Meistertitel ohne Wert
Regionalliga-Erste müssen noch Aufstiegsspiele bestreiten. Warum diese Regelung massiv kritisiert wird
Man stelle sich vor, die SpVgg Unterhaching, momentan ungeschlagen mit 19 Siegen und vier Unentschieden in der FußballRegionalliga Bayern der Konkurrenz weit voraus an der Tabellenspitze, steigt nicht in die dritte Liga auf, weil sie plötzlich viel Verletzungspech hat und als souveräner Meister in den Aufstiegsspielen beispielsweise am SV Meppen aus der Regionalliga Nord scheitert. Oder die beiden Erstplatzierten der Regionalliga Südwest, Waldhof Mannheim und SV Elversberg, stehen auch am Ende der Runde vorne und ziehen in ihren Aufstiegsspielen wie im Vorjahr erneut den Kürzeren. Ist es gerecht, dass ein Regionalligameister nicht direkt in die dritte Bundesliga aufsteigt?
Kaum einer findet das richtig, abgesehen von Verbandsfunktionären. Im Gegenteil, an dieser Regelung gibt es viel Kritik, unter anderem von Unterhachinger Seite, auch von Verantwortlichen des SSV Ulm 1846 Fußball (Regionalliga Südwest) und des FV Illertissen (Regionalliga Bayern), ganz massiv auch beispielsweise von Claus-Dieter Wollitz, Trainer vom Nordost-Regionalligisten Energie Cottbus, der als Tabellenzweiter auch noch Meisterschaftschancen hat. Wollitz hat kürzlich sogar in Erwägung gezogen, die Regionalligisten zum Streik aufzurufen, weil er die Aufstiegsregelung für völlig falsch hält und den Verantwortlichen beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) vorwirft, sie würden das Verfahren mit Aufstiegsspielen absolut begrüßen.
Wer weiß, ob der 1. FC Heidenheim heute in der zweiten und der VfR Aalen in der dritten Liga spielen würden, hätten sie seinerzeit Aufstiegsspiele bestreiten müssen. Aber bevor die Anzahl der Regionalligen in Deutschland im Jahr 2013 gemäß des Beschlusses beim 40. DFBBundestag am 22. Oktober 2010 in Essen von drei auf fünf aufgestockt wurde, gelang den Heidenheimern 2009 der Sprung in die dritte Liga und die Aalener folgten ihnen im Jahr darauf nach. Die Aufstockung war beschlossen worden, aber die Delegierten hatten keinen Schim- mer, wie das neue Spielsystem konkret gehandhabt wird. Vor allem für die Aufstiegs- und Abstiegsregelung gab es noch keine konkreten Regeln. Erst ein halbes Jahr später hat der DFB diese vorgelegt und sofort gab es von mehreren Seiten Kritik. Diese hält bis heute an und wird immer noch lauter.
Die Regionalligen sind sowieso schlecht dran. Sie sind das Sprungbrett vom Amateur- zum Profifußball. In den meisten Vereinen wird schon großer Aufwand betrieben, auch finanzieller Natur. Fernsehgelder gibt es keine, die Unterstützung durch die Verbände ist gering. Die Anforderungen sind hoch, gleichzeitig knebeln die Verbände die Vereine mächtig, was Rechte und Vermarktung anbetrifft. Für viele Regionalligisten ist ihre Spielklasse eine gefährliche Liga.
