige ermöglicht wurde, um 19 Prozent zurückgegangen. „Hier zeigt sich der positive Einfluss erfahrener Autofahrer, die ihr Wissen verantwortungsvoll an junge Menschen weitergeben“, sagte Manfred Bayer. Allerdings sind
junge Fahrer nach wie vor überproportional an Unfällen beteiligt: Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung beträgt acht Prozent, in 19,7 Prozent der Unfälle sind sie Verursacher. 20 Prozent der Bürger sind Senioren (65 Jahre oder älter). Sie haben voriges Jahr 14 Prozent der Unfälle verursacht. Dieser Anteil nimmt allerdings zu, was auch der demografischen Entwicklung geschuldet ist. Die Polizei setzt auf Prävention und Information, um die Teilnahme am Straßenverkehr für Senioren sicherer zu machen. Manfred Bayer: „Es gilt, einen Prozess anzustoßen.“ Auf dem ehemaligen Autobahnparkplatz Widerstall (Alb-DonauKreis) haben Unbekannte in der Nacht zum Dienstag ein Baustellenfahrzeug gestohlen. Es handelt sich um einen Traktor der Marke Deutz-Lamborghini im Wert von circa 70 000 Euro. Die Täter gingen laut Polizei fachkundig vor. Sie koppelten den angehängten Muldenkipper vom Zugfahrzeug ab und ließen ihn zurück. Ebenso das Frontgewicht des Traktors. Die Autobahnpolizei (Telefon 07335/ 96260) sucht Zeugen, denen verdächtige Verladearbeiten aufgefallen sind oder die einen Traktor von der Autobahn, Fahrtrichtung Stuttgart, wegfahren gesehen haben. (az) Die Polizei hat am Montag vier Autofahrer erwischt, die deutlich zu schnell auf der B 10 unterwegs waren. Die Beamten kontrollierten zur Mittagszeit auf der Bundesstraße zwischen Urspring und Luizhausen die Geschwindigkeit. An dieser Stelle sind maximal 100 Stundenkilometer erlaubt. Innerhalb einer Stunde stoppte die Polizei vier Autofahrer, die das Limit um 45 bis fast 70 Stundenkilometer überschritten. Sie müssen jetzt für mehrere Wochen auf das Autofahren verzichten, denn sie bekommen Fahrverbote. (az)