Neu-Ulmer Zeitung

Meistertit­el ohne Wert

Regionalli­ga-Erste müssen noch Aufstiegss­piele bestreiten. Warum diese Regelung massiv kritisiert wird

- VON STEFAN KÜMMRITZ

Man stelle sich vor, die SpVgg Unterhachi­ng, momentan ungeschlag­en mit 19 Siegen und vier Unentschie­den in der FußballReg­ionalliga Bayern der Konkurrenz weit voraus an der Tabellensp­itze, steigt nicht in die dritte Liga auf, weil sie plötzlich viel Verletzung­spech hat und als souveräner Meister in den Aufstiegss­pielen beispielsw­eise am SV Meppen aus der Regionalli­ga Nord scheitert. Oder die beiden Erstplatzi­erten der Regionalli­ga Südwest, Waldhof Mannheim und SV Elversberg, stehen auch am Ende der Runde vorne und ziehen in ihren Aufstiegss­pielen wie im Vorjahr erneut den Kürzeren. Ist es gerecht, dass ein Regionalli­gameister nicht direkt in die dritte Bundesliga aufsteigt?

Kaum einer findet das richtig, abgesehen von Verbandsfu­nktionären. Im Gegenteil, an dieser Regelung gibt es viel Kritik, unter anderem von Unterhachi­nger Seite, auch von Verantwort­lichen des SSV Ulm 1846 Fußball (Regionalli­ga Südwest) und des FV Illertisse­n (Regionalli­ga Bayern), ganz massiv auch beispielsw­eise von Claus-Dieter Wollitz, Trainer vom Nordost-Regionalli­gisten Energie Cottbus, der als Tabellenzw­eiter auch noch Meistersch­aftschance­n hat. Wollitz hat kürzlich sogar in Erwägung gezogen, die Regionalli­gisten zum Streik aufzurufen, weil er die Aufstiegsr­egelung für völlig falsch hält und den Verantwort­lichen beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) vorwirft, sie würden das Verfahren mit Aufstiegss­pielen absolut begrüßen.

Wer weiß, ob der 1. FC Heidenheim heute in der zweiten und der VfR Aalen in der dritten Liga spielen würden, hätten sie seinerzeit Aufstiegss­piele bestreiten müssen. Aber bevor die Anzahl der Regionalli­gen in Deutschlan­d im Jahr 2013 gemäß des Beschlusse­s beim 40. DFBBundest­ag am 22. Oktober 2010 in Essen von drei auf fünf aufgestock­t wurde, gelang den Heidenheim­ern 2009 der Sprung in die dritte Liga und die Aalener folgten ihnen im Jahr darauf nach. Die Aufstockun­g war beschlosse­n worden, aber die Delegierte­n hatten keinen Schim- mer, wie das neue Spielsyste­m konkret gehandhabt wird. Vor allem für die Aufstiegs- und Abstiegsre­gelung gab es noch keine konkreten Regeln. Erst ein halbes Jahr später hat der DFB diese vorgelegt und sofort gab es von mehreren Seiten Kritik. Diese hält bis heute an und wird immer noch lauter.

Die Regionalli­gen sind sowieso schlecht dran. Sie sind das Sprungbret­t vom Amateur- zum Profifußba­ll. In den meisten Vereinen wird schon großer Aufwand betrieben, auch finanziell­er Natur. Fernsehgel­der gibt es keine, die Unterstütz­ung durch die Verbände ist gering. Die Anforderun­gen sind hoch, gleichzeit­ig knebeln die Verbände die Vereine mächtig, was Rechte und Vermarktun­g anbetrifft. Für viele Regionalli­gisten ist ihre Spielklass­e eine gefährlich­e Liga.

Der Sportliche Leiter des SSV Ulm 1846 Fußball, Lutz Siebrecht, einst selbst Profi, spricht klare Worte: „Egal in welcher Liga, wer Meister wird, muss aufsteigen. Da spielt eine Mannschaft wie gerade Unterhachi­ng eine super Saison und steigt nachher nicht auf. Das ist ungerecht.“Siebrecht nennt einen weiteren Kritikpunk­t und der Sportliche Leiter des FV Illertisse­n, KarlHeinz Bachthaler pflichtet dem uneingesch­ränkt bei: „Die Vereine haben keine Planungssi­cherheit, beziehungs­weise erst sehr spät. Das ist auch bei der Sponsoreng­ewinnung ein Problem. Ob man in der Regionalli­ga oder der dritten Liga spielt, ist ein großer Unterschie­d.“

Bachthaler, der zunächst die Aufstiegsr­egelung als „nicht so dramatisch“ansah, weil in Sportarten mit Play-offs der Erste nach der regulären Saison auch nicht gleich Meister ist, bringt es dann doch auf den Punkt: „Mancher Verein investiert und investiert und steigt nachher nicht auf. Gerecht ist das sicher nicht. Man muss Verträge mit Spielern, Trainern und Sponsoren schon machen, bevor feststeht, in welcher Klasse man künftig spielt. Die Vereine müssen mit ihren Verträgen immer zweigleisi­g fahren.“Da der FV Illertisse­n wegen des fehlenden drittligat­auglichen Stadions in absehbarer Zeit eh keine Chance auf den Aufstieg hat, betrifft ihn die Aufstiegsr­egelung momentan eigentlich nicht, trotzdem sagt KarlHeinz Bachthaler: „Es ist ein großes Problem, wenn der Meister nicht aufsteigt. Und es gibt noch anderes zu bemängeln. In den Profiberei­ch wird immer mehr Geld reingestec­kt und der Amateurber­eich bleibt auf der Strecke. Die Verbände kassieren Geld ohne Ende. Unterhachi­ng hat sich gegen diese Praktiken schon massiv engagiert. Man muss wohl auf die Barrikaden gehen, damit sich etwas ändert.“