Der Sportliche Leiter des SSV Ulm 1846 Fußball, Lutz Siebrecht, einst selbst Profi, spricht klare Worte: „Egal in welcher Liga, wer Meister wird, muss aufsteigen. Da spielt eine Mannschaft wie gerade Unterhaching eine super Saison und steigt nachher nicht auf. Das ist ungerecht.“Siebrecht nennt einen weiteren Kritikpunkt und der Sportliche Leiter des FV Illertissen, KarlHeinz Bachthaler pflichtet dem uneingeschränkt bei: „Die Vereine haben keine Planungssicherheit, beziehungsweise erst sehr spät. Das ist auch bei der Sponsorengewinnung ein Problem. Ob man in der Regionalliga oder der dritten Liga spielt, ist ein großer Unterschied.“
Bachthaler, der zunächst die Aufstiegsregelung als „nicht so dramatisch“ansah, weil in Sportarten mit Play-offs der Erste nach der regulären Saison auch nicht gleich Meister ist, bringt es dann doch auf den Punkt: „Mancher Verein investiert und investiert und steigt nachher nicht auf. Gerecht ist das sicher nicht. Man muss Verträge mit Spielern, Trainern und Sponsoren schon machen, bevor feststeht, in welcher Klasse man künftig spielt. Die Vereine müssen mit ihren Verträgen immer zweigleisig fahren.“Da der FV Illertissen wegen des fehlenden drittligatauglichen Stadions in absehbarer Zeit eh keine Chance auf den Aufstieg hat, betrifft ihn die Aufstiegsregelung momentan eigentlich nicht, trotzdem sagt KarlHeinz Bachthaler: „Es ist ein großes Problem, wenn der Meister nicht aufsteigt. Und es gibt noch anderes zu bemängeln. In den Profibereich wird immer mehr Geld reingesteckt und der Amateurbereich bleibt auf der Strecke. Die Verbände kassieren Geld ohne Ende. Unterhaching hat sich gegen diese Praktiken schon massiv engagiert. Man muss wohl auf die Barrikaden gehen, damit sich etwas ändert.“
Lutz Siebrecht gesteht, dass die Regionalliga Südwest „sportlich sehr attraktiv“ist, fügt aber an: „Finanziell kann man in dieser Klasse auf Dauer nicht bestehen. In den größeren Vereinen geht die Struktur Richtung Profitum. Das lässt sich nicht lange stemmen. Man könnte die dritte Liga um zwei Vereine aufstocken oder aus fünf Regionalligen vier machen. Auf jeden Fall kommen die Verbände nicht darum herum, etwas zu ändern. Der Druck kommt aus allen Regionalligen.“91 Vereine spielen in diesen und sie wollen zumindest die Aufstiegsregelung unbedingt geändert sehen.
Der Bayerische Fußballverband (BFV) teilt mit, dass alle 18 Vereine der Regionalliga Bayern, zu denen auch der FV Illertissen zählt, fristgerecht bis vorgestern 12 Uhr ihre Bewerbungsunterlagen für die Saison 2017/2018 eingereicht haben. Die Frist für Drittligist SSV Jahn Regensburg sowie die Bayernligisten geht hingegen bis Montag, 10. April, 12 Uhr. Der Vorsitzende der BFV-Zulassungskommission, Jürgen Faltenbacher äußert sich so dazu: „Der ungebrochene Zuspruch der Vereine ist ein starkes Signal für die Regionalliga Bayern und die gute Zusammenarbeit des Verbandes und seiner Regionalligisten. Im Gegensatz zur dreigleisigen Regionalliga ist bis dato kein einziger bayerischer Regionalligist insolvent gegangen. Diese Spitzenliga ist selbst für klassische kleine Amateurvereine machbar. Und auch das mediale Interesse ist weiter gestiegen. Die Regionalliga Bayern ist und bleibt ein echtes Zugpferd für den gesamten bayerischen Amateurfußball.“Der Meister der Regionalliga Bayern nimmt wie die Meister der anderen vier Regionalligen und der Zweitplatzierte der Regionalliga Südwest an der Aufstiegsrelegation zur dritten Liga teil. Ferner wird der bayerische Amateurmeister ausgezeichnet. Er ist automatisch für die erste Runde im DFB-Pokal qualifiziert. Der FV Illertissen hat dies in den Jahren 2013 und 2014 geschafft, musste sich dann aber im DFB-Pokal erst dem Bundesligisten Eintracht Frankfurt und eine Runde später mit dem SV Werder Bremen erneut einem Bundesligaverein geschlagen geben. (az/kü) Bei Zweitligist Ulmer Sabres laufen schon die Planungen für die kommende Saison. Nach neun Jahren wird Trainer Manfred Wolf am Ende der Saison sein Amt auf eigenen Wunsch niederlagen, aber in anderer Rolle dem Verein weiter zur Verfügung stehen. Bereits im Sommer 2016 wollten die Sabres mit Manfred Mickschy einen neuen Mann an der Seite präsentieren. Nach nur kurzer Zeit verließ dieser den Klub aber aus persönlichen Gründen wieder und Manfred Wolf hing noch ein Jahr dran. Im Sommer wird der Trainer der „Zweiten“und Spieler im Zweitligateam, Thorsten Schmid, den Posten von Manfred Wolf übernehmen. Außerdem stehen auch schon drei talentierte Neuzugänge bei den Ulmern fest: Svenja Ernie (Buxheim), U-19-Nationalspieler Erick Senkel (Tübingen) und Fabian Berger (Donauwörth). (az)