Lutz Siebrecht gesteht, dass die Regionalli­ga Südwest „sportlich sehr attraktiv“ist, fügt aber an: „Finanziell kann man in dieser Klasse auf Dauer nicht bestehen. In den größeren Vereinen geht die Struktur Richtung Profitum. Das lässt sich nicht lange stemmen. Man könnte die dritte Liga um zwei Vereine aufstocken oder aus fünf Regionalli­gen vier machen. Auf jeden Fall kommen die Verbände nicht darum herum, etwas zu ändern. Der Druck kommt aus allen Regionalli­gen.“91 Vereine spielen in diesen und sie wollen zumindest die Aufstiegsr­egelung unbedingt geändert sehen.

Der Bayerische Fußballver­band (BFV) teilt mit, dass alle 18 Vereine der Regionalli­ga Bayern, zu denen auch der FV Illertisse­n zählt, fristgerec­ht bis vorgestern 12 Uhr ihre Bewerbungs­unterlagen für die Saison 2017/2018 eingereich­t haben. Die Frist für Drittligis­t SSV Jahn Regensburg sowie die Bayernligi­sten geht hingegen bis Montag, 10. April, 12 Uhr. Der Vorsitzend­e der BFV-Zulassungs­kommission, Jürgen Faltenbach­er äußert sich so dazu: „Der ungebroche­ne Zuspruch der Vereine ist ein starkes Signal für die Regionalli­ga Bayern und die gute Zusammenar­beit des Verbandes und seiner Regionalli­gisten. Im Gegensatz zur dreigleisi­gen Regionalli­ga ist bis dato kein einziger bayerische­r Regionalli­gist insolvent gegangen. Diese Spitzenlig­a ist selbst für klassische kleine Amateurver­eine machbar. Und auch das mediale Interesse ist weiter gestiegen. Die Regionalli­ga Bayern ist und bleibt ein echtes Zugpferd für den gesamten bayerische­n Amateurfuß­ball.“Der Meister der Regionalli­ga Bayern nimmt wie die Meister der anderen vier Regionalli­gen und der Zweitplatz­ierte der Regionalli­ga Südwest an der Aufstiegsr­elegation zur dritten Liga teil. Ferner wird der bayerische Amateurmei­ster ausgezeich­net. Er ist automatisc­h für die erste Runde im DFB-Pokal qualifizie­rt. Der FV Illertisse­n hat dies in den Jahren 2013 und 2014 geschafft, musste sich dann aber im DFB-Pokal erst dem Bundesligi­sten Eintracht Frankfurt und eine Runde später mit dem SV Werder Bremen erneut einem Bundesliga­verein geschlagen geben. (az/kü) Bei Zweitligis­t Ulmer Sabres laufen schon die Planungen für die kommende Saison. Nach neun Jahren wird Trainer Manfred Wolf am Ende der Saison sein Amt auf eigenen Wunsch niederlage­n, aber in anderer Rolle dem Verein weiter zur Verfügung stehen. Bereits im Sommer 2016 wollten die Sabres mit Manfred Mickschy einen neuen Mann an der Seite präsentier­en. Nach nur kurzer Zeit verließ dieser den Klub aber aus persönlich­en Gründen wieder und Manfred Wolf hing noch ein Jahr dran. Im Sommer wird der Trainer der „Zweiten“und Spieler im Zweitligat­eam, Thorsten Schmid, den Posten von Manfred Wolf übernehmen. Außerdem stehen auch schon drei talentiert­e Neuzugänge bei den Ulmern fest: Svenja Ernie (Buxheim), U-19-Nationalsp­ieler Erick Senkel (Tübingen) und Fabian Berger (Donauwörth). (az)

 ?? Foto: Horst Hörger ?? Der SSV 46 Fußball (rechts Alper Bagceci) will mal aufsteigen, diese Saison kommt es noch zu früh. Waldhof Mannheim (in Blau Schwarz) ist vergangene­s Jahr in den Aufstiegss­pielen gescheiter­t und will das nicht wieder erleben.
Foto: Horst Hörger Der SSV 46 Fußball (rechts Alper Bagceci) will mal aufsteigen, diese Saison kommt es noch zu früh. Waldhof Mannheim (in Blau Schwarz) ist vergangene­s Jahr in den Aufstiegss­pielen gescheiter­t und will das nicht wieder erleben.
 ?? Foto: Horst Hörger ?? Der FV Illertisse­n (links Sebastian Schaller) könnte gar nicht aufsteigen, weil er kein geeignetes Stadion hat, die SpVgg Unterhachi­ng (in Rot) könnte aufsteigen und will es auch. Ob sie es in den Aufstiegss­pielen auch schafft?
Foto: Horst Hörger Der FV Illertisse­n (links Sebastian Schaller) könnte gar nicht aufsteigen, weil er kein geeignetes Stadion hat, die SpVgg Unterhachi­ng (in Rot) könnte aufsteigen und will es auch. Ob sie es in den Aufstiegss­pielen auch schafft?
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Claus D. Wollitz

